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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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Heim wirklich wieder zu Ehren bringen und an Stelle des
steifen, unnatürlichen Verkehrs, vor dem die Männerwelt flieht,
dem sie selbst ödes Kneipenleben vorzieht, eine wirklich herz-
erfreuende, zwanglose Geselligkeit setzen? Der Mann allein,
daran müssen wir festhalten, kann den Kampf gegen die herr-
schenden Unsitten nicht aufnehmen. Die Frauen müssen und
werden, auch wenn es bisher noch nicht allgemein als ihre
Pflicht anerkannt wird, in diesem Kampfe seine besten Hel-
fer sein.

Und ganz besonders die Jüngeren unter den Frauen.
Es ist Naturgesetz, daß der Mann die Frau zum Weibe be-
gehrt. Wenn aber ein Mann weiß, daß er jungen Mädchen
gegenübersteht, die nicht wahllos den ersten Besten nehmen,
die es vielmehr als die größte Schmach empfinden, wenn sie
sich an einen Mann, den sie nicht lieben können, der ihrer
nicht wert ist, fürs Leben wegwerfen, so wird auch der Mann
lernen, höhere Anforderungen an sich selbst zu stellen. Je ge-
festeter in sich unsere jungen Mädchen werden, je mehr sie ihre
Selbstschätzung jungen Männern gegenüber zu wahren wissen,
desto seltener wird es vorkommen, daß ein Jüngling - wie
man das jetzt wohl noch hört - mit siegesbewußtem Lächeln
sagt: "Wenn ich nur will - ich kann zehn haben für eine".
Wir empfinden es oft gar nicht, welch niedere Wertung der
Frau in solchen Aussprüchen liegt, wie auch in unseren ganzen
Verkehrssitten solche niedere Wertung der Frau ausgeprägt ist.

Denken wir, um ein Beispiel zu nennen, an einen Ball-
saal: Junge Damen, sonst sittsam verhüllt, werden vor den
Augen der Männer, um sie anzuziehen, um ihnen zu gefallen,
in dekolletierten Kostümen neben einander aufgereiht. Da sitzen
sie und warten, ob und wann es den Herren der Schöpfung
gefällt, sie zu engagieren. Tanzlustiger gewöhnlich als die aus

Heim wirklich wieder zu Ehren bringen und an Stelle des
steifen, unnatürlichen Verkehrs, vor dem die Männerwelt flieht,
dem sie selbst ödes Kneipenleben vorzieht, eine wirklich herz-
erfreuende, zwanglose Geselligkeit setzen? Der Mann allein,
daran müssen wir festhalten, kann den Kampf gegen die herr-
schenden Unsitten nicht aufnehmen. Die Frauen müssen und
werden, auch wenn es bisher noch nicht allgemein als ihre
Pflicht anerkannt wird, in diesem Kampfe seine besten Hel-
fer sein.

Und ganz besonders die Jüngeren unter den Frauen.
Es ist Naturgesetz, daß der Mann die Frau zum Weibe be-
gehrt. Wenn aber ein Mann weiß, daß er jungen Mädchen
gegenübersteht, die nicht wahllos den ersten Besten nehmen,
die es vielmehr als die größte Schmach empfinden, wenn sie
sich an einen Mann, den sie nicht lieben können, der ihrer
nicht wert ist, fürs Leben wegwerfen, so wird auch der Mann
lernen, höhere Anforderungen an sich selbst zu stellen. Je ge-
festeter in sich unsere jungen Mädchen werden, je mehr sie ihre
Selbstschätzung jungen Männern gegenüber zu wahren wissen,
desto seltener wird es vorkommen, daß ein Jüngling – wie
man das jetzt wohl noch hört – mit siegesbewußtem Lächeln
sagt: „Wenn ich nur will – ich kann zehn haben für eine“.
Wir empfinden es oft gar nicht, welch niedere Wertung der
Frau in solchen Aussprüchen liegt, wie auch in unseren ganzen
Verkehrssitten solche niedere Wertung der Frau ausgeprägt ist.

Denken wir, um ein Beispiel zu nennen, an einen Ball-
saal: Junge Damen, sonst sittsam verhüllt, werden vor den
Augen der Männer, um sie anzuziehen, um ihnen zu gefallen,
in dekolletierten Kostümen neben einander aufgereiht. Da sitzen
sie und warten, ob und wann es den Herren der Schöpfung
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[192/0202] Heim wirklich wieder zu Ehren bringen und an Stelle des steifen, unnatürlichen Verkehrs, vor dem die Männerwelt flieht, dem sie selbst ödes Kneipenleben vorzieht, eine wirklich herz- erfreuende, zwanglose Geselligkeit setzen? Der Mann allein, daran müssen wir festhalten, kann den Kampf gegen die herr- schenden Unsitten nicht aufnehmen. Die Frauen müssen und werden, auch wenn es bisher noch nicht allgemein als ihre Pflicht anerkannt wird, in diesem Kampfe seine besten Hel- fer sein. Und ganz besonders die Jüngeren unter den Frauen. Es ist Naturgesetz, daß der Mann die Frau zum Weibe be- gehrt. Wenn aber ein Mann weiß, daß er jungen Mädchen gegenübersteht, die nicht wahllos den ersten Besten nehmen, die es vielmehr als die größte Schmach empfinden, wenn sie sich an einen Mann, den sie nicht lieben können, der ihrer nicht wert ist, fürs Leben wegwerfen, so wird auch der Mann lernen, höhere Anforderungen an sich selbst zu stellen. Je ge- festeter in sich unsere jungen Mädchen werden, je mehr sie ihre Selbstschätzung jungen Männern gegenüber zu wahren wissen, desto seltener wird es vorkommen, daß ein Jüngling – wie man das jetzt wohl noch hört – mit siegesbewußtem Lächeln sagt: „Wenn ich nur will – ich kann zehn haben für eine“. Wir empfinden es oft gar nicht, welch niedere Wertung der Frau in solchen Aussprüchen liegt, wie auch in unseren ganzen Verkehrssitten solche niedere Wertung der Frau ausgeprägt ist. Denken wir, um ein Beispiel zu nennen, an einen Ball- saal: Junge Damen, sonst sittsam verhüllt, werden vor den Augen der Männer, um sie anzuziehen, um ihnen zu gefallen, in dekolletierten Kostümen neben einander aufgereiht. Da sitzen sie und warten, ob und wann es den Herren der Schöpfung gefällt, sie zu engagieren. Tanzlustiger gewöhnlich als die aus

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/202>, abgerufen am 22.11.2024.