Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

leitung erbetene Referat zu halten, weil sie eben, nach der
gesetzlich unanfechtbaren Ansicht der dortigen Polizei, nur
eine Frauensperson war und deswegen zu schweigen hatte, da
war auch unter Männern allgemeine Empörung. Der Zen-
trumsabgeordnete Trimborn sprach es unumwunden aus,
daß er sich den Vertretern des Auslandes gegenüber solches
Vorgehens gegen eine deutsche Frau geradezu geschämt habe.
Wiederholt wurde Aenderung im Landtag beantragt, von
Frauen gefordert. Aber Aenderung ist trotzdem nicht vorge-
nommen worden. Die Frau bleibt nach wie vor rechtlos, sie
steht gesetzlich auf einer Stufe mit ihren unmündigen Kindern,
obwohl von Achtung vor der Frau in Deutschland viel geredet
wird und der Staat Frauen-Arbeit auf sozialpolitischem Gebiet
längst nicht mehr entbehren kann.

Warum aber werden die Wünsche der Frauen, wie
wir sahen, auf fast allen Gebieten überhört? Warum muß
die Frau hintenanstehen bei allem, was Bildung, Rechte, Frei-
heit ungehinderter Bewegung betrifft? Warum herrscht Mannes-
wille allein in Schule und Kirche, im öffentlichen Leben und
selbst - kraft des vom Manne geschaffenen Gesetzes - im
ureigensten Bezirke der Frau, im Haus, in der Familie?

Nur eine Antwort gibt es auf solche Fragen:

Weil der Mann stimmberechtigt ist, damit Einfluß übt
auf die Gestaltung des Staatswesens.

Die Frau aber hat weder Sitz noch Stimme in unserer
Volksvertretung. Die größere Hälfte des deutschen Volkes
wird schutzlos und willkürlich von der anderen Hälfte regiert.

Gibt es Gründe, die solches Verfahren berechtigt erschei-
nen lassen?

Das zu prüfen, soll Aufgabe des letzten Abschnittes sein.

leitung erbetene Referat zu halten, weil sie eben, nach der
gesetzlich unanfechtbaren Ansicht der dortigen Polizei, nur
eine Frauensperson war und deswegen zu schweigen hatte, da
war auch unter Männern allgemeine Empörung. Der Zen-
trumsabgeordnete Trimborn sprach es unumwunden aus,
daß er sich den Vertretern des Auslandes gegenüber solches
Vorgehens gegen eine deutsche Frau geradezu geschämt habe.
Wiederholt wurde Aenderung im Landtag beantragt, von
Frauen gefordert. Aber Aenderung ist trotzdem nicht vorge-
nommen worden. Die Frau bleibt nach wie vor rechtlos, sie
steht gesetzlich auf einer Stufe mit ihren unmündigen Kindern,
obwohl von Achtung vor der Frau in Deutschland viel geredet
wird und der Staat Frauen-Arbeit auf sozialpolitischem Gebiet
längst nicht mehr entbehren kann.

Warum aber werden die Wünsche der Frauen, wie
wir sahen, auf fast allen Gebieten überhört? Warum muß
die Frau hintenanstehen bei allem, was Bildung, Rechte, Frei-
heit ungehinderter Bewegung betrifft? Warum herrscht Mannes-
wille allein in Schule und Kirche, im öffentlichen Leben und
selbst – kraft des vom Manne geschaffenen Gesetzes – im
ureigensten Bezirke der Frau, im Haus, in der Familie?

Nur eine Antwort gibt es auf solche Fragen:

Weil der Mann stimmberechtigt ist, damit Einfluß übt
auf die Gestaltung des Staatswesens.

Die Frau aber hat weder Sitz noch Stimme in unserer
Volksvertretung. Die größere Hälfte des deutschen Volkes
wird schutzlos und willkürlich von der anderen Hälfte regiert.

Gibt es Gründe, die solches Verfahren berechtigt erschei-
nen lassen?

Das zu prüfen, soll Aufgabe des letzten Abschnittes sein.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0273" n="263"/>
leitung erbetene Referat zu halten, weil sie eben, nach der<lb/>
gesetzlich unanfechtbaren Ansicht der dortigen Polizei, nur<lb/>
eine Frauensperson war und deswegen zu schweigen hatte, da<lb/>
war auch unter Männern allgemeine Empörung. Der Zen-<lb/>
trumsabgeordnete <hi rendition="#g">Trimborn</hi> sprach es unumwunden aus,<lb/>
daß er sich den Vertretern des Auslandes gegenüber solches<lb/>
Vorgehens gegen eine deutsche Frau geradezu <hi rendition="#g">geschämt</hi> habe.<lb/>
Wiederholt wurde Aenderung im Landtag beantragt, von<lb/>
Frauen gefordert. Aber Aenderung ist trotzdem nicht vorge-<lb/>
nommen worden. Die Frau bleibt nach wie vor rechtlos, sie<lb/>
steht gesetzlich auf einer Stufe mit ihren unmündigen Kindern,<lb/>
obwohl von Achtung vor der Frau in Deutschland viel geredet<lb/>
wird und der Staat Frauen-Arbeit auf sozialpolitischem Gebiet<lb/>
längst nicht mehr entbehren kann.</p><lb/>
        <p>Warum aber werden die Wünsche der Frauen, wie<lb/>
wir sahen, auf fast allen Gebieten überhört? Warum muß<lb/>
die Frau hintenanstehen bei allem, was Bildung, Rechte, Frei-<lb/>
heit ungehinderter Bewegung betrifft? Warum herrscht Mannes-<lb/>
wille allein in Schule und Kirche, im öffentlichen Leben und<lb/>
selbst &#x2013; kraft des vom Manne geschaffenen Gesetzes &#x2013; im<lb/>
ureigensten Bezirke der Frau, im Haus, in der Familie?</p><lb/>
        <p>Nur <hi rendition="#g">eine</hi> Antwort gibt es auf solche Fragen:</p><lb/>
        <p>Weil der Mann stimmberechtigt ist, damit Einfluß übt<lb/>
auf die Gestaltung des Staatswesens.</p><lb/>
        <p>Die Frau aber hat weder Sitz noch Stimme in unserer<lb/>
Volksvertretung. Die größere Hälfte des deutschen Volkes<lb/>
wird schutzlos und willkürlich von der anderen Hälfte regiert.</p><lb/>
        <p>Gibt es Gründe, die solches Verfahren berechtigt erschei-<lb/>
nen lassen?</p><lb/>
        <p>Das zu prüfen, soll Aufgabe des letzten Abschnittes sein.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0273] leitung erbetene Referat zu halten, weil sie eben, nach der gesetzlich unanfechtbaren Ansicht der dortigen Polizei, nur eine Frauensperson war und deswegen zu schweigen hatte, da war auch unter Männern allgemeine Empörung. Der Zen- trumsabgeordnete Trimborn sprach es unumwunden aus, daß er sich den Vertretern des Auslandes gegenüber solches Vorgehens gegen eine deutsche Frau geradezu geschämt habe. Wiederholt wurde Aenderung im Landtag beantragt, von Frauen gefordert. Aber Aenderung ist trotzdem nicht vorge- nommen worden. Die Frau bleibt nach wie vor rechtlos, sie steht gesetzlich auf einer Stufe mit ihren unmündigen Kindern, obwohl von Achtung vor der Frau in Deutschland viel geredet wird und der Staat Frauen-Arbeit auf sozialpolitischem Gebiet längst nicht mehr entbehren kann. Warum aber werden die Wünsche der Frauen, wie wir sahen, auf fast allen Gebieten überhört? Warum muß die Frau hintenanstehen bei allem, was Bildung, Rechte, Frei- heit ungehinderter Bewegung betrifft? Warum herrscht Mannes- wille allein in Schule und Kirche, im öffentlichen Leben und selbst – kraft des vom Manne geschaffenen Gesetzes – im ureigensten Bezirke der Frau, im Haus, in der Familie? Nur eine Antwort gibt es auf solche Fragen: Weil der Mann stimmberechtigt ist, damit Einfluß übt auf die Gestaltung des Staatswesens. Die Frau aber hat weder Sitz noch Stimme in unserer Volksvertretung. Die größere Hälfte des deutschen Volkes wird schutzlos und willkürlich von der anderen Hälfte regiert. Gibt es Gründe, die solches Verfahren berechtigt erschei- nen lassen? Das zu prüfen, soll Aufgabe des letzten Abschnittes sein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: wie Vorlage; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/273
Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/273>, abgerufen am 26.11.2024.