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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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auch äußerlich durch eine Abschlußprüfung für die abgehenden
Schülerinnen gekennzeichnet ist. Diese Abschlußprüfung, die
an die Stelle der jetzigen leidigen Aufnahmeprüfungen träte,
würde die Berechtigung zum Eintritt in die betreffenden Fach-
schulen, Lehrerinnenseminar, Handelsschule u. a. geben. So
bliebe die jetzige 10klassige höhere Mädchenschule auch in Zu-
kunft bestehen, und wir dürfen wohl annehmen, daß sie noch
auf lange Zeit hinaus, besonders in kleinen Orten, die Bil-
dungsanstalt für die Mehrzahl der Mädchen sein wird, die
eine über die Volksschule hinausgehende Bildung erstreben.

Der dreijährige Oberbau, der sich dieser Abteilung der
höheren Mädchenschule angliedert, soll, um auch den körper-
lich oder geistig weniger leistungsfähigen jungen Mädchen die
Teilnahme zu gestatten, und um Zeit für hauswirtschaftliche
Ausbildung außerhalb der Schule zu lassen, nur einige Fächer
als verbindlich, die andern als wahlfrei führen. Da die Schü-
lerinnen so ihrer besonderen Begabung und Neigung folgen
können, so ist auch die Möglichkeit gegeben, die Jndividua-
litäten schärfer auszuprägen; auch bringt eine gründliche Ver-
tiefung in wenige Wissensgebiete jedenfalls mehr geistigen Ge-
winn, hat mehr sittlichen Wert, als ein Naschen an allem.
Zu den obligatorischen Fächern gehören zunächst Deutsch und
Geschichte; es treten dann neu hinzu: Staats- und Volkswirt-
schaftslehre, Pädagogik und Psychologie nebst praktischen Ue-
bungen im Kindergarten oder Kinderhort."

Um den Frauen die fürs Leben unentbehrliche Schulung
der Denkkraft zu gewähren, verlangt der Lehrplan eine Ver-
mehrung der Rechenstunden und die Einführung der Mathe-
matik als Gegengewicht gegen das lebhaft entwickelte Gefühls-
leben der Mädchen; ferner soll im Sprachunterricht ein ener-
gischer Betrieb der Grammatik der Verstandesbildung dienen.

auch äußerlich durch eine Abschlußprüfung für die abgehenden
Schülerinnen gekennzeichnet ist. Diese Abschlußprüfung, die
an die Stelle der jetzigen leidigen Aufnahmeprüfungen träte,
würde die Berechtigung zum Eintritt in die betreffenden Fach-
schulen, Lehrerinnenseminar, Handelsschule u. a. geben. So
bliebe die jetzige 10klassige höhere Mädchenschule auch in Zu-
kunft bestehen, und wir dürfen wohl annehmen, daß sie noch
auf lange Zeit hinaus, besonders in kleinen Orten, die Bil-
dungsanstalt für die Mehrzahl der Mädchen sein wird, die
eine über die Volksschule hinausgehende Bildung erstreben.

Der dreijährige Oberbau, der sich dieser Abteilung der
höheren Mädchenschule angliedert, soll, um auch den körper-
lich oder geistig weniger leistungsfähigen jungen Mädchen die
Teilnahme zu gestatten, und um Zeit für hauswirtschaftliche
Ausbildung außerhalb der Schule zu lassen, nur einige Fächer
als verbindlich, die andern als wahlfrei führen. Da die Schü-
lerinnen so ihrer besonderen Begabung und Neigung folgen
können, so ist auch die Möglichkeit gegeben, die Jndividua-
litäten schärfer auszuprägen; auch bringt eine gründliche Ver-
tiefung in wenige Wissensgebiete jedenfalls mehr geistigen Ge-
winn, hat mehr sittlichen Wert, als ein Naschen an allem.
Zu den obligatorischen Fächern gehören zunächst Deutsch und
Geschichte; es treten dann neu hinzu: Staats- und Volkswirt-
schaftslehre, Pädagogik und Psychologie nebst praktischen Ue-
bungen im Kindergarten oder Kinderhort.“

Um den Frauen die fürs Leben unentbehrliche Schulung
der Denkkraft zu gewähren, verlangt der Lehrplan eine Ver-
mehrung der Rechenstunden und die Einführung der Mathe-
matik als Gegengewicht gegen das lebhaft entwickelte Gefühls-
leben der Mädchen; ferner soll im Sprachunterricht ein ener-
gischer Betrieb der Grammatik der Verstandesbildung dienen.

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[57/0067] auch äußerlich durch eine Abschlußprüfung für die abgehenden Schülerinnen gekennzeichnet ist. Diese Abschlußprüfung, die an die Stelle der jetzigen leidigen Aufnahmeprüfungen träte, würde die Berechtigung zum Eintritt in die betreffenden Fach- schulen, Lehrerinnenseminar, Handelsschule u. a. geben. So bliebe die jetzige 10klassige höhere Mädchenschule auch in Zu- kunft bestehen, und wir dürfen wohl annehmen, daß sie noch auf lange Zeit hinaus, besonders in kleinen Orten, die Bil- dungsanstalt für die Mehrzahl der Mädchen sein wird, die eine über die Volksschule hinausgehende Bildung erstreben. Der dreijährige Oberbau, der sich dieser Abteilung der höheren Mädchenschule angliedert, soll, um auch den körper- lich oder geistig weniger leistungsfähigen jungen Mädchen die Teilnahme zu gestatten, und um Zeit für hauswirtschaftliche Ausbildung außerhalb der Schule zu lassen, nur einige Fächer als verbindlich, die andern als wahlfrei führen. Da die Schü- lerinnen so ihrer besonderen Begabung und Neigung folgen können, so ist auch die Möglichkeit gegeben, die Jndividua- litäten schärfer auszuprägen; auch bringt eine gründliche Ver- tiefung in wenige Wissensgebiete jedenfalls mehr geistigen Ge- winn, hat mehr sittlichen Wert, als ein Naschen an allem. Zu den obligatorischen Fächern gehören zunächst Deutsch und Geschichte; es treten dann neu hinzu: Staats- und Volkswirt- schaftslehre, Pädagogik und Psychologie nebst praktischen Ue- bungen im Kindergarten oder Kinderhort.“ Um den Frauen die fürs Leben unentbehrliche Schulung der Denkkraft zu gewähren, verlangt der Lehrplan eine Ver- mehrung der Rechenstunden und die Einführung der Mathe- matik als Gegengewicht gegen das lebhaft entwickelte Gefühls- leben der Mädchen; ferner soll im Sprachunterricht ein ener- gischer Betrieb der Grammatik der Verstandesbildung dienen.

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/67>, abgerufen am 21.11.2024.