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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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sich nehmen wollen, soll die sichere, allgemein religiös sittliche
und ästhetische, den berechtigten Ansprüchen des praktischen
Lebens entsprechende Bildung, welche die höhere Mädchenschule
gibt, voll zu gute kommen".

Jn ähnlichem Sinne sprach sich dann die im Oktober 1899
in Hildesheim tagende Versammlung des deutschen Vereins für
das höhere Mädchenschulwesen aus. Sie sprach sich gegen jeg-
liche Umgestaltung der Mädchenschule nach der Seite gymna-
sialer Bildung, aber ebenso ausdrücklich gegen die Errichtung
besonderer Mädchengymnasien aus. Kennzeichnend für die dort
herrschenden Anschauungen waren die Ausführungen des Re-
ferenten Herrn Dr. Wespy. Er betonte, daß die Frauen ja
auch ohne Reife- und Lehrerinnenprüfung zu den philosophi-
schen Fächern der Universitäten zugelassen würden, also gym-
nasiale Ausbildung nicht so dringend benötigten. (Ein Zustand,
der späterhin zur Freude aller aufrichtigen Freunde des Frauen-
studiums beseitigt worden ist.) Für die Oberlehrerinnenprü-
fung genüge das Seminar. Für die Aerztin freilich sei z. Z.
das Maturitätsexamen erforderlich, da man sie sonst zu den
abschließenden Prüfungen nicht zuließe.

Gymnasialkurse, in Anschluß an die voll absolvierte höhere
Mädchenschule, das war der Weg, den die Hildesheimer Ver-
sammlung, das war auch der Weg, den Herr Kultusminister
Bosse in dem oben erwähnten Erlaß einzuschlagen empfahl.
Diesen Ausführungen schloß sich auch der neu ernannte Kul-
tusminister an und stellte es dem Verein Mädchengymnasium
anheim, seinen Plan, ein Vollgymnasium für Mädchen zu er-
richten, fallen zu lassen und 4jährige Gymnasialkurse zu grün-
den. Darauf aber konnte sich der Cölner Verein, der als An-
hänger der humanistischen Richtung gerade auf rechtzeitigen
Beginn altsprachlichen Unterrichts Wert legte, nicht einlassen.

sich nehmen wollen, soll die sichere, allgemein religiös sittliche
und ästhetische, den berechtigten Ansprüchen des praktischen
Lebens entsprechende Bildung, welche die höhere Mädchenschule
gibt, voll zu gute kommen“.

Jn ähnlichem Sinne sprach sich dann die im Oktober 1899
in Hildesheim tagende Versammlung des deutschen Vereins für
das höhere Mädchenschulwesen aus. Sie sprach sich gegen jeg-
liche Umgestaltung der Mädchenschule nach der Seite gymna-
sialer Bildung, aber ebenso ausdrücklich gegen die Errichtung
besonderer Mädchengymnasien aus. Kennzeichnend für die dort
herrschenden Anschauungen waren die Ausführungen des Re-
ferenten Herrn Dr. Wespy. Er betonte, daß die Frauen ja
auch ohne Reife- und Lehrerinnenprüfung zu den philosophi-
schen Fächern der Universitäten zugelassen würden, also gym-
nasiale Ausbildung nicht so dringend benötigten. (Ein Zustand,
der späterhin zur Freude aller aufrichtigen Freunde des Frauen-
studiums beseitigt worden ist.) Für die Oberlehrerinnenprü-
fung genüge das Seminar. Für die Aerztin freilich sei z. Z.
das Maturitätsexamen erforderlich, da man sie sonst zu den
abschließenden Prüfungen nicht zuließe.

Gymnasialkurse, in Anschluß an die voll absolvierte höhere
Mädchenschule, das war der Weg, den die Hildesheimer Ver-
sammlung, das war auch der Weg, den Herr Kultusminister
Bosse in dem oben erwähnten Erlaß einzuschlagen empfahl.
Diesen Ausführungen schloß sich auch der neu ernannte Kul-
tusminister an und stellte es dem Verein Mädchengymnasium
anheim, seinen Plan, ein Vollgymnasium für Mädchen zu er-
richten, fallen zu lassen und 4jährige Gymnasialkurse zu grün-
den. Darauf aber konnte sich der Cölner Verein, der als An-
hänger der humanistischen Richtung gerade auf rechtzeitigen
Beginn altsprachlichen Unterrichts Wert legte, nicht einlassen.

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[79/0089] sich nehmen wollen, soll die sichere, allgemein religiös sittliche und ästhetische, den berechtigten Ansprüchen des praktischen Lebens entsprechende Bildung, welche die höhere Mädchenschule gibt, voll zu gute kommen“. Jn ähnlichem Sinne sprach sich dann die im Oktober 1899 in Hildesheim tagende Versammlung des deutschen Vereins für das höhere Mädchenschulwesen aus. Sie sprach sich gegen jeg- liche Umgestaltung der Mädchenschule nach der Seite gymna- sialer Bildung, aber ebenso ausdrücklich gegen die Errichtung besonderer Mädchengymnasien aus. Kennzeichnend für die dort herrschenden Anschauungen waren die Ausführungen des Re- ferenten Herrn Dr. Wespy. Er betonte, daß die Frauen ja auch ohne Reife- und Lehrerinnenprüfung zu den philosophi- schen Fächern der Universitäten zugelassen würden, also gym- nasiale Ausbildung nicht so dringend benötigten. (Ein Zustand, der späterhin zur Freude aller aufrichtigen Freunde des Frauen- studiums beseitigt worden ist.) Für die Oberlehrerinnenprü- fung genüge das Seminar. Für die Aerztin freilich sei z. Z. das Maturitätsexamen erforderlich, da man sie sonst zu den abschließenden Prüfungen nicht zuließe. Gymnasialkurse, in Anschluß an die voll absolvierte höhere Mädchenschule, das war der Weg, den die Hildesheimer Ver- sammlung, das war auch der Weg, den Herr Kultusminister Bosse in dem oben erwähnten Erlaß einzuschlagen empfahl. Diesen Ausführungen schloß sich auch der neu ernannte Kul- tusminister an und stellte es dem Verein Mädchengymnasium anheim, seinen Plan, ein Vollgymnasium für Mädchen zu er- richten, fallen zu lassen und 4jährige Gymnasialkurse zu grün- den. Darauf aber konnte sich der Cölner Verein, der als An- hänger der humanistischen Richtung gerade auf rechtzeitigen Beginn altsprachlichen Unterrichts Wert legte, nicht einlassen.

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/89>, abgerufen am 21.11.2024.