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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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chenschule trägt nun einmal in seiner ganzen Haltung und
seinen Anforderungen die Spuren der alten Doktrin von der
geistigen Jnferiorität des Weibes."

So weit Helene Langes Urteil über die Mädchenschule.
Nicht auf Grund der höheren Mädchenschule also, sondern trotz
dieser vorausgegangenen Schulung hat Helene Lange ihre
Kurse erfolgreich zu gestalten vermocht. Aber was einer ein-
zelnen genialen Leiterin gelingt, das gelingt in anderen Städten
deswegen noch längst nicht. Der oben angeführte Ministerial-
erlaß gibt begründeten Anlaß, das Experiment: auf die in der
jetzigen Mädchenschule als Reinkultur gezüchtete "höhere Tochter"
Gymnasialbildung aufzupflanzen, als ein noch nicht einwand-
freies anzusehen."

So weit der Bericht. Der Verein erbat sich daher die Er-
laubnis, ein Mädchengymnasium mit sechsjährigem Kursus,
etwa dem Lehrgang des Frankfurter Reformgymnasiums ent-
sprechend, errichten zu dürfen. Nach dieser Methode sind die
Mädchengymnasien in Karlsruhe und Stuttgart gestaltet.

Die Erlaubnis, solch ein Reformgymnasium zu eröffnen,
wurde dem Cölner Verein denn auch Ostern 1903 gegeben,
zugleich mit den Städten Schöneberg und Charlottenburg.
Eine Mädchenreformschule mit humanistischen Oberklassen wurde
1901 auch in Hamburg durch den Verein Frauenwohl
und zwar für Knaben und Mädchen eröffnet. Jn Baden
und neuerdings auch in Hessen schlug man außerdem den
einfachsten Weg zur Lösung aller Schwierigkeiten ein: man
gestattete den Mädchen den Besuch der Knabengymnasien ohne
irgendwelche nachteilige Folgen. Gymnasialen Unterricht für
Mädchen finden wir in ein oder der anderen Weise z. Z. in
22 deutschen Städten.

So ist die Frage gymnasialer Mädchenbildung im großen

chenschule trägt nun einmal in seiner ganzen Haltung und
seinen Anforderungen die Spuren der alten Doktrin von der
geistigen Jnferiorität des Weibes.“

So weit Helene Langes Urteil über die Mädchenschule.
Nicht auf Grund der höheren Mädchenschule also, sondern trotz
dieser vorausgegangenen Schulung hat Helene Lange ihre
Kurse erfolgreich zu gestalten vermocht. Aber was einer ein-
zelnen genialen Leiterin gelingt, das gelingt in anderen Städten
deswegen noch längst nicht. Der oben angeführte Ministerial-
erlaß gibt begründeten Anlaß, das Experiment: auf die in der
jetzigen Mädchenschule als Reinkultur gezüchtete „höhere Tochter“
Gymnasialbildung aufzupflanzen, als ein noch nicht einwand-
freies anzusehen.“

So weit der Bericht. Der Verein erbat sich daher die Er-
laubnis, ein Mädchengymnasium mit sechsjährigem Kursus,
etwa dem Lehrgang des Frankfurter Reformgymnasiums ent-
sprechend, errichten zu dürfen. Nach dieser Methode sind die
Mädchengymnasien in Karlsruhe und Stuttgart gestaltet.

Die Erlaubnis, solch ein Reformgymnasium zu eröffnen,
wurde dem Cölner Verein denn auch Ostern 1903 gegeben,
zugleich mit den Städten Schöneberg und Charlottenburg.
Eine Mädchenreformschule mit humanistischen Oberklassen wurde
1901 auch in Hamburg durch den Verein Frauenwohl
und zwar für Knaben und Mädchen eröffnet. Jn Baden
und neuerdings auch in Hessen schlug man außerdem den
einfachsten Weg zur Lösung aller Schwierigkeiten ein: man
gestattete den Mädchen den Besuch der Knabengymnasien ohne
irgendwelche nachteilige Folgen. Gymnasialen Unterricht für
Mädchen finden wir in ein oder der anderen Weise z. Z. in
22 deutschen Städten.

So ist die Frage gymnasialer Mädchenbildung im großen

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[82/0092] chenschule trägt nun einmal in seiner ganzen Haltung und seinen Anforderungen die Spuren der alten Doktrin von der geistigen Jnferiorität des Weibes.“ So weit Helene Langes Urteil über die Mädchenschule. Nicht auf Grund der höheren Mädchenschule also, sondern trotz dieser vorausgegangenen Schulung hat Helene Lange ihre Kurse erfolgreich zu gestalten vermocht. Aber was einer ein- zelnen genialen Leiterin gelingt, das gelingt in anderen Städten deswegen noch längst nicht. Der oben angeführte Ministerial- erlaß gibt begründeten Anlaß, das Experiment: auf die in der jetzigen Mädchenschule als Reinkultur gezüchtete „höhere Tochter“ Gymnasialbildung aufzupflanzen, als ein noch nicht einwand- freies anzusehen.“ So weit der Bericht. Der Verein erbat sich daher die Er- laubnis, ein Mädchengymnasium mit sechsjährigem Kursus, etwa dem Lehrgang des Frankfurter Reformgymnasiums ent- sprechend, errichten zu dürfen. Nach dieser Methode sind die Mädchengymnasien in Karlsruhe und Stuttgart gestaltet. Die Erlaubnis, solch ein Reformgymnasium zu eröffnen, wurde dem Cölner Verein denn auch Ostern 1903 gegeben, zugleich mit den Städten Schöneberg und Charlottenburg. Eine Mädchenreformschule mit humanistischen Oberklassen wurde 1901 auch in Hamburg durch den Verein Frauenwohl und zwar für Knaben und Mädchen eröffnet. Jn Baden und neuerdings auch in Hessen schlug man außerdem den einfachsten Weg zur Lösung aller Schwierigkeiten ein: man gestattete den Mädchen den Besuch der Knabengymnasien ohne irgendwelche nachteilige Folgen. Gymnasialen Unterricht für Mädchen finden wir in ein oder der anderen Weise z. Z. in 22 deutschen Städten. So ist die Frage gymnasialer Mädchenbildung im großen

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/92>, abgerufen am 21.11.2024.