Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.unter einer Tiefe von zehn Klaftern unbewegt liegt. So dünn sind Wenn Frauenumgang bildend den Excentricitäten der Männer Aber Pauline hob einen bittenden Blick zur Mutter auf und Benthal wandte sich rasch um. Er sah das Mädchen verstimmt an. Frau v. Milden schien das Mißliche von Paulinens Wort zu empfin¬ Demüthig sagte Pauline: Oder laß mich schreiben und dictire du. Das läßt sich hören, antwortete Frau v. Milden. Unser Baron -- Mama! rief die kleine Malvine halb trotzend, halb bittend. Du bildest dir doch nicht ein, wies die Mutter das Kind zurecht, Aber der Doctor kommt doch, antwortete das Mädchen vergnügt, In diesem Augenblick geschah ein betäubender Donnerkrach, ein Die Wirkung dieses Zusammentreffens war so schlagend, und Mal¬ unter einer Tiefe von zehn Klaftern unbewegt liegt. So dünn ſind Wenn Frauenumgang bildend den Excentricitäten der Männer Aber Pauline hob einen bittenden Blick zur Mutter auf und Benthal wandte ſich raſch um. Er ſah das Mädchen verſtimmt an. Frau v. Milden ſchien das Mißliche von Paulinens Wort zu empfin¬ Demüthig ſagte Pauline: Oder laß mich ſchreiben und dictire du. Das läßt ſich hören, antwortete Frau v. Milden. Unſer Baron — Mama! rief die kleine Malvine halb trotzend, halb bittend. Du bildeſt dir doch nicht ein, wies die Mutter das Kind zurecht, Aber der Doctor kommt doch, antwortete das Mädchen vergnügt, In dieſem Augenblick geſchah ein betäubender Donnerkrach, ein Die Wirkung dieſes Zuſammentreffens war ſo ſchlagend, und Mal¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0176" n="158"/> unter einer Tiefe von zehn Klaftern unbewegt liegt. So dünn ſind<lb/> die Platten, zwiſchen welchen wir unſre Eindrücke empfangen — und<lb/> der Erdenwurm ſpricht von einer „empörten Schöpfung“!</p><lb/> <p>Wenn Frauenumgang bildend den Excentricitäten der Männer<lb/> ſteuert, ſo war's einer jener leiſen aber ſichern Frauengriffe an's<lb/> Steuer, als Frau v. Milden mit einer unſchuldigen Stimme jetzt<lb/> fragte: <hi rendition="#g">Wie</hi> meinen Sie, Theodor? Sie ſtrafte das Verſchobene, in¬<lb/> dem ſie es nur zur Erklärung ſeiner ſelbſt aufforderte.</p><lb/> <p>Aber Pauline hob einen bittenden Blick zur Mutter auf und<lb/> ſagte: Laß, Mama, wie ſollte die Welt nicht klein werden, wenn es<lb/> das Leben iſt!</p><lb/> <p>Benthal wandte ſich raſch um. Er ſah das Mädchen verſtimmt an.<lb/> Pauline erſchrack. In Benthal's Blick erſt ward ihr's bewußt, daß ſie die<lb/> harmloſe Berührung der Mutter mit einer viel empfindlicheren parirt<lb/> — und doch hatte ſie nichts gethan, als ihr tiefſtes Verſtändniß für<lb/> ein mitgefühltes Lebensweh ausgeſprochen.</p><lb/> <p>Frau v. Milden ſchien das Mißliche von Paulinens Wort zu empfin¬<lb/> den und redete Benthal ablenkend an: Wollen wir die Geſchichte von<lb/> Pennſylvanien für heute in den Schrank ſchließen?</p><lb/> <p>Demüthig ſagte Pauline: Oder laß mich ſchreiben und dictire du.<lb/> Du concipirſt fließender, wenn der Kopf allein arbeitet.</p><lb/> <p>Das läßt ſich hören, antwortete Frau v. Milden. Unſer Baron —<lb/> auf einen Blick Benthal's verbeſſerte ſie ſich — unſer Doctor Moor¬<lb/> feld, wollte ich ſagen, kommt bei dieſem Wetter ohnedies nicht mehr.</p><lb/> <p>Mama! rief die kleine Malvine halb trotzend, halb bittend.</p><lb/> <p>Du bildeſt dir doch nicht ein, wies die Mutter das Kind zurecht,<lb/> daß man in ſolchen Wolkenbrüchen Viſiten macht? Oder biſt du ſo<lb/> ſelbſtſüchtig, dir zu wünſchen, was andern Menſchen Beſchwerde macht?</p><lb/> <p>Aber der Doctor kommt doch, antwortete das Mädchen vergnügt,<lb/> ohne einen Zug von Eigenſinn.</p><lb/> <p>In dieſem Augenblick geſchah ein betäubender Donnerkrach, ein<lb/> jacher Windſtoß riß in das Zimmer herein, denn die Thüre war auf¬<lb/> gethan und Moorfeld ſtand im Zimmer.</p><lb/> <p>Die Wirkung dieſes Zuſammentreffens war ſo ſchlagend, und Mal¬<lb/> vine jubelte ſo trunken, daß Frau v. Milden nicht umhin konnte, den<lb/> vorausgegangenen Augenblick von Prophetie zu erzählen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0176]
unter einer Tiefe von zehn Klaftern unbewegt liegt. So dünn ſind
die Platten, zwiſchen welchen wir unſre Eindrücke empfangen — und
der Erdenwurm ſpricht von einer „empörten Schöpfung“!
Wenn Frauenumgang bildend den Excentricitäten der Männer
ſteuert, ſo war's einer jener leiſen aber ſichern Frauengriffe an's
Steuer, als Frau v. Milden mit einer unſchuldigen Stimme jetzt
fragte: Wie meinen Sie, Theodor? Sie ſtrafte das Verſchobene, in¬
dem ſie es nur zur Erklärung ſeiner ſelbſt aufforderte.
Aber Pauline hob einen bittenden Blick zur Mutter auf und
ſagte: Laß, Mama, wie ſollte die Welt nicht klein werden, wenn es
das Leben iſt!
Benthal wandte ſich raſch um. Er ſah das Mädchen verſtimmt an.
Pauline erſchrack. In Benthal's Blick erſt ward ihr's bewußt, daß ſie die
harmloſe Berührung der Mutter mit einer viel empfindlicheren parirt
— und doch hatte ſie nichts gethan, als ihr tiefſtes Verſtändniß für
ein mitgefühltes Lebensweh ausgeſprochen.
Frau v. Milden ſchien das Mißliche von Paulinens Wort zu empfin¬
den und redete Benthal ablenkend an: Wollen wir die Geſchichte von
Pennſylvanien für heute in den Schrank ſchließen?
Demüthig ſagte Pauline: Oder laß mich ſchreiben und dictire du.
Du concipirſt fließender, wenn der Kopf allein arbeitet.
Das läßt ſich hören, antwortete Frau v. Milden. Unſer Baron —
auf einen Blick Benthal's verbeſſerte ſie ſich — unſer Doctor Moor¬
feld, wollte ich ſagen, kommt bei dieſem Wetter ohnedies nicht mehr.
Mama! rief die kleine Malvine halb trotzend, halb bittend.
Du bildeſt dir doch nicht ein, wies die Mutter das Kind zurecht,
daß man in ſolchen Wolkenbrüchen Viſiten macht? Oder biſt du ſo
ſelbſtſüchtig, dir zu wünſchen, was andern Menſchen Beſchwerde macht?
Aber der Doctor kommt doch, antwortete das Mädchen vergnügt,
ohne einen Zug von Eigenſinn.
In dieſem Augenblick geſchah ein betäubender Donnerkrach, ein
jacher Windſtoß riß in das Zimmer herein, denn die Thüre war auf¬
gethan und Moorfeld ſtand im Zimmer.
Die Wirkung dieſes Zuſammentreffens war ſo ſchlagend, und Mal¬
vine jubelte ſo trunken, daß Frau v. Milden nicht umhin konnte, den
vorausgegangenen Augenblick von Prophetie zu erzählen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |