Fassung, die ihn nicht leicht verließ: er werde sich, sagte er, die Sache angelegen sein lassen, er hoffe jedenfalls die gewünschten Arbeitskräfte zu gewinnen; dann aber, -- und er bedurfte einer Pause um über¬ haupt weiter zu sprechen, -- setzte er hinzu, diese Mittheilung über¬ raschte ihn lebendig. Kaum erinnere er sich noch, daß das Wort Ur¬ wald flüchtig gestern genannt worden sei und mehr bildlich als ei¬ gentlich, wie es geschienen, es klinge ihm heute neu, und er habe ge¬ waltige Ehrfurcht vor Moorfeld's Gewissenhaftigkeit, der ein Land, um es zu studiren, gleich kaufe. Er sagte diese Worte mit immer wach¬ sender Bewegung, die Frauen blickten ihn an und blickten dann sich selbst an. Auch ihnen, sah man, gab das Gehörte zu denken.
Frau v. Milden that -- was in solchen Momenten das Tactvollste ist -- sie sprach die Bewegung, die vorhanden war, freimüthig aus. Mit der richtigen Mischung von Gelassenheit und Antheil in ihrer Stimme sagte sie zu Moorfeld: Sie beabsichtigen eine Ansiedlung, Herr Doctor? Ich glaube es gern, daß es Herr Benthal überhört hat, er wird es ungerne gehört haben. Wenn man sich im mensch¬ lichen Umgang nur an eine Art Astronomie gewöhnen könnte! die Menschen wie Sterne zu nehmen; -- sie kommen und gehen am Horizont und man hätte das freie Interesse der Wissenschaft an ihnen. Aber das Gemüth will alles gleich festhalten und in Eigenthum ver¬ wandeln: das ist freilich ungezogen. Ich fürchte, Herr Benthal wird Ihnen eine kleine Ungezogenheit dieser Art abzubitten haben.
Jetzt war Moorfeld's Augenblick da. Gnädige Frau, sagte er, seine Spannung unter einem Scherz verbergend, daß wir Beide, Herr Benthal und ich, nur nicht jenen zwei Bettlern gleichen, welche sich im Dunkeln wechselseitig um Almosen angesprochen haben! Für Herrn Benthal setze ich hinzu: sans comparaison! für mich aber nicht. Ich fühle mich nämlich gerade jetzt einen rechten und standesmäßigen Bettler, daß ich nicht einen virginischen Grundbesitz kaufen kann, son¬ dern höchstens ein paar tausend Acres. In jenem Falle würde ich zu meinem Sterne sagen: wollen Sie mein Intendant sein? in diesem darf ich höchstens sagen: wollen Sie mein Mit-Bauer sein? und, hier liegt der Bettler. Deßungeachtet bin ich nicht blöde genug, es nicht wirklich zu sagen, wenn ich erst hoffen darf, daß es mir verziehen wird. Also: Herr Benthal, wollen Sie -- was sein? was, weiß ich selbst
D. B. VII. Der Amerika-Müde. 11
Faſſung, die ihn nicht leicht verließ: er werde ſich, ſagte er, die Sache angelegen ſein laſſen, er hoffe jedenfalls die gewünſchten Arbeitskräfte zu gewinnen; dann aber, — und er bedurfte einer Pauſe um über¬ haupt weiter zu ſprechen, — ſetzte er hinzu, dieſe Mittheilung über¬ raſchte ihn lebendig. Kaum erinnere er ſich noch, daß das Wort Ur¬ wald flüchtig geſtern genannt worden ſei und mehr bildlich als ei¬ gentlich, wie es geſchienen, es klinge ihm heute neu, und er habe ge¬ waltige Ehrfurcht vor Moorfeld's Gewiſſenhaftigkeit, der ein Land, um es zu ſtudiren, gleich kaufe. Er ſagte dieſe Worte mit immer wach¬ ſender Bewegung, die Frauen blickten ihn an und blickten dann ſich ſelbſt an. Auch ihnen, ſah man, gab das Gehörte zu denken.
Frau v. Milden that — was in ſolchen Momenten das Tactvollſte iſt — ſie ſprach die Bewegung, die vorhanden war, freimüthig aus. Mit der richtigen Miſchung von Gelaſſenheit und Antheil in ihrer Stimme ſagte ſie zu Moorfeld: Sie beabſichtigen eine Anſiedlung, Herr Doctor? Ich glaube es gern, daß es Herr Benthal überhört hat, er wird es ungerne gehört haben. Wenn man ſich im menſch¬ lichen Umgang nur an eine Art Aſtronomie gewöhnen könnte! die Menſchen wie Sterne zu nehmen; — ſie kommen und gehen am Horizont und man hätte das freie Intereſſe der Wiſſenſchaft an ihnen. Aber das Gemüth will alles gleich feſthalten und in Eigenthum ver¬ wandeln: das iſt freilich ungezogen. Ich fürchte, Herr Benthal wird Ihnen eine kleine Ungezogenheit dieſer Art abzubitten haben.
Jetzt war Moorfeld's Augenblick da. Gnädige Frau, ſagte er, ſeine Spannung unter einem Scherz verbergend, daß wir Beide, Herr Benthal und ich, nur nicht jenen zwei Bettlern gleichen, welche ſich im Dunkeln wechſelſeitig um Almoſen angeſprochen haben! Für Herrn Benthal ſetze ich hinzu: sans comparaison! für mich aber nicht. Ich fühle mich nämlich gerade jetzt einen rechten und ſtandesmäßigen Bettler, daß ich nicht einen virginiſchen Grundbeſitz kaufen kann, ſon¬ dern höchſtens ein paar tauſend Acres. In jenem Falle würde ich zu meinem Sterne ſagen: wollen Sie mein Intendant ſein? in dieſem darf ich höchſtens ſagen: wollen Sie mein Mit-Bauer ſein? und, hier liegt der Bettler. Deßungeachtet bin ich nicht blöde genug, es nicht wirklich zu ſagen, wenn ich erſt hoffen darf, daß es mir verziehen wird. Alſo: Herr Benthal, wollen Sie — was ſein? was, weiß ich ſelbſt
D. B. VII. Der Amerika-Müde. 11
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Faſſung, die ihn nicht leicht verließ: er werde ſich, ſagte er, die Sache
angelegen ſein laſſen, er hoffe jedenfalls die gewünſchten Arbeitskräfte
zu gewinnen; dann aber, — und er bedurfte einer Pauſe um über¬
haupt weiter zu ſprechen, — ſetzte er hinzu, dieſe Mittheilung über¬
raſchte ihn lebendig. Kaum erinnere er ſich noch, daß das Wort Ur¬
wald flüchtig geſtern genannt worden ſei und mehr bildlich als ei¬
gentlich, wie es geſchienen, es klinge ihm heute neu, und er habe ge¬
waltige Ehrfurcht vor Moorfeld's Gewiſſenhaftigkeit, der ein Land, um
es zu ſtudiren, gleich kaufe. Er ſagte dieſe Worte mit immer wach¬
ſender Bewegung, die Frauen blickten ihn an und blickten dann ſich
ſelbſt an. Auch ihnen, ſah man, gab das Gehörte zu denken.
Frau v. Milden that — was in ſolchen Momenten das Tactvollſte
iſt — ſie ſprach die Bewegung, die vorhanden war, freimüthig aus.
Mit der richtigen Miſchung von Gelaſſenheit und Antheil in ihrer
Stimme ſagte ſie zu Moorfeld: Sie beabſichtigen eine Anſiedlung,
Herr Doctor? Ich glaube es gern, daß es Herr Benthal überhört
hat, er wird es ungerne gehört haben. Wenn man ſich im menſch¬
lichen Umgang nur an eine Art Aſtronomie gewöhnen könnte! die
Menſchen wie Sterne zu nehmen; — ſie kommen und gehen am
Horizont und man hätte das freie Intereſſe der Wiſſenſchaft an ihnen.
Aber das Gemüth will alles gleich feſthalten und in Eigenthum ver¬
wandeln: das iſt freilich ungezogen. Ich fürchte, Herr Benthal wird
Ihnen eine kleine Ungezogenheit dieſer Art abzubitten haben.
Jetzt war Moorfeld's Augenblick da. Gnädige Frau, ſagte er,
ſeine Spannung unter einem Scherz verbergend, daß wir Beide, Herr
Benthal und ich, nur nicht jenen zwei Bettlern gleichen, welche ſich
im Dunkeln wechſelſeitig um Almoſen angeſprochen haben! Für Herrn
Benthal ſetze ich hinzu: sans comparaison! für mich aber nicht. Ich
fühle mich nämlich gerade jetzt einen rechten und ſtandesmäßigen
Bettler, daß ich nicht einen virginiſchen Grundbeſitz kaufen kann, ſon¬
dern höchſtens ein paar tauſend Acres. In jenem Falle würde ich
zu meinem Sterne ſagen: wollen Sie mein Intendant ſein? in dieſem
darf ich höchſtens ſagen: wollen Sie mein Mit-Bauer ſein? und, hier
liegt der Bettler. Deßungeachtet bin ich nicht blöde genug, es nicht
wirklich zu ſagen, wenn ich erſt hoffen darf, daß es mir verziehen
wird. Alſo: Herr Benthal, wollen Sie — was ſein? was, weiß ich ſelbſt
D. B. VII. Der Amerika-Müde. 11
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/179>, abgerufen am 24.11.2024.
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