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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Aber der Lord war nicht irre zu machen. Er sprang aus dem
Wagen, den er selbst kutschirt hatte, warf die Zügel dem Bedienten
zu und nahm Moorfeld unter den Arm, indem er ihm auseinander
setzte, wie nothwendig er ihn heute vorstellen müsse.

Der Mann hat wirklich einen Sparren, dachte Moorfeld bei sich;
wäre der Engländer nicht jüngeren Alters gewesen, so hätte er fast
geglaubt, mit dem nämlichen Sonderlings-Exemplar zu thun zu haben,
welches, nach Graf de la Garde's Memoiren, auf dem Wiener Con¬
greß durch seine Sucht, vorzustellen und vorgestellt zu werden, eine
Art Berühmtheit erlangte und dem Prinzen Ligny zu einem seiner
unzähligen Bonmots Veranlassung wurde. Wenn sich Moorfeld ihm
doch überließ, so geschah es nur, weil die Gelegenheit in der That
keinen Aufschub gestattete. Der Engländer theilte nämlich mit, die
Familie Bennet stünde auf dem Punkte nach Saratoga in die Bäder
zu gehen, und eben heute sei letzter Empfang in der Stadt, nachdem
im Landhause drüben auf New-Jersey die große Abschieds-Soiree vor¬
gestern Statt gehabt. Das also war die beleuchtete Villa gewesen,
welche ihm vorgestern in Stunden unaussprechlicher Phantasien vor
Augen geruht! Zu jenem Wonnetraum seiner amerikanischen Zukunft
hatte dem Dichter der Freund der Dichter wie zu einer Brautnacht
die Fackel vorgetragen! Von dieser Assonanz des Zufalls fühlte sich
Moorfeld seltsam angeklungen. Eine ganz neue Luftströmung ging durch
sein Gemüth und änderte auf einmal das innere Wetter. In der That
entschied ihn dieser Umstand. Er ergriff den dargebotenen Gedanken
erst jetzt mit voller Lebendigkeit, wie einen freudigen, eignen Entschluß.
Er zog dem Namen Bennet gleichsam mit klingendem Spiel ent¬
gegen. Er folgte dem Engländer.

Unterwegs ließ ihn aber ein Zufall bedenklicher Art seine rasche
Fügsamkeit fast wieder bereuen. Lord Ormond hatte seine Dogge bei
sich, an die er schon im Theater so verwunderliche Ansprachen gehalten.
Auf dem Hannover-Square begab es sich nun, daß das edle Thier Ge¬
sellschaft fand und nachdem es mit seinem intelligenten Näschen eine
sorgfältige Wappenprobe an dem neuen Standesgenossen gehalten, zu
der Ueberzeugung gelangte, daß es die Würde seines Stammbaumes
bei diesem Rendezvous nicht im Geringsten compromittire. Man sah
also eine Verbindung eingehen, welche den Freunden und Verwandten

Aber der Lord war nicht irre zu machen. Er ſprang aus dem
Wagen, den er ſelbſt kutſchirt hatte, warf die Zügel dem Bedienten
zu und nahm Moorfeld unter den Arm, indem er ihm auseinander
ſetzte, wie nothwendig er ihn heute vorſtellen müſſe.

Der Mann hat wirklich einen Sparren, dachte Moorfeld bei ſich;
wäre der Engländer nicht jüngeren Alters geweſen, ſo hätte er faſt
geglaubt, mit dem nämlichen Sonderlings-Exemplar zu thun zu haben,
welches, nach Graf de la Garde's Memoiren, auf dem Wiener Con¬
greß durch ſeine Sucht, vorzuſtellen und vorgeſtellt zu werden, eine
Art Berühmtheit erlangte und dem Prinzen Ligny zu einem ſeiner
unzähligen Bonmots Veranlaſſung wurde. Wenn ſich Moorfeld ihm
doch überließ, ſo geſchah es nur, weil die Gelegenheit in der That
keinen Aufſchub geſtattete. Der Engländer theilte nämlich mit, die
Familie Bennet ſtünde auf dem Punkte nach Saratoga in die Bäder
zu gehen, und eben heute ſei letzter Empfang in der Stadt, nachdem
im Landhauſe drüben auf New-Jerſey die große Abſchieds-Soiree vor¬
geſtern Statt gehabt. Das alſo war die beleuchtete Villa geweſen,
welche ihm vorgeſtern in Stunden unausſprechlicher Phantaſien vor
Augen geruht! Zu jenem Wonnetraum ſeiner amerikaniſchen Zukunft
hatte dem Dichter der Freund der Dichter wie zu einer Brautnacht
die Fackel vorgetragen! Von dieſer Aſſonanz des Zufalls fühlte ſich
Moorfeld ſeltſam angeklungen. Eine ganz neue Luftſtrömung ging durch
ſein Gemüth und änderte auf einmal das innere Wetter. In der That
entſchied ihn dieſer Umſtand. Er ergriff den dargebotenen Gedanken
erſt jetzt mit voller Lebendigkeit, wie einen freudigen, eignen Entſchluß.
Er zog dem Namen Bennet gleichſam mit klingendem Spiel ent¬
gegen. Er folgte dem Engländer.

Unterwegs ließ ihn aber ein Zufall bedenklicher Art ſeine raſche
Fügſamkeit faſt wieder bereuen. Lord Ormond hatte ſeine Dogge bei
ſich, an die er ſchon im Theater ſo verwunderliche Anſprachen gehalten.
Auf dem Hannover-Square begab es ſich nun, daß das edle Thier Ge¬
ſellſchaft fand und nachdem es mit ſeinem intelligenten Näschen eine
ſorgfältige Wappenprobe an dem neuen Standesgenoſſen gehalten, zu
der Ueberzeugung gelangte, daß es die Würde ſeines Stammbaumes
bei dieſem Rendezvous nicht im Geringſten compromittire. Man ſah
alſo eine Verbindung eingehen, welche den Freunden und Verwandten

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[178/0196] Aber der Lord war nicht irre zu machen. Er ſprang aus dem Wagen, den er ſelbſt kutſchirt hatte, warf die Zügel dem Bedienten zu und nahm Moorfeld unter den Arm, indem er ihm auseinander ſetzte, wie nothwendig er ihn heute vorſtellen müſſe. Der Mann hat wirklich einen Sparren, dachte Moorfeld bei ſich; wäre der Engländer nicht jüngeren Alters geweſen, ſo hätte er faſt geglaubt, mit dem nämlichen Sonderlings-Exemplar zu thun zu haben, welches, nach Graf de la Garde's Memoiren, auf dem Wiener Con¬ greß durch ſeine Sucht, vorzuſtellen und vorgeſtellt zu werden, eine Art Berühmtheit erlangte und dem Prinzen Ligny zu einem ſeiner unzähligen Bonmots Veranlaſſung wurde. Wenn ſich Moorfeld ihm doch überließ, ſo geſchah es nur, weil die Gelegenheit in der That keinen Aufſchub geſtattete. Der Engländer theilte nämlich mit, die Familie Bennet ſtünde auf dem Punkte nach Saratoga in die Bäder zu gehen, und eben heute ſei letzter Empfang in der Stadt, nachdem im Landhauſe drüben auf New-Jerſey die große Abſchieds-Soiree vor¬ geſtern Statt gehabt. Das alſo war die beleuchtete Villa geweſen, welche ihm vorgeſtern in Stunden unausſprechlicher Phantaſien vor Augen geruht! Zu jenem Wonnetraum ſeiner amerikaniſchen Zukunft hatte dem Dichter der Freund der Dichter wie zu einer Brautnacht die Fackel vorgetragen! Von dieſer Aſſonanz des Zufalls fühlte ſich Moorfeld ſeltſam angeklungen. Eine ganz neue Luftſtrömung ging durch ſein Gemüth und änderte auf einmal das innere Wetter. In der That entſchied ihn dieſer Umſtand. Er ergriff den dargebotenen Gedanken erſt jetzt mit voller Lebendigkeit, wie einen freudigen, eignen Entſchluß. Er zog dem Namen Bennet gleichſam mit klingendem Spiel ent¬ gegen. Er folgte dem Engländer. Unterwegs ließ ihn aber ein Zufall bedenklicher Art ſeine raſche Fügſamkeit faſt wieder bereuen. Lord Ormond hatte ſeine Dogge bei ſich, an die er ſchon im Theater ſo verwunderliche Anſprachen gehalten. Auf dem Hannover-Square begab es ſich nun, daß das edle Thier Ge¬ ſellſchaft fand und nachdem es mit ſeinem intelligenten Näschen eine ſorgfältige Wappenprobe an dem neuen Standesgenoſſen gehalten, zu der Ueberzeugung gelangte, daß es die Würde ſeines Stammbaumes bei dieſem Rendezvous nicht im Geringſten compromittire. Man ſah alſo eine Verbindung eingehen, welche den Freunden und Verwandten

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/196>, abgerufen am 22.11.2024.