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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Die Bewohnerin dieses reizenden Aufenthaltes war eine kleine
zarte Dame -- eine Vignette von einem Frauenbild. Tiefe Blässe
bedeckte ihr Antlitz, nicht jene Blässe der Amerikanerinnen, die einer
immerwährenden Dispepsie entspringt, es war eine ächtere Aetherfarbe.
Stille und Sinnigkeit lag um sie her, und der Ausdruck des allge¬
meinen Frauenloses, Geduld und Duldung. Wie sie im einfachen
grauseidenen Kleide, die feine Hand im rosa Glacehandschuh, den zar¬
ten Fuß im gestickten Atlaspantoffel, den Nacken von einem schmalen
Spitzenkragen umrändelt, ohne Gold und Juwelenschmuck da saß, und
von dem weitgeschlungenen Schaukelstuhl fast nur den kleinsten Raum
einnahm, so war es ein Anblick, als ob das weiche Glück zwar nicht
wie eine Bürde auf ihr ruhte, aber wie jener Flaum, womit man das
Leben eines Entschlafenen erprobt, und der sich nicht regt. Nicht beschei¬
den, -- ergeben in ihren Stand schien dieses milde, ruhige Frauenbild.

Herr Bennet machte die Vorstellung Moorfeld's französisch; Mistreß
Bennet antwortete in derselben Sprache und mit einem Accente, wo¬
mit man nur die Muttersprache spricht. Moorfeld konnte sie ohne
Frage für eine Pariserin nehmen. Es schien ihm diese Wahl nicht
der unbedeutendste Charakterzug für Bennet's Geistesrichtung -- ob
er auch ahnen durfte: für das gedämpfte Lebensgefühl der verpflanz¬
ten Seine-Blume?

Mrs. Bennet sprach von den Schönheiten des Rheins und der
deutschen Literatur. Moorfeld antwortete mit Paris und Frankreich.
Seine Lobesäußerungen wurden mit Dank erwiedert, aber das Thema
nicht fortgesetzt. Moorfeld ging auf Saratoga über. Mrs. Bennet
sagte: sie hoffe viel für das Vergnügen ihrer Kinder von diesem
Ausfluge. Die Formalität schlang dann noch einige andere Fragen
und Antworten in ein loses Bouquet zusammen, das man sich gegen¬
seitig überreichte, und als sich Moorfeld wieder erhob, erfüllte sich
dieses Bild auch im eigentlichen Sinne; die Hausfrau reichte dem
Gaste aus einer Blumenvase ein feines Sträußchen von Vanille-Blüthen.
Es schien damit eine ständige Sitte beobachtet, denn selbst der Eng¬
länder, der Habitur des Hauses, hielt, wie Moorfeld sehen konnte,
eine solche Gabe zwischen den Fingern.

Den sich Entfernenden schloß sich auch die Person des Letztgenann¬
ten jetzt wieder an. Die drei Herren traten jetzt in eine andere

Die Bewohnerin dieſes reizenden Aufenthaltes war eine kleine
zarte Dame — eine Vignette von einem Frauenbild. Tiefe Bläſſe
bedeckte ihr Antlitz, nicht jene Bläſſe der Amerikanerinnen, die einer
immerwährenden Dispepſie entſpringt, es war eine ächtere Aetherfarbe.
Stille und Sinnigkeit lag um ſie her, und der Ausdruck des allge¬
meinen Frauenloſes, Geduld und Duldung. Wie ſie im einfachen
grauſeidenen Kleide, die feine Hand im roſa Glacehandſchuh, den zar¬
ten Fuß im geſtickten Atlaspantoffel, den Nacken von einem ſchmalen
Spitzenkragen umrändelt, ohne Gold und Juwelenſchmuck da ſaß, und
von dem weitgeſchlungenen Schaukelſtuhl faſt nur den kleinſten Raum
einnahm, ſo war es ein Anblick, als ob das weiche Glück zwar nicht
wie eine Bürde auf ihr ruhte, aber wie jener Flaum, womit man das
Leben eines Entſchlafenen erprobt, und der ſich nicht regt. Nicht beſchei¬
den, — ergeben in ihren Stand ſchien dieſes milde, ruhige Frauenbild.

Herr Bennet machte die Vorſtellung Moorfeld's franzöſiſch; Miſtreß
Bennet antwortete in derſelben Sprache und mit einem Accente, wo¬
mit man nur die Mutterſprache ſpricht. Moorfeld konnte ſie ohne
Frage für eine Pariſerin nehmen. Es ſchien ihm dieſe Wahl nicht
der unbedeutendſte Charakterzug für Bennet's Geiſtesrichtung — ob
er auch ahnen durfte: für das gedämpfte Lebensgefühl der verpflanz¬
ten Seine-Blume?

Mrs. Bennet ſprach von den Schönheiten des Rheins und der
deutſchen Literatur. Moorfeld antwortete mit Paris und Frankreich.
Seine Lobesäußerungen wurden mit Dank erwiedert, aber das Thema
nicht fortgeſetzt. Moorfeld ging auf Saratoga über. Mrs. Bennet
ſagte: ſie hoffe viel für das Vergnügen ihrer Kinder von dieſem
Ausfluge. Die Formalität ſchlang dann noch einige andere Fragen
und Antworten in ein loſes Bouquet zuſammen, das man ſich gegen¬
ſeitig überreichte, und als ſich Moorfeld wieder erhob, erfüllte ſich
dieſes Bild auch im eigentlichen Sinne; die Hausfrau reichte dem
Gaſte aus einer Blumenvaſe ein feines Sträußchen von Vanille-Blüthen.
Es ſchien damit eine ſtändige Sitte beobachtet, denn ſelbſt der Eng¬
länder, der Habitur des Hauſes, hielt, wie Moorfeld ſehen konnte,
eine ſolche Gabe zwiſchen den Fingern.

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[192/0210] Die Bewohnerin dieſes reizenden Aufenthaltes war eine kleine zarte Dame — eine Vignette von einem Frauenbild. Tiefe Bläſſe bedeckte ihr Antlitz, nicht jene Bläſſe der Amerikanerinnen, die einer immerwährenden Dispepſie entſpringt, es war eine ächtere Aetherfarbe. Stille und Sinnigkeit lag um ſie her, und der Ausdruck des allge¬ meinen Frauenloſes, Geduld und Duldung. Wie ſie im einfachen grauſeidenen Kleide, die feine Hand im roſa Glacehandſchuh, den zar¬ ten Fuß im geſtickten Atlaspantoffel, den Nacken von einem ſchmalen Spitzenkragen umrändelt, ohne Gold und Juwelenſchmuck da ſaß, und von dem weitgeſchlungenen Schaukelſtuhl faſt nur den kleinſten Raum einnahm, ſo war es ein Anblick, als ob das weiche Glück zwar nicht wie eine Bürde auf ihr ruhte, aber wie jener Flaum, womit man das Leben eines Entſchlafenen erprobt, und der ſich nicht regt. Nicht beſchei¬ den, — ergeben in ihren Stand ſchien dieſes milde, ruhige Frauenbild. Herr Bennet machte die Vorſtellung Moorfeld's franzöſiſch; Miſtreß Bennet antwortete in derſelben Sprache und mit einem Accente, wo¬ mit man nur die Mutterſprache ſpricht. Moorfeld konnte ſie ohne Frage für eine Pariſerin nehmen. Es ſchien ihm dieſe Wahl nicht der unbedeutendſte Charakterzug für Bennet's Geiſtesrichtung — ob er auch ahnen durfte: für das gedämpfte Lebensgefühl der verpflanz¬ ten Seine-Blume? Mrs. Bennet ſprach von den Schönheiten des Rheins und der deutſchen Literatur. Moorfeld antwortete mit Paris und Frankreich. Seine Lobesäußerungen wurden mit Dank erwiedert, aber das Thema nicht fortgeſetzt. Moorfeld ging auf Saratoga über. Mrs. Bennet ſagte: ſie hoffe viel für das Vergnügen ihrer Kinder von dieſem Ausfluge. Die Formalität ſchlang dann noch einige andere Fragen und Antworten in ein loſes Bouquet zuſammen, das man ſich gegen¬ ſeitig überreichte, und als ſich Moorfeld wieder erhob, erfüllte ſich dieſes Bild auch im eigentlichen Sinne; die Hausfrau reichte dem Gaſte aus einer Blumenvaſe ein feines Sträußchen von Vanille-Blüthen. Es ſchien damit eine ſtändige Sitte beobachtet, denn ſelbſt der Eng¬ länder, der Habitur des Hauſes, hielt, wie Moorfeld ſehen konnte, eine ſolche Gabe zwiſchen den Fingern. Den ſich Entfernenden ſchloß ſich auch die Perſon des Letztgenann¬ ten jetzt wieder an. Die drei Herren traten jetzt in eine andere

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/210>, abgerufen am 21.11.2024.