Enfilade von Zimmern über, als durch die sie gekommen, in die Ge¬ sellschaftssäle. Hier waren die Gardinen bereits niedergelassen, die Kronleuchter angezündet, und Alles für den Empfang der abendlichen Gäste in Verfassung. Aber Moorfeld that seinem Wirthe die Bitte, beziehentlich Abbitte, er möge ihm erlauben flugs nach Hause zu fah¬ ren und Toilette zu machen, er habe sich dieses Umstands verhängni߬ voller Weise keinen Augenblick früher als im Boudoir der Hausfrau zu erinnern vermocht, dort aber zu seiner großen Verlegenheit. Herr Bennet lachte und sprach von poetischen Charakterzügen; er ersuchte übrigens seinen Gast zu bleiben, er sei ja nur auf einen Rout ge¬ kommen. Es ist dieses eine Gesellschaftsform, erklärte er auf Moor¬ feld's freimüthige Aeußerung sie nicht zu kennen, welche vor einigen Jahren von England ausgegangen ist, und in Newyork sich schnell eingebürgert hat. Sie empfiehlt sich See- und Handelsvölkern durch eine gewisse demokratische Saloperie, wie sich etwa ein bequemer Sürtout empfiehlt, der für jede Gestalt paßt, aber freilich keine her¬ vortreten läßt. Man könnte den Rout fast den Clubb nennen, in's Privathaus verlegt. Seine wahre Form ist eigentlich die Formlosigkeit. Der Engländer setzte hinzu, seines Wissens seien im Westend und Downingstreet die ersten Routs in der sogenannten Restaurations- Periode gehalten worden, in jener Zeit der politischen Aufregung, wo der Ernst des Tagesgesprächs angefangen habe, der Handhabung der Frauen zu entwachsen, und die Behandlung von Fragen, welche fast lauter Lebensfragen waren, den leichteren Conversationston unmöglich zu machen. Der Rout sei ganz eigentlich ein Männer-Convent. Es ist seltsam, reflectirte der Engländer weiter, daß hier in Amerika, wo der Cultus der Frauen so hoch wie in keinem Lande der Welt ge¬ trieben wird, der Einfluß der Frauen auf die öffentlichen Formen außer allem Verhältniß gering, ja eine Tonangebung des weiblichen Elements im Grunde gar nicht vorhanden ist. Der Typus aller Geselligkeit ist hier ein schroff männlicher; der Rout herrschte schon längst in Amerika, eh' ihm England den Namen lieh. Um Bennet's Lippen spielte ein pikantes Lächeln bei dieser Bemerkung, nach einer Pause nahm er das Wort. Sie sprechen von der Abwesenheit der Frauen aus unsern geselligen Zirkeln, sagte, er -- meine Herren, ich will Ihnen ein Geschichtchen erzählen. Es war bei einer der
D.B. VIII. Der Amerika-Müde. 13
Enfilade von Zimmern über, als durch die ſie gekommen, in die Ge¬ ſellſchaftsſäle. Hier waren die Gardinen bereits niedergelaſſen, die Kronleuchter angezündet, und Alles für den Empfang der abendlichen Gäſte in Verfaſſung. Aber Moorfeld that ſeinem Wirthe die Bitte, beziehentlich Abbitte, er möge ihm erlauben flugs nach Hauſe zu fah¬ ren und Toilette zu machen, er habe ſich dieſes Umſtands verhängni߬ voller Weiſe keinen Augenblick früher als im Boudoir der Hausfrau zu erinnern vermocht, dort aber zu ſeiner großen Verlegenheit. Herr Bennet lachte und ſprach von poetiſchen Charakterzügen; er erſuchte übrigens ſeinen Gaſt zu bleiben, er ſei ja nur auf einen Rout ge¬ kommen. Es iſt dieſes eine Geſellſchaftsform, erklärte er auf Moor¬ feld's freimüthige Aeußerung ſie nicht zu kennen, welche vor einigen Jahren von England ausgegangen iſt, und in Newyork ſich ſchnell eingebürgert hat. Sie empfiehlt ſich See- und Handelsvölkern durch eine gewiſſe demokratiſche Saloperie, wie ſich etwa ein bequemer Sürtout empfiehlt, der für jede Geſtalt paßt, aber freilich keine her¬ vortreten läßt. Man könnte den Rout faſt den Clubb nennen, in's Privathaus verlegt. Seine wahre Form iſt eigentlich die Formloſigkeit. Der Engländer ſetzte hinzu, ſeines Wiſſens ſeien im Weſtend und Downingſtreet die erſten Routs in der ſogenannten Reſtaurations- Periode gehalten worden, in jener Zeit der politiſchen Aufregung, wo der Ernſt des Tagesgeſprächs angefangen habe, der Handhabung der Frauen zu entwachſen, und die Behandlung von Fragen, welche faſt lauter Lebensfragen waren, den leichteren Converſationston unmöglich zu machen. Der Rout ſei ganz eigentlich ein Männer-Convent. Es iſt ſeltſam, reflectirte der Engländer weiter, daß hier in Amerika, wo der Cultus der Frauen ſo hoch wie in keinem Lande der Welt ge¬ trieben wird, der Einfluß der Frauen auf die öffentlichen Formen außer allem Verhältniß gering, ja eine Tonangebung des weiblichen Elements im Grunde gar nicht vorhanden iſt. Der Typus aller Geſelligkeit iſt hier ein ſchroff männlicher; der Rout herrſchte ſchon längſt in Amerika, eh' ihm England den Namen lieh. Um Bennet's Lippen ſpielte ein pikantes Lächeln bei dieſer Bemerkung, nach einer Pauſe nahm er das Wort. Sie ſprechen von der Abweſenheit der Frauen aus unſern geſelligen Zirkeln, ſagte, er — meine Herren, ich will Ihnen ein Geſchichtchen erzählen. Es war bei einer der
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Enfilade von Zimmern über, als durch die ſie gekommen, in die Ge¬
ſellſchaftsſäle. Hier waren die Gardinen bereits niedergelaſſen, die
Kronleuchter angezündet, und Alles für den Empfang der abendlichen
Gäſte in Verfaſſung. Aber Moorfeld that ſeinem Wirthe die Bitte,
beziehentlich Abbitte, er möge ihm erlauben flugs nach Hauſe zu fah¬
ren und Toilette zu machen, er habe ſich dieſes Umſtands verhängni߬
voller Weiſe keinen Augenblick früher als im Boudoir der Hausfrau
zu erinnern vermocht, dort aber zu ſeiner großen Verlegenheit. Herr
Bennet lachte und ſprach von poetiſchen Charakterzügen; er erſuchte
übrigens ſeinen Gaſt zu bleiben, er ſei ja nur auf einen Rout ge¬
kommen. Es iſt dieſes eine Geſellſchaftsform, erklärte er auf Moor¬
feld's freimüthige Aeußerung ſie nicht zu kennen, welche vor einigen
Jahren von England ausgegangen iſt, und in Newyork ſich ſchnell
eingebürgert hat. Sie empfiehlt ſich See- und Handelsvölkern durch
eine gewiſſe demokratiſche Saloperie, wie ſich etwa ein bequemer
Sürtout empfiehlt, der für jede Geſtalt paßt, aber freilich keine her¬
vortreten läßt. Man könnte den Rout faſt den Clubb nennen, in's
Privathaus verlegt. Seine wahre Form iſt eigentlich die Formloſigkeit.
Der Engländer ſetzte hinzu, ſeines Wiſſens ſeien im Weſtend und
Downingſtreet die erſten Routs in der ſogenannten Reſtaurations-
Periode gehalten worden, in jener Zeit der politiſchen Aufregung, wo
der Ernſt des Tagesgeſprächs angefangen habe, der Handhabung der
Frauen zu entwachſen, und die Behandlung von Fragen, welche faſt
lauter Lebensfragen waren, den leichteren Converſationston unmöglich
zu machen. Der Rout ſei ganz eigentlich ein Männer-Convent. Es
iſt ſeltſam, reflectirte der Engländer weiter, daß hier in Amerika, wo
der Cultus der Frauen ſo hoch wie in keinem Lande der Welt ge¬
trieben wird, der Einfluß der Frauen auf die öffentlichen Formen
außer allem Verhältniß gering, ja eine Tonangebung des weiblichen
Elements im Grunde gar nicht vorhanden iſt. Der Typus aller
Geſelligkeit iſt hier ein ſchroff männlicher; der Rout herrſchte ſchon
längſt in Amerika, eh' ihm England den Namen lieh. Um Bennet's
Lippen ſpielte ein pikantes Lächeln bei dieſer Bemerkung, nach einer
Pauſe nahm er das Wort. Sie ſprechen von der Abweſenheit der
Frauen aus unſern geſelligen Zirkeln, ſagte, er — meine Herren,
ich will Ihnen ein Geſchichtchen erzählen. Es war bei einer der
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/211>, abgerufen am 24.11.2024.
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