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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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auf der Stirne, den die Verurtheilten der Geschichte an schwülen
Vorabenden schwitzen, mich um Rath in ihren Gesetzgebungen bestür¬
men. Wie seltsam! Sie meinen, ich könne Gesetze erfinden, nach welchem
eine Person zugleich als Sache zu behandeln, eine Macht zugleich
als Recht auszuüben ist; diesen Widerspruch zu lösen schwebt ihnen als
eine Kunst vor, und sollte ihnen doch als eine Unmöglichkeit einleuchten.
Eben so gut könnte der Räuber von mir Gesetze verlangen, die seinen Raub,
den Erwerb einer Gewaltthat, garantiren. In der That haben auch die
Räuber Gesetze unter sich, die sie mehr oder weniger gut beobachten;
nur schade, daß sie von uns Andern gleichmäßig gehängt werden. Die
Unglücklichen! sie wollen gerecht sein, und merken nicht, daß sie es
nicht können! Aus einer ungerechten Prämisse wollen sie gerechte Con¬
sequenzen ziehen! Es ist nicht wahr, daß ihr eure Sclaven so gut
behandelt wie eure Hausthiere. Ein unaufhörlicher Argwohn, eine
Eifersucht, die durch nichts zu beschwichtigen ist, leitet das Betragen
des Herrn gegen den Sclaven. Die Interessen Beider liegen in einem
ewigen Kampfe, und nie und nimmer, auch bei seinem besten Willen
nicht, kann der Herr den Sclaven in dem Lichte erblicken wie seinen
Esel oder sein Pferd. Denn das Thier ist ihm sicher, der Sclave
mit nichten; ohne Sicherheit aber kein Vertrauen, und ohne Vertrauen
keine Behandlung, die eine gute heißen könnte. Könnt ihr den Scla¬
ven aber nicht einmal als Hausthieren gerecht werden -- und das
wäre doch euer Geringstes! -- wie mögt ihr euch überreden, ihnen
als Menschen gerecht zu werden? Ihr unterrichtet sie? aber die fünf¬
undzwanzig Buchstaben des Negers werden sogleich ein Kriegsherr ge¬
gen euch, denn er liest die Reden eines Wilberforce und Canning
damit, und wird euch erwürgen. Ihr erzieht sie zu Christen? Aber
der Schwarze wird über den Weißen herfallen, und -- auf St. Do¬
mingo ist es geschehen -- mit Rachegeschrei euch anklagen: die Weißen
haben den Heiland ermordet! Wahrlich sie brauchen nur die Art für
die Gattung zu nehmen, -- ein sehr gebräuchlicher Tropus! -- so sind
ihre Massacres mindestens eben so gerecht, als die Judenverfolgungen
unsrer mittelalterlichen Christen: denn die Juden waren doch unzwei¬
felhaft Weiße und nicht Schwarze! Seht, so unversöhnlich ist ein
Verhältniß von Sclaven und Herren, daß selbst die alles-versöhnende
Bildung den Abgrund nicht schließt, ihr mögt hineinwerfen was ihr

auf der Stirne, den die Verurtheilten der Geſchichte an ſchwülen
Vorabenden ſchwitzen, mich um Rath in ihren Geſetzgebungen beſtür¬
men. Wie ſeltſam! Sie meinen, ich könne Geſetze erfinden, nach welchem
eine Perſon zugleich als Sache zu behandeln, eine Macht zugleich
als Recht auszuüben iſt; dieſen Widerſpruch zu löſen ſchwebt ihnen als
eine Kunſt vor, und ſollte ihnen doch als eine Unmöglichkeit einleuchten.
Eben ſo gut könnte der Räuber von mir Geſetze verlangen, die ſeinen Raub,
den Erwerb einer Gewaltthat, garantiren. In der That haben auch die
Räuber Geſetze unter ſich, die ſie mehr oder weniger gut beobachten;
nur ſchade, daß ſie von uns Andern gleichmäßig gehängt werden. Die
Unglücklichen! ſie wollen gerecht ſein, und merken nicht, daß ſie es
nicht können! Aus einer ungerechten Prämiſſe wollen ſie gerechte Con¬
ſequenzen ziehen! Es iſt nicht wahr, daß ihr eure Sclaven ſo gut
behandelt wie eure Hausthiere. Ein unaufhörlicher Argwohn, eine
Eiferſucht, die durch nichts zu beſchwichtigen iſt, leitet das Betragen
des Herrn gegen den Sclaven. Die Intereſſen Beider liegen in einem
ewigen Kampfe, und nie und nimmer, auch bei ſeinem beſten Willen
nicht, kann der Herr den Sclaven in dem Lichte erblicken wie ſeinen
Eſel oder ſein Pferd. Denn das Thier iſt ihm ſicher, der Sclave
mit nichten; ohne Sicherheit aber kein Vertrauen, und ohne Vertrauen
keine Behandlung, die eine gute heißen könnte. Könnt ihr den Scla¬
ven aber nicht einmal als Hausthieren gerecht werden — und das
wäre doch euer Geringſtes! — wie mögt ihr euch überreden, ihnen
als Menſchen gerecht zu werden? Ihr unterrichtet ſie? aber die fünf¬
undzwanzig Buchſtaben des Negers werden ſogleich ein Kriegsherr ge¬
gen euch, denn er lieſt die Reden eines Wilberforce und Canning
damit, und wird euch erwürgen. Ihr erzieht ſie zu Chriſten? Aber
der Schwarze wird über den Weißen herfallen, und — auf St. Do¬
mingo iſt es geſchehen — mit Rachegeſchrei euch anklagen: die Weißen
haben den Heiland ermordet! Wahrlich ſie brauchen nur die Art für
die Gattung zu nehmen, — ein ſehr gebräuchlicher Tropus! — ſo ſind
ihre Maſſacres mindeſtens eben ſo gerecht, als die Judenverfolgungen
unſrer mittelalterlichen Chriſten: denn die Juden waren doch unzwei¬
felhaft Weiße und nicht Schwarze! Seht, ſo unverſöhnlich iſt ein
Verhältniß von Sclaven und Herren, daß ſelbſt die alles-verſöhnende
Bildung den Abgrund nicht ſchließt, ihr mögt hineinwerfen was ihr

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[206/0224] auf der Stirne, den die Verurtheilten der Geſchichte an ſchwülen Vorabenden ſchwitzen, mich um Rath in ihren Geſetzgebungen beſtür¬ men. Wie ſeltſam! Sie meinen, ich könne Geſetze erfinden, nach welchem eine Perſon zugleich als Sache zu behandeln, eine Macht zugleich als Recht auszuüben iſt; dieſen Widerſpruch zu löſen ſchwebt ihnen als eine Kunſt vor, und ſollte ihnen doch als eine Unmöglichkeit einleuchten. Eben ſo gut könnte der Räuber von mir Geſetze verlangen, die ſeinen Raub, den Erwerb einer Gewaltthat, garantiren. In der That haben auch die Räuber Geſetze unter ſich, die ſie mehr oder weniger gut beobachten; nur ſchade, daß ſie von uns Andern gleichmäßig gehängt werden. Die Unglücklichen! ſie wollen gerecht ſein, und merken nicht, daß ſie es nicht können! Aus einer ungerechten Prämiſſe wollen ſie gerechte Con¬ ſequenzen ziehen! Es iſt nicht wahr, daß ihr eure Sclaven ſo gut behandelt wie eure Hausthiere. Ein unaufhörlicher Argwohn, eine Eiferſucht, die durch nichts zu beſchwichtigen iſt, leitet das Betragen des Herrn gegen den Sclaven. Die Intereſſen Beider liegen in einem ewigen Kampfe, und nie und nimmer, auch bei ſeinem beſten Willen nicht, kann der Herr den Sclaven in dem Lichte erblicken wie ſeinen Eſel oder ſein Pferd. Denn das Thier iſt ihm ſicher, der Sclave mit nichten; ohne Sicherheit aber kein Vertrauen, und ohne Vertrauen keine Behandlung, die eine gute heißen könnte. Könnt ihr den Scla¬ ven aber nicht einmal als Hausthieren gerecht werden — und das wäre doch euer Geringſtes! — wie mögt ihr euch überreden, ihnen als Menſchen gerecht zu werden? Ihr unterrichtet ſie? aber die fünf¬ undzwanzig Buchſtaben des Negers werden ſogleich ein Kriegsherr ge¬ gen euch, denn er lieſt die Reden eines Wilberforce und Canning damit, und wird euch erwürgen. Ihr erzieht ſie zu Chriſten? Aber der Schwarze wird über den Weißen herfallen, und — auf St. Do¬ mingo iſt es geſchehen — mit Rachegeſchrei euch anklagen: die Weißen haben den Heiland ermordet! Wahrlich ſie brauchen nur die Art für die Gattung zu nehmen, — ein ſehr gebräuchlicher Tropus! — ſo ſind ihre Maſſacres mindeſtens eben ſo gerecht, als die Judenverfolgungen unſrer mittelalterlichen Chriſten: denn die Juden waren doch unzwei¬ felhaft Weiße und nicht Schwarze! Seht, ſo unverſöhnlich iſt ein Verhältniß von Sclaven und Herren, daß ſelbſt die alles-verſöhnende Bildung den Abgrund nicht ſchließt, ihr mögt hineinwerfen was ihr

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/224>, abgerufen am 24.11.2024.