Der Hausherr führte seinen Gast die Conversationssäle, Spiel¬ zimmer und Trinkstuben entlang an das äußerste Ende der Apparte¬ ments. Dort lud sich ein niedlich verstecktes Plaudercabinet erker¬ artig auf eine Terrasse aus, welche mit einer Fülle tropischer Gewächse besetzt war. Das Cabinet bildete eine Art Glaspavillon, seine Form war die des Achteckes. Ein runder in diesem Augenblicke reich gar¬ nirter Theetisch nahm die Mitte des Gemaches ein; den übrigen Raum erfüllten breite Divans, niedrige Fauteuils, sogar einige Schaukelstühle, zum Beweis, daß das reizende Reduit, außer seiner Bestimmung als Estaminet, auch schöneren Besuches gewürdigt wurde. Die acht Ecken des Gemaches verzierten Blumen- und Fruchtkörbe aus japanischem Bambusrohr auf vergoldeten Postamenten. Das Licht fiel von oben durch eine Construction von Spiegelgläsern ein, welche aber ein Netz von Schlingpflanzen so anmuthig überkleidete, daß vom ganzen Apparat nichts zu sehen war, als seine Leistung selbst, eine milde dämmerige Mondeshelle. Die Gardinen der Fenster waren niedergelassen mit Ausnahme eines einzigen. Dieses zeigte im Vordergrunde eine charakteristische Laubmasse vom Battery-Park, darüber ein ritterliches Stück Mauerwerk vom Castel Garden, im Hintergrunde das Meer. Vor- und Mittelgrund lagen in tiefer Nacht, das Meer warf von seiner fernen Höhe das letzte purpurne Abendlicht herein. Der offene Fensterraum contrastirte zu den Gardinenfarben, die ihn rechts und links einrahmten, und zu der eigenthümlichen Beleuchtung des Cabinets so täuschend, daß der Eintretende im ersten Augenblicke keine natür¬ liche Aussicht, sondern ein bezauberndes Landschaftsbild, durch irgend einen optischen Effect erzeugt, vor sich zu haben wähnte. Moorfeld schickte aus vollster Seele dem Meere seinen Gruß hinaus.
Den Eingang des Cabinets bildete nach gewöhnlichem Brauch englischer Trinkstuben ein Vorhang. Dieser Vorhang war halb zurück¬ geschlagen, so daß ein Theil des hier beschriebenen Inneren den Ankömmlingen schon aus einer gewissen Distanz bemerkbar wurde. Moorfeld erkannte von den anwesenden Gästen Dr. Channing, Dr. Griswold und Mr. Livingstone. Er erblickte aber noch drei oder vier andere Herren an der Tafelrunde, welche ihm unbekannt waren. Herr Bennet erklärte sie ihm folgender Weise: Rechts neben Dr. Channing sitzt Oberst Gault, Director der Militärakademie in
Der Hausherr führte ſeinen Gaſt die Converſationsſäle, Spiel¬ zimmer und Trinkſtuben entlang an das äußerſte Ende der Apparte¬ ments. Dort lud ſich ein niedlich verſtecktes Plaudercabinet erker¬ artig auf eine Terraſſe aus, welche mit einer Fülle tropiſcher Gewächſe beſetzt war. Das Cabinet bildete eine Art Glaspavillon, ſeine Form war die des Achteckes. Ein runder in dieſem Augenblicke reich gar¬ nirter Theetiſch nahm die Mitte des Gemaches ein; den übrigen Raum erfüllten breite Divans, niedrige Fauteuils, ſogar einige Schaukelſtühle, zum Beweis, daß das reizende Reduit, außer ſeiner Beſtimmung als Eſtaminet, auch ſchöneren Beſuches gewürdigt wurde. Die acht Ecken des Gemaches verzierten Blumen- und Fruchtkörbe aus japaniſchem Bambusrohr auf vergoldeten Poſtamenten. Das Licht fiel von oben durch eine Conſtruction von Spiegelgläſern ein, welche aber ein Netz von Schlingpflanzen ſo anmuthig überkleidete, daß vom ganzen Apparat nichts zu ſehen war, als ſeine Leiſtung ſelbſt, eine milde dämmerige Mondeshelle. Die Gardinen der Fenſter waren niedergelaſſen mit Ausnahme eines einzigen. Dieſes zeigte im Vordergrunde eine charakteriſtiſche Laubmaſſe vom Battery-Park, darüber ein ritterliches Stück Mauerwerk vom Caſtel Garden, im Hintergrunde das Meer. Vor- und Mittelgrund lagen in tiefer Nacht, das Meer warf von ſeiner fernen Höhe das letzte purpurne Abendlicht herein. Der offene Fenſterraum contraſtirte zu den Gardinenfarben, die ihn rechts und links einrahmten, und zu der eigenthümlichen Beleuchtung des Cabinets ſo täuſchend, daß der Eintretende im erſten Augenblicke keine natür¬ liche Ausſicht, ſondern ein bezauberndes Landſchaftsbild, durch irgend einen optiſchen Effect erzeugt, vor ſich zu haben wähnte. Moorfeld ſchickte aus vollſter Seele dem Meere ſeinen Gruß hinaus.
Den Eingang des Cabinets bildete nach gewöhnlichem Brauch engliſcher Trinkſtuben ein Vorhang. Dieſer Vorhang war halb zurück¬ geſchlagen, ſo daß ein Theil des hier beſchriebenen Inneren den Ankömmlingen ſchon aus einer gewiſſen Diſtanz bemerkbar wurde. Moorfeld erkannte von den anweſenden Gäſten Dr. Channing, Dr. Griswold und Mr. Livingſtone. Er erblickte aber noch drei oder vier andere Herren an der Tafelrunde, welche ihm unbekannt waren. Herr Bennet erklärte ſie ihm folgender Weiſe: Rechts neben Dr. Channing ſitzt Oberſt Gault, Director der Militärakademie in
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Der Hausherr führte ſeinen Gaſt die Converſationsſäle, Spiel¬
zimmer und Trinkſtuben entlang an das äußerſte Ende der Apparte¬
ments. Dort lud ſich ein niedlich verſtecktes Plaudercabinet erker¬
artig auf eine Terraſſe aus, welche mit einer Fülle tropiſcher Gewächſe
beſetzt war. Das Cabinet bildete eine Art Glaspavillon, ſeine Form
war die des Achteckes. Ein runder in dieſem Augenblicke reich gar¬
nirter Theetiſch nahm die Mitte des Gemaches ein; den übrigen Raum
erfüllten breite Divans, niedrige Fauteuils, ſogar einige Schaukelſtühle,
zum Beweis, daß das reizende Reduit, außer ſeiner Beſtimmung als
Eſtaminet, auch ſchöneren Beſuches gewürdigt wurde. Die acht Ecken
des Gemaches verzierten Blumen- und Fruchtkörbe aus japaniſchem
Bambusrohr auf vergoldeten Poſtamenten. Das Licht fiel von oben
durch eine Conſtruction von Spiegelgläſern ein, welche aber ein Netz
von Schlingpflanzen ſo anmuthig überkleidete, daß vom ganzen Apparat
nichts zu ſehen war, als ſeine Leiſtung ſelbſt, eine milde dämmerige
Mondeshelle. Die Gardinen der Fenſter waren niedergelaſſen mit
Ausnahme eines einzigen. Dieſes zeigte im Vordergrunde eine
charakteriſtiſche Laubmaſſe vom Battery-Park, darüber ein ritterliches
Stück Mauerwerk vom Caſtel Garden, im Hintergrunde das Meer.
Vor- und Mittelgrund lagen in tiefer Nacht, das Meer warf von
ſeiner fernen Höhe das letzte purpurne Abendlicht herein. Der offene
Fenſterraum contraſtirte zu den Gardinenfarben, die ihn rechts und
links einrahmten, und zu der eigenthümlichen Beleuchtung des Cabinets
ſo täuſchend, daß der Eintretende im erſten Augenblicke keine natür¬
liche Ausſicht, ſondern ein bezauberndes Landſchaftsbild, durch irgend
einen optiſchen Effect erzeugt, vor ſich zu haben wähnte. Moorfeld
ſchickte aus vollſter Seele dem Meere ſeinen Gruß hinaus.
Den Eingang des Cabinets bildete nach gewöhnlichem Brauch
engliſcher Trinkſtuben ein Vorhang. Dieſer Vorhang war halb zurück¬
geſchlagen, ſo daß ein Theil des hier beſchriebenen Inneren den
Ankömmlingen ſchon aus einer gewiſſen Diſtanz bemerkbar wurde.
Moorfeld erkannte von den anweſenden Gäſten Dr. Channing,
Dr. Griswold und Mr. Livingſtone. Er erblickte aber noch drei oder
vier andere Herren an der Tafelrunde, welche ihm unbekannt waren.
Herr Bennet erklärte ſie ihm folgender Weiſe: Rechts neben
Dr. Channing ſitzt Oberſt Gault, Director der Militärakademie in
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/230>, abgerufen am 24.11.2024.
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