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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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die Equipage von einem Konstabler angehalten. Der Konstabler hielt
uns das Gesetz vor, und forderte uns auf, sofort mit ihm umzukehren.
Gott bewahre, mein Freund, rief der Mann aus Connecticut ohne
Anstand, wenn es bei uns Gesetz ist, am Sonntage nicht zu fahren,
was ich leider nicht wußte, so kann dem Gesetze nicht prompt genug
Folge geleistet werden. Ich darf die Pferde jetzt keinen Huf mehr
aufheben lassen, weder vor- noch rückwärts. Es bleibt uns nichts
anders übrig, als auf diesem Punkte hier stehen zu bleiben und den
Montag abzuwarten. Das ist klar. Nicht wahr, Herr Major, Sie
bringen unsern heiligen Institutionen dieses Opfer. Mit Vergnügen,
sagte ich. Der Konstabler machte ein langes Gesicht und zog ab.
Als wir ihn aus den Augen verloren hatten, fuhren wir weiter. --
Ein andermal begegne ich meinem alten Freund, dem lustigen Kapitän
Tim Auspice, auf der Straße von Newburyport nach Salem in
Massachusetts. Der gute Alte hatte längst "beigelegt" und rauchte
seine Friedenspfeife im sicheren Port, damals aber trabte er einen
wahren Bräutigamstrab mit seinem hartmäuligen Cyrus; ich denke,
es gilt irgend eine capitale Wette. Wo hinaus, flotte Seele? ruf'
ich ganz erstaunt über den närrischen Ritt, ich rathe, Ihr habt des
Orts hier herum eine halbe Million aufzuheben? Nicht doch, lieber
Major, ich will bloß die hübschen Mädchen in Salem küssen. Gut,
dann reiten wir miteinander, sag' ich lachend. Das sollt' Euch übel
bekommen, ich denke, Ihr seid noch ein wenig zu jung dazu, Herr
Major. Ich will verdammt sein, wenn man nicht schon einen bessern
Scherz von Euch hörte, sagt' ich empfindlich, denn das werd ich bald.
Gut, dann seid Ihr verdammt, lieber Major, denn ich rathe, es ist
mein bester Scherz, den ich da vorhabe. Was meint Ihr? Ich lese
auf meine alten Tage allerlei alten Schnack durcheinander, unter an¬
deren auch die Geschichten und Rechtsgewohnheiten unsrer Neuengland¬
staaten hier. Nun haben die Narren zu Salem heutiges Tags noch
ein Gesetz, lieber Major, ein puritanisches Gesetz, das lautet buchstäblich
wie folgt: Wenn ein junger Mann ein Mädchen ohne Zustimmung
ihrer Eltern anzureden wagt, oder wohl gar es küßt, so soll er das
erstemal um fünf Pfund, das zweitemal um das Doppelte bestraft, und
das drittemal eingesperrt werden. Wie gefällt Euch der Spaß? Nicht
wahr, das ist "schlechte Medicin" wie ein Indianer sagen würde. Ihr

die Equipage von einem Konſtabler angehalten. Der Konſtabler hielt
uns das Geſetz vor, und forderte uns auf, ſofort mit ihm umzukehren.
Gott bewahre, mein Freund, rief der Mann aus Connecticut ohne
Anſtand, wenn es bei uns Geſetz iſt, am Sonntage nicht zu fahren,
was ich leider nicht wußte, ſo kann dem Geſetze nicht prompt genug
Folge geleiſtet werden. Ich darf die Pferde jetzt keinen Huf mehr
aufheben laſſen, weder vor- noch rückwärts. Es bleibt uns nichts
anders übrig, als auf dieſem Punkte hier ſtehen zu bleiben und den
Montag abzuwarten. Das iſt klar. Nicht wahr, Herr Major, Sie
bringen unſern heiligen Inſtitutionen dieſes Opfer. Mit Vergnügen,
ſagte ich. Der Konſtabler machte ein langes Geſicht und zog ab.
Als wir ihn aus den Augen verloren hatten, fuhren wir weiter. —
Ein andermal begegne ich meinem alten Freund, dem luſtigen Kapitän
Tim Auſpice, auf der Straße von Newburyport nach Salem in
Maſſachuſetts. Der gute Alte hatte längſt „beigelegt“ und rauchte
ſeine Friedenspfeife im ſicheren Port, damals aber trabte er einen
wahren Bräutigamstrab mit ſeinem hartmäuligen Cyrus; ich denke,
es gilt irgend eine capitale Wette. Wo hinaus, flotte Seele? ruf'
ich ganz erſtaunt über den närriſchen Ritt, ich rathe, Ihr habt des
Orts hier herum eine halbe Million aufzuheben? Nicht doch, lieber
Major, ich will bloß die hübſchen Mädchen in Salem küſſen. Gut,
dann reiten wir miteinander, ſag' ich lachend. Das ſollt' Euch übel
bekommen, ich denke, Ihr ſeid noch ein wenig zu jung dazu, Herr
Major. Ich will verdammt ſein, wenn man nicht ſchon einen beſſern
Scherz von Euch hörte, ſagt' ich empfindlich, denn das werd ich bald.
Gut, dann ſeid Ihr verdammt, lieber Major, denn ich rathe, es iſt
mein beſter Scherz, den ich da vorhabe. Was meint Ihr? Ich leſe
auf meine alten Tage allerlei alten Schnack durcheinander, unter an¬
deren auch die Geſchichten und Rechtsgewohnheiten unſrer Neuengland¬
ſtaaten hier. Nun haben die Narren zu Salem heutiges Tags noch
ein Geſetz, lieber Major, ein puritaniſches Geſetz, das lautet buchſtäblich
wie folgt: Wenn ein junger Mann ein Mädchen ohne Zuſtimmung
ihrer Eltern anzureden wagt, oder wohl gar es küßt, ſo ſoll er das
erſtemal um fünf Pfund, das zweitemal um das Doppelte beſtraft, und
das drittemal eingeſperrt werden. Wie gefällt Euch der Spaß? Nicht
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[222/0240] die Equipage von einem Konſtabler angehalten. Der Konſtabler hielt uns das Geſetz vor, und forderte uns auf, ſofort mit ihm umzukehren. Gott bewahre, mein Freund, rief der Mann aus Connecticut ohne Anſtand, wenn es bei uns Geſetz iſt, am Sonntage nicht zu fahren, was ich leider nicht wußte, ſo kann dem Geſetze nicht prompt genug Folge geleiſtet werden. Ich darf die Pferde jetzt keinen Huf mehr aufheben laſſen, weder vor- noch rückwärts. Es bleibt uns nichts anders übrig, als auf dieſem Punkte hier ſtehen zu bleiben und den Montag abzuwarten. Das iſt klar. Nicht wahr, Herr Major, Sie bringen unſern heiligen Inſtitutionen dieſes Opfer. Mit Vergnügen, ſagte ich. Der Konſtabler machte ein langes Geſicht und zog ab. Als wir ihn aus den Augen verloren hatten, fuhren wir weiter. — Ein andermal begegne ich meinem alten Freund, dem luſtigen Kapitän Tim Auſpice, auf der Straße von Newburyport nach Salem in Maſſachuſetts. Der gute Alte hatte längſt „beigelegt“ und rauchte ſeine Friedenspfeife im ſicheren Port, damals aber trabte er einen wahren Bräutigamstrab mit ſeinem hartmäuligen Cyrus; ich denke, es gilt irgend eine capitale Wette. Wo hinaus, flotte Seele? ruf' ich ganz erſtaunt über den närriſchen Ritt, ich rathe, Ihr habt des Orts hier herum eine halbe Million aufzuheben? Nicht doch, lieber Major, ich will bloß die hübſchen Mädchen in Salem küſſen. Gut, dann reiten wir miteinander, ſag' ich lachend. Das ſollt' Euch übel bekommen, ich denke, Ihr ſeid noch ein wenig zu jung dazu, Herr Major. Ich will verdammt ſein, wenn man nicht ſchon einen beſſern Scherz von Euch hörte, ſagt' ich empfindlich, denn das werd ich bald. Gut, dann ſeid Ihr verdammt, lieber Major, denn ich rathe, es iſt mein beſter Scherz, den ich da vorhabe. Was meint Ihr? Ich leſe auf meine alten Tage allerlei alten Schnack durcheinander, unter an¬ deren auch die Geſchichten und Rechtsgewohnheiten unſrer Neuengland¬ ſtaaten hier. Nun haben die Narren zu Salem heutiges Tags noch ein Geſetz, lieber Major, ein puritaniſches Geſetz, das lautet buchſtäblich wie folgt: Wenn ein junger Mann ein Mädchen ohne Zuſtimmung ihrer Eltern anzureden wagt, oder wohl gar es küßt, ſo ſoll er das erſtemal um fünf Pfund, das zweitemal um das Doppelte beſtraft, und das drittemal eingeſperrt werden. Wie gefällt Euch der Spaß? Nicht wahr, das iſt „ſchlechte Medicin“ wie ein Indianer ſagen würde. Ihr

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/240>, abgerufen am 24.11.2024.