für sie. Er macht weite Reisen und läßt sich seine geliebten Dollars nicht reuen, um einen Wasserfall, oder einen Löwen zu sehen. Frei¬ lich würde es seinen Genuß wunderbar erhöhen, wenn der Wasserfall zugleich eine Mühle triebe und der Löwe einen Bratspieß drehte.
Mr. Bennet stimmte dem Spötter lachend bei. Sein Geschmack sei Saratoga nicht, aber jeder rechtgläubige Yankee müsse Einmal in Saratoga, wie jeder Mahumedaner in Mekka gewesen sein. Und in der That freuten sich seine drei Ladies auf das Schneiderlein im See mindestens eben so sehr, als er, Doctor Channing, auf seine Unver¬ daulichkeitszeitung. Man scherzte noch weiter über dieses Thema, bis Bennet die Gläser von Neuem füllte, da er es dann nicht anders als passend fand, nach Mr. Wood's Toast auf Saratoga, einen Toast auf das Ohio-Project seines verehrten Gastes, Doctor Moorfeld, auszu¬ bringen. Die Amerikaner hörten von Moorfeld's Vorhaben, wie dieser sogleich bemerken konnte, mit geschmeicheltem Selbstgefühle. Ein Europäer, der weder aus Noth, noch aus Speculation, sondern -- wie es hier lauten mußte, was wir nur in stiller Mondnacht einem stillen Deutschen gegenüber sinniger gehört haben, --aus Liebhaberei in den Schatten ihres Sternbanners sich begab: eine solche Erscheinung war ihnen offenbar sehr wohlthuend. Es verbreitete sich jene Tempe¬ ratur behaglicher Eitelkeit im Kreise, ohne die der verfeinerte Mensch nicht leben mag, und die ihn um so comfortabler im Inneren durch¬ wärmt, je mäßiger sie durch die vornehme Kühle des äußeren Anstan¬ des ausstrahlt. Das süße Schlürfen in Negationen ging in ein po¬ sitiveres Nationalgefühl über; die Heiterkeit des Tones blieb zwar, aber sie nüancirte aus dem Humoristischen ins Pathetische. Man machte dem Gentleman-Urwäldler die Avance, seine Phantasie auf den Schauplatz seines künftigen Wirkens zu führen. Man verlegte die Unterhaltung in die Geschichte der ersten Ansiedlungen Amerika's. Das heroische Zeitalter des Landes wurde der Stoff des Gespräches. Homerische Helden tauchten aus dem Champagnerschaum empor und blutige Scalps und bluttriefende Tomahawks erfüllten das elegante Theepavillon. Jene härtesten Männergestalten schritten im Geiste vorüber, die im Kampfe mit dem schlachtgierigen Indianer, im Kampfe mit Panther und Alligator, im Kampfe mit einer tausendjährigen Waldwurzelung den Boden für eine Handvoll Mais eroberten, den das
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für ſie. Er macht weite Reiſen und läßt ſich ſeine geliebten Dollars nicht reuen, um einen Waſſerfall, oder einen Löwen zu ſehen. Frei¬ lich würde es ſeinen Genuß wunderbar erhöhen, wenn der Waſſerfall zugleich eine Mühle triebe und der Löwe einen Bratſpieß drehte.
Mr. Bennet ſtimmte dem Spötter lachend bei. Sein Geſchmack ſei Saratoga nicht, aber jeder rechtgläubige Yankee müſſe Einmal in Saratoga, wie jeder Mahumedaner in Mekka geweſen ſein. Und in der That freuten ſich ſeine drei Ladies auf das Schneiderlein im See mindeſtens eben ſo ſehr, als er, Doctor Channing, auf ſeine Unver¬ daulichkeitszeitung. Man ſcherzte noch weiter über dieſes Thema, bis Bennet die Gläſer von Neuem füllte, da er es dann nicht anders als paſſend fand, nach Mr. Wood's Toaſt auf Saratoga, einen Toaſt auf das Ohio-Project ſeines verehrten Gaſtes, Doctor Moorfeld, auszu¬ bringen. Die Amerikaner hörten von Moorfeld's Vorhaben, wie dieſer ſogleich bemerken konnte, mit geſchmeicheltem Selbſtgefühle. Ein Europäer, der weder aus Noth, noch aus Speculation, ſondern — wie es hier lauten mußte, was wir nur in ſtiller Mondnacht einem ſtillen Deutſchen gegenüber ſinniger gehört haben, —aus Liebhaberei in den Schatten ihres Sternbanners ſich begab: eine ſolche Erſcheinung war ihnen offenbar ſehr wohlthuend. Es verbreitete ſich jene Tempe¬ ratur behaglicher Eitelkeit im Kreiſe, ohne die der verfeinerte Menſch nicht leben mag, und die ihn um ſo comfortabler im Inneren durch¬ wärmt, je mäßiger ſie durch die vornehme Kühle des äußeren Anſtan¬ des ausſtrahlt. Das ſüße Schlürfen in Negationen ging in ein po¬ ſitiveres Nationalgefühl über; die Heiterkeit des Tones blieb zwar, aber ſie nüancirte aus dem Humoriſtiſchen ins Pathetiſche. Man machte dem Gentleman-Urwäldler die Avance, ſeine Phantaſie auf den Schauplatz ſeines künftigen Wirkens zu führen. Man verlegte die Unterhaltung in die Geſchichte der erſten Anſiedlungen Amerika's. Das heroiſche Zeitalter des Landes wurde der Stoff des Geſpräches. Homeriſche Helden tauchten aus dem Champagnerſchaum empor und blutige Scalps und bluttriefende Tomahawks erfüllten das elegante Theepavillon. Jene härteſten Männergeſtalten ſchritten im Geiſte vorüber, die im Kampfe mit dem ſchlachtgierigen Indianer, im Kampfe mit Panther und Alligator, im Kampfe mit einer tauſendjährigen Waldwurzelung den Boden für eine Handvoll Mais eroberten, den das
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für ſie. Er macht weite Reiſen und läßt ſich ſeine geliebten Dollars
nicht reuen, um einen Waſſerfall, oder einen Löwen zu ſehen. Frei¬
lich würde es ſeinen Genuß wunderbar erhöhen, wenn der Waſſerfall
zugleich eine Mühle triebe und der Löwe einen Bratſpieß drehte.
Mr. Bennet ſtimmte dem Spötter lachend bei. Sein Geſchmack
ſei Saratoga nicht, aber jeder rechtgläubige Yankee müſſe Einmal in
Saratoga, wie jeder Mahumedaner in Mekka geweſen ſein. Und in
der That freuten ſich ſeine drei Ladies auf das Schneiderlein im See
mindeſtens eben ſo ſehr, als er, Doctor Channing, auf ſeine Unver¬
daulichkeitszeitung. Man ſcherzte noch weiter über dieſes Thema, bis
Bennet die Gläſer von Neuem füllte, da er es dann nicht anders als
paſſend fand, nach Mr. Wood's Toaſt auf Saratoga, einen Toaſt auf
das Ohio-Project ſeines verehrten Gaſtes, Doctor Moorfeld, auszu¬
bringen. Die Amerikaner hörten von Moorfeld's Vorhaben, wie dieſer
ſogleich bemerken konnte, mit geſchmeicheltem Selbſtgefühle. Ein
Europäer, der weder aus Noth, noch aus Speculation, ſondern —
wie es hier lauten mußte, was wir nur in ſtiller Mondnacht einem
ſtillen Deutſchen gegenüber ſinniger gehört haben, —aus Liebhaberei
in den Schatten ihres Sternbanners ſich begab: eine ſolche Erſcheinung
war ihnen offenbar ſehr wohlthuend. Es verbreitete ſich jene Tempe¬
ratur behaglicher Eitelkeit im Kreiſe, ohne die der verfeinerte Menſch
nicht leben mag, und die ihn um ſo comfortabler im Inneren durch¬
wärmt, je mäßiger ſie durch die vornehme Kühle des äußeren Anſtan¬
des ausſtrahlt. Das ſüße Schlürfen in Negationen ging in ein po¬
ſitiveres Nationalgefühl über; die Heiterkeit des Tones blieb zwar,
aber ſie nüancirte aus dem Humoriſtiſchen ins Pathetiſche. Man
machte dem Gentleman-Urwäldler die Avance, ſeine Phantaſie auf
den Schauplatz ſeines künftigen Wirkens zu führen. Man verlegte
die Unterhaltung in die Geſchichte der erſten Anſiedlungen Amerika's.
Das heroiſche Zeitalter des Landes wurde der Stoff des Geſpräches.
Homeriſche Helden tauchten aus dem Champagnerſchaum empor und
blutige Scalps und bluttriefende Tomahawks erfüllten das elegante
Theepavillon. Jene härteſten Männergeſtalten ſchritten im Geiſte
vorüber, die im Kampfe mit dem ſchlachtgierigen Indianer, im Kampfe
mit Panther und Alligator, im Kampfe mit einer tauſendjährigen
Waldwurzelung den Boden für eine Handvoll Mais eroberten, den das
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/245>, abgerufen am 24.11.2024.
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