Füllhorn der Kultur jetzt mit Perlen und Juwelen bedeckte. Da stürzte der Schlachtengel Whalley, der wunderbare Einsiedler von Hartford, sich zwischen die mordheulenden Indianer und das unbeschützte Christen¬ häuflein im Gotteshause; da wurden Michael Fink und Johann Wetzel die Märtyrer für Pennsylvaniens Anbau; da brachen Daniel Boone und Simon Kenton, der Diomedes und Odysseus Amerika's, in die pfadlosen Wildnisse Kentucky's vor und Städte erblühten aus ihren Fußspuren. Endlos reihte sich die Iliade der Thaten und Abenteuer im Munde der kundigen Patrioten, staunend überblickte der Zuhörer mehr als ein Privatleben, das die Geschichte eines Landes war. So wuchs das Pathos der Unterhaltung aus markvollem Schafte in die Höhe und Breite, weihevoller saß die Gesellschaft da, wie unter dem Baldachin ihres Götterolymps, und als Doctor Channing, mit der klangvollsten Bruststimme, die Moorfeld in Amerika gehört, jetzt in die Saiten des modernen Dichterfürsten griff, und aus Byron's Don Juan jene sieben Stanzen recitirte, welche Daniel Boone's schlicht ur¬ menschliches Kraftleben feiern: da waren Schwungfedern ausgespannt, auf welchen wohl Gemüther sich wiegen mochten, die zur Größe sich genießend, nicht aber erzeugend verhalten.
Anders Moorfeld. Für ihn ging diese Wendung über die Frei¬ heit der Conversation hinaus. Das Spiel der Rede rührte an den vollsten, brennendsten Ernst seines Lebens. Er saß da, wie ein Mensch, der sich persönlich getroffen fühlt. Eine flammende Röthe durchloderte sein Antlitz, es war ihm zu Muthe, als müßte er diesen Glaskäfig direct durchstoßen und auffliegen den Winken ewiger Geister nach. -- Er fühlte sich tief und schmerzlich vereinsamt. Das Sym¬ posion des Theepavillons hatte sich selbst aufgehoben. Mit einem Ruck seines Fauteuils wendete er sich der Aussicht nach dem Meere zu. Aber der violettne Abendschimmer darauf war erloschen, das magische Bild von zuvor nicht mehr vorhanden. Kein äußeres Sym¬ bol kam der Sehnsucht seines Innern entgegen. Er stand auf und verließ unter irgend einem Vorwande das Pavillon. Er machte einen Gang durch die Gesellschaftssäle. Uebervollen Herzens warf er sich in die Einsamkeit des dichtesten Gewühles.
All seine Kräfte trieben im Sturme. Es war eine jener Lunten an ihn gelegt, welche unmittelbar zum Handeln auffordern. Daniel
Füllhorn der Kultur jetzt mit Perlen und Juwelen bedeckte. Da ſtürzte der Schlachtengel Whalley, der wunderbare Einſiedler von Hartford, ſich zwiſchen die mordheulenden Indianer und das unbeſchützte Chriſten¬ häuflein im Gotteshauſe; da wurden Michael Fink und Johann Wetzel die Märtyrer für Pennſylvaniens Anbau; da brachen Daniel Boone und Simon Kenton, der Diomedes und Odyſſeus Amerika's, in die pfadloſen Wildniſſe Kentucky's vor und Städte erblühten aus ihren Fußſpuren. Endlos reihte ſich die Iliade der Thaten und Abenteuer im Munde der kundigen Patrioten, ſtaunend überblickte der Zuhörer mehr als ein Privatleben, das die Geſchichte eines Landes war. So wuchs das Pathos der Unterhaltung aus markvollem Schafte in die Höhe und Breite, weihevoller ſaß die Geſellſchaft da, wie unter dem Baldachin ihres Götterolymps, und als Doctor Channing, mit der klangvollſten Bruſtſtimme, die Moorfeld in Amerika gehört, jetzt in die Saiten des modernen Dichterfürſten griff, und aus Byron's Don Juan jene ſieben Stanzen recitirte, welche Daniel Boone's ſchlicht ur¬ menſchliches Kraftleben feiern: da waren Schwungfedern ausgeſpannt, auf welchen wohl Gemüther ſich wiegen mochten, die zur Größe ſich genießend, nicht aber erzeugend verhalten.
Anders Moorfeld. Für ihn ging dieſe Wendung über die Frei¬ heit der Converſation hinaus. Das Spiel der Rede rührte an den vollſten, brennendſten Ernſt ſeines Lebens. Er ſaß da, wie ein Menſch, der ſich perſönlich getroffen fühlt. Eine flammende Röthe durchloderte ſein Antlitz, es war ihm zu Muthe, als müßte er dieſen Glaskäfig direct durchſtoßen und auffliegen den Winken ewiger Geiſter nach. — Er fühlte ſich tief und ſchmerzlich vereinſamt. Das Sym¬ poſion des Theepavillons hatte ſich ſelbſt aufgehoben. Mit einem Ruck ſeines Fauteuils wendete er ſich der Ausſicht nach dem Meere zu. Aber der violettne Abendſchimmer darauf war erloſchen, das magiſche Bild von zuvor nicht mehr vorhanden. Kein äußeres Sym¬ bol kam der Sehnſucht ſeines Innern entgegen. Er ſtand auf und verließ unter irgend einem Vorwande das Pavillon. Er machte einen Gang durch die Geſellſchaftsſäle. Uebervollen Herzens warf er ſich in die Einſamkeit des dichteſten Gewühles.
All ſeine Kräfte trieben im Sturme. Es war eine jener Lunten an ihn gelegt, welche unmittelbar zum Handeln auffordern. Daniel
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Füllhorn der Kultur jetzt mit Perlen und Juwelen bedeckte. Da ſtürzte
der Schlachtengel Whalley, der wunderbare Einſiedler von Hartford,
ſich zwiſchen die mordheulenden Indianer und das unbeſchützte Chriſten¬
häuflein im Gotteshauſe; da wurden Michael Fink und Johann Wetzel
die Märtyrer für Pennſylvaniens Anbau; da brachen Daniel Boone
und Simon Kenton, der Diomedes und Odyſſeus Amerika's, in die
pfadloſen Wildniſſe Kentucky's vor und Städte erblühten aus ihren
Fußſpuren. Endlos reihte ſich die Iliade der Thaten und Abenteuer
im Munde der kundigen Patrioten, ſtaunend überblickte der Zuhörer
mehr als ein Privatleben, das die Geſchichte eines Landes war. So
wuchs das Pathos der Unterhaltung aus markvollem Schafte in die
Höhe und Breite, weihevoller ſaß die Geſellſchaft da, wie unter dem
Baldachin ihres Götterolymps, und als Doctor Channing, mit der
klangvollſten Bruſtſtimme, die Moorfeld in Amerika gehört, jetzt in
die Saiten des modernen Dichterfürſten griff, und aus Byron's Don
Juan jene ſieben Stanzen recitirte, welche Daniel Boone's ſchlicht ur¬
menſchliches Kraftleben feiern: da waren Schwungfedern ausgeſpannt,
auf welchen wohl Gemüther ſich wiegen mochten, die zur Größe ſich
genießend, nicht aber erzeugend verhalten.
Anders Moorfeld. Für ihn ging dieſe Wendung über die Frei¬
heit der Converſation hinaus. Das Spiel der Rede rührte an den
vollſten, brennendſten Ernſt ſeines Lebens. Er ſaß da, wie ein
Menſch, der ſich perſönlich getroffen fühlt. Eine flammende Röthe
durchloderte ſein Antlitz, es war ihm zu Muthe, als müßte er dieſen
Glaskäfig direct durchſtoßen und auffliegen den Winken ewiger Geiſter
nach. — Er fühlte ſich tief und ſchmerzlich vereinſamt. Das Sym¬
poſion des Theepavillons hatte ſich ſelbſt aufgehoben. Mit einem
Ruck ſeines Fauteuils wendete er ſich der Ausſicht nach dem Meere
zu. Aber der violettne Abendſchimmer darauf war erloſchen, das
magiſche Bild von zuvor nicht mehr vorhanden. Kein äußeres Sym¬
bol kam der Sehnſucht ſeines Innern entgegen. Er ſtand auf und
verließ unter irgend einem Vorwande das Pavillon. Er machte einen
Gang durch die Geſellſchaftsſäle. Uebervollen Herzens warf er ſich
in die Einſamkeit des dichteſten Gewühles.
All ſeine Kräfte trieben im Sturme. Es war eine jener Lunten
an ihn gelegt, welche unmittelbar zum Handeln auffordern. Daniel
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/246>, abgerufen am 24.11.2024.
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