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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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präsentiren. Der Moment ist günstig, Sie werden die Cour des
Winkels verbessern.

Die Cour des Winkels? fragte Moorfeld -- was ist das? mir
ist Name und Sache dieses Ausdrucks gänzlich fremd; ich muß um
Erklärung bitten.

Ihnen zu dienen, Sir. Die Cour des Winkels ist eine amerika¬
nische Form von Salongalanterie. Ein Kreis von Herren umringt
eine Dame und sucht sie im Gespräche allmälig nach einer Ecke des
Saales zu drängen. Natürlich wird das Gespräch angenehm, fesselnd,
interessant sein müssen. Und zwar sowohl von Seite der Herren,
als der Dame selbst. Ist die Dame unzufrieden, so wird sie mit
einer leichten Wendung den Kreis durchbrechen; sind es die Herren,
so wird sich ihr Ring allmälig auflösen. Gelingt die Cour des
Winkels aber, d. h. wird die Dame der Ecke glücklich zuge¬
führt, so heißt sie "die Dame des Winkels." Sie ist dann die
Königin des Abends. Wir sehen, diese Art Huldigung spielt ein
wenig auf der Grenzlinie der Equivoque. Der Grundgedanke ist
frivol genug, die Ausführung aber ein Spielraum für Geist und
Grazie. Man sollte die Erfindung für französisch halten, daß sie
amerikanisch ist, leuchtet in der That nicht recht ein. Jene Dandies
aber -- Snobs sollte ich sagen -- haben vollends keinen Begriff
ihrer Aufgabe. Wie sie das arme Mädchen umdrängen! Sie er¬
sticken sie fast in dieser Sommerschwüle. An ihrer Stelle hätte ich
den Kreis längst durchbrochen. Aber sie weiß sich nicht zu helfen.
Sie ist noch halb Kind. Hält auch nichts von der Perfectibilität der
Thierseele. Aber kommen Sie, Sir!

Da blieb keine Wahl. Die Poesie des Augenblicks hatte jetzt
ihre Muse. Dort stand sie verkörpert. Sie stand auf dem Scheide¬
wege von Saratoga nach Ohio. Moorfeld erkannte die Göttin Gele¬
genheit und verzieh ihr die capriciöse Wahl ihres Sendlings. Er
nahm den Arm des Engländers an.

Die Herren promenirten die beiden Säle hinab, im Vorbeigehen
an der Gruppe winkte der Engländer mit dem vertraulichen Gruß
des Hausfreundes dem jungen Mädchen zu und sagte mit einer
Handbewegung gegen Moorfeld: Doctor Muhrfield, a literary gentle¬
man
aus Deutschland.

präſentiren. Der Moment iſt günſtig, Sie werden die Cour des
Winkels verbeſſern.

Die Cour des Winkels? fragte Moorfeld — was iſt das? mir
iſt Name und Sache dieſes Ausdrucks gänzlich fremd; ich muß um
Erklärung bitten.

Ihnen zu dienen, Sir. Die Cour des Winkels iſt eine amerika¬
niſche Form von Salongalanterie. Ein Kreis von Herren umringt
eine Dame und ſucht ſie im Geſpräche allmälig nach einer Ecke des
Saales zu drängen. Natürlich wird das Geſpräch angenehm, feſſelnd,
intereſſant ſein müſſen. Und zwar ſowohl von Seite der Herren,
als der Dame ſelbſt. Iſt die Dame unzufrieden, ſo wird ſie mit
einer leichten Wendung den Kreis durchbrechen; ſind es die Herren,
ſo wird ſich ihr Ring allmälig auflöſen. Gelingt die Cour des
Winkels aber, d. h. wird die Dame der Ecke glücklich zuge¬
führt, ſo heißt ſie „die Dame des Winkels.“ Sie iſt dann die
Königin des Abends. Wir ſehen, dieſe Art Huldigung ſpielt ein
wenig auf der Grenzlinie der Equivoque. Der Grundgedanke iſt
frivol genug, die Ausführung aber ein Spielraum für Geiſt und
Grazie. Man ſollte die Erfindung für franzöſiſch halten, daß ſie
amerikaniſch iſt, leuchtet in der That nicht recht ein. Jene Dandies
aber — Snobs ſollte ich ſagen — haben vollends keinen Begriff
ihrer Aufgabe. Wie ſie das arme Mädchen umdrängen! Sie er¬
ſticken ſie faſt in dieſer Sommerſchwüle. An ihrer Stelle hätte ich
den Kreis längſt durchbrochen. Aber ſie weiß ſich nicht zu helfen.
Sie iſt noch halb Kind. Hält auch nichts von der Perfectibilität der
Thierſeele. Aber kommen Sie, Sir!

Da blieb keine Wahl. Die Poeſie des Augenblicks hatte jetzt
ihre Muſe. Dort ſtand ſie verkörpert. Sie ſtand auf dem Scheide¬
wege von Saratoga nach Ohio. Moorfeld erkannte die Göttin Gele¬
genheit und verzieh ihr die capriciöſe Wahl ihres Sendlings. Er
nahm den Arm des Engländers an.

Die Herren promenirten die beiden Säle hinab, im Vorbeigehen
an der Gruppe winkte der Engländer mit dem vertraulichen Gruß
des Hausfreundes dem jungen Mädchen zu und ſagte mit einer
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man
aus Deutſchland.

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[230/0248] präſentiren. Der Moment iſt günſtig, Sie werden die Cour des Winkels verbeſſern. Die Cour des Winkels? fragte Moorfeld — was iſt das? mir iſt Name und Sache dieſes Ausdrucks gänzlich fremd; ich muß um Erklärung bitten. Ihnen zu dienen, Sir. Die Cour des Winkels iſt eine amerika¬ niſche Form von Salongalanterie. Ein Kreis von Herren umringt eine Dame und ſucht ſie im Geſpräche allmälig nach einer Ecke des Saales zu drängen. Natürlich wird das Geſpräch angenehm, feſſelnd, intereſſant ſein müſſen. Und zwar ſowohl von Seite der Herren, als der Dame ſelbſt. Iſt die Dame unzufrieden, ſo wird ſie mit einer leichten Wendung den Kreis durchbrechen; ſind es die Herren, ſo wird ſich ihr Ring allmälig auflöſen. Gelingt die Cour des Winkels aber, d. h. wird die Dame der Ecke glücklich zuge¬ führt, ſo heißt ſie „die Dame des Winkels.“ Sie iſt dann die Königin des Abends. Wir ſehen, dieſe Art Huldigung ſpielt ein wenig auf der Grenzlinie der Equivoque. Der Grundgedanke iſt frivol genug, die Ausführung aber ein Spielraum für Geiſt und Grazie. Man ſollte die Erfindung für franzöſiſch halten, daß ſie amerikaniſch iſt, leuchtet in der That nicht recht ein. Jene Dandies aber — Snobs ſollte ich ſagen — haben vollends keinen Begriff ihrer Aufgabe. Wie ſie das arme Mädchen umdrängen! Sie er¬ ſticken ſie faſt in dieſer Sommerſchwüle. An ihrer Stelle hätte ich den Kreis längſt durchbrochen. Aber ſie weiß ſich nicht zu helfen. Sie iſt noch halb Kind. Hält auch nichts von der Perfectibilität der Thierſeele. Aber kommen Sie, Sir! Da blieb keine Wahl. Die Poeſie des Augenblicks hatte jetzt ihre Muſe. Dort ſtand ſie verkörpert. Sie ſtand auf dem Scheide¬ wege von Saratoga nach Ohio. Moorfeld erkannte die Göttin Gele¬ genheit und verzieh ihr die capriciöſe Wahl ihres Sendlings. Er nahm den Arm des Engländers an. Die Herren promenirten die beiden Säle hinab, im Vorbeigehen an der Gruppe winkte der Engländer mit dem vertraulichen Gruß des Hausfreundes dem jungen Mädchen zu und ſagte mit einer Handbewegung gegen Moorfeld: Doctor Muhrfield, a literary gentle¬ man aus Deutſchland.

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/248>, abgerufen am 21.11.2024.