wärtiget? Kann die Phantasie diesen Zauber vollbringen, dann umwölben uns die Laubdome großblättriger Bignonien und Pisang's, hoher luftiger Cassien, stolzer und mächtiger Latanen, deren Blätter, an langen Schaften gerollt, einer grün glänzenden Sonne gleichen; es umschattet uns der dunkle, majestätische Lebensbaum, und sein präch¬ tiger Contrast, der helle, glänzend belaubte Kampher; die Magnolie, die ihre breiten Rosen hoch trägt, das ganze Gebüsch beherrscht und keine Nebenbuhlerin als die Riesenpalme hat, welche mit leichter Grazie ihre grünen Fächer in den Lüften schaukelt, der Wollbaum, bewaffnet mit ritterlichen Stacheln, der weithin die dicken Aeste verbreitet und seine gefingerten Blätter in bewegliche Massen gruppirt; weißstämmige, großgeblätterte Cecropien werfen ihr phantastisch durchbrochenes Gitter¬ werk zwischen uns und das Himmelsblau und ein Heer von namen¬ losen Waldkoryphäen erdrückt uns in seinen bilderreichen Korallen¬ armen. Ein Volk von buntgefiederten Papageien schwirrt über uns hin, läßt sich schreiend auf Blüthengipfeln nieder und pickt in saftige Granaten. Durch undurchdringliche, tausendfarbige Schmarotzerpflanzen, Convolven und andere Waldparasiten ziehen sich Schnüre blattloser milchiger Lianen, die mit spiralförmigen Stengeln bald von stolz¬ wogenden Gipfeln fallen, bald freischwebende Guirlanden bilden, welche von unsichtbaren Feenhänden getragen scheinen. Die Buffi's des süd¬ lichen Thiertheaters, die Affen, springen humoristisch von Zweig zu Zweig, schüchtern flieht die Gazelle in tieferes Gebüsch, schmelzend er¬ hebt die Nachtigal aus traumhaftem Walddunkel ihre Liebesklagen, während die hellen Töne der Cicaden durch ihre Monotonie die Seele in süße Melancholie versenken. Myriaden glänzender Käfer durch¬ schwirren die Luft und blicken gleich Edelsteinen aus herrlichen Blumen. Unschädliche Schlangen wetteifern an Glanz mit den Farben des Regenbogens, und schauckeln sich gleich Lianen von den Gipfeln der Bäume. Pfeilschnell durchschwirrt der Kolibri, der kleine Liebesgott der Blumen, sein immer blühendes Serail. Von Bewegung ein Vogel, von Pracht und Feuer seiner Farben ein fliegender Smaragd oder Rubin, nennen wir seine Familien ein Potosi in der Luft. Dieses Paradies umfluthet uns Tag und Nacht mit Duftwellen, welche gleich Weihrauchwolken gegen den Himmel wallen, daß der kühnste Luft¬ schiffer die Grenze ihres würzigen Bezirkes nicht erreichte. Die
wärtiget? Kann die Phantaſie dieſen Zauber vollbringen, dann umwölben uns die Laubdome großblättriger Bignonien und Piſang's, hoher luftiger Caſſien, ſtolzer und mächtiger Latanen, deren Blätter, an langen Schaften gerollt, einer grün glänzenden Sonne gleichen; es umſchattet uns der dunkle, majeſtätiſche Lebensbaum, und ſein präch¬ tiger Contraſt, der helle, glänzend belaubte Kampher; die Magnolie, die ihre breiten Roſen hoch trägt, das ganze Gebüſch beherrſcht und keine Nebenbuhlerin als die Rieſenpalme hat, welche mit leichter Grazie ihre grünen Fächer in den Lüften ſchaukelt, der Wollbaum, bewaffnet mit ritterlichen Stacheln, der weithin die dicken Aeſte verbreitet und ſeine gefingerten Blätter in bewegliche Maſſen gruppirt; weißſtämmige, großgeblätterte Cecropien werfen ihr phantaſtiſch durchbrochenes Gitter¬ werk zwiſchen uns und das Himmelsblau und ein Heer von namen¬ loſen Waldkoryphäen erdrückt uns in ſeinen bilderreichen Korallen¬ armen. Ein Volk von buntgefiederten Papageien ſchwirrt über uns hin, läßt ſich ſchreiend auf Blüthengipfeln nieder und pickt in ſaftige Granaten. Durch undurchdringliche, tauſendfarbige Schmarotzerpflanzen, Convolven und andere Waldparaſiten ziehen ſich Schnüre blattloſer milchiger Lianen, die mit ſpiralförmigen Stengeln bald von ſtolz¬ wogenden Gipfeln fallen, bald freiſchwebende Guirlanden bilden, welche von unſichtbaren Feenhänden getragen ſcheinen. Die Buffi's des ſüd¬ lichen Thiertheaters, die Affen, ſpringen humoriſtiſch von Zweig zu Zweig, ſchüchtern flieht die Gazelle in tieferes Gebüſch, ſchmelzend er¬ hebt die Nachtigal aus traumhaftem Walddunkel ihre Liebesklagen, während die hellen Töne der Cicaden durch ihre Monotonie die Seele in ſüße Melancholie verſenken. Myriaden glänzender Käfer durch¬ ſchwirren die Luft und blicken gleich Edelſteinen aus herrlichen Blumen. Unſchädliche Schlangen wetteifern an Glanz mit den Farben des Regenbogens, und ſchauckeln ſich gleich Lianen von den Gipfeln der Bäume. Pfeilſchnell durchſchwirrt der Kolibri, der kleine Liebesgott der Blumen, ſein immer blühendes Serail. Von Bewegung ein Vogel, von Pracht und Feuer ſeiner Farben ein fliegender Smaragd oder Rubin, nennen wir ſeine Familien ein Potoſi in der Luft. Dieſes Paradies umfluthet uns Tag und Nacht mit Duftwellen, welche gleich Weihrauchwolken gegen den Himmel wallen, daß der kühnſte Luft¬ ſchiffer die Grenze ihres würzigen Bezirkes nicht erreichte. Die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0251"n="233"/>
wärtiget? Kann die Phantaſie dieſen Zauber vollbringen, dann<lb/>
umwölben uns die Laubdome großblättriger Bignonien und Piſang's,<lb/>
hoher luftiger Caſſien, ſtolzer und mächtiger Latanen, deren Blätter,<lb/>
an langen Schaften gerollt, einer grün glänzenden Sonne gleichen;<lb/>
es umſchattet uns der dunkle, majeſtätiſche Lebensbaum, und ſein präch¬<lb/>
tiger Contraſt, der helle, glänzend belaubte Kampher; die Magnolie,<lb/>
die ihre breiten Roſen hoch trägt, das ganze Gebüſch beherrſcht und<lb/>
keine Nebenbuhlerin als die Rieſenpalme hat, welche mit leichter Grazie<lb/>
ihre grünen Fächer in den Lüften ſchaukelt, der Wollbaum, bewaffnet<lb/>
mit ritterlichen Stacheln, der weithin die dicken Aeſte verbreitet und<lb/>ſeine gefingerten Blätter in bewegliche Maſſen gruppirt; weißſtämmige,<lb/>
großgeblätterte Cecropien werfen ihr phantaſtiſch durchbrochenes Gitter¬<lb/>
werk zwiſchen uns und das Himmelsblau und ein Heer von namen¬<lb/>
loſen Waldkoryphäen erdrückt uns in ſeinen bilderreichen Korallen¬<lb/>
armen. Ein Volk von buntgefiederten Papageien ſchwirrt über uns<lb/>
hin, läßt ſich ſchreiend auf Blüthengipfeln nieder und pickt in ſaftige<lb/>
Granaten. Durch undurchdringliche, tauſendfarbige Schmarotzerpflanzen,<lb/>
Convolven und andere Waldparaſiten ziehen ſich Schnüre blattloſer<lb/>
milchiger Lianen, die mit ſpiralförmigen Stengeln bald von ſtolz¬<lb/>
wogenden Gipfeln fallen, bald freiſchwebende Guirlanden bilden, welche<lb/>
von unſichtbaren Feenhänden getragen ſcheinen. Die Buffi's des ſüd¬<lb/>
lichen Thiertheaters, die Affen, ſpringen humoriſtiſch von Zweig zu<lb/>
Zweig, ſchüchtern flieht die Gazelle in tieferes Gebüſch, ſchmelzend er¬<lb/>
hebt die Nachtigal aus traumhaftem Walddunkel ihre Liebesklagen,<lb/>
während die hellen Töne der Cicaden durch ihre Monotonie die Seele<lb/>
in ſüße Melancholie verſenken. Myriaden glänzender Käfer durch¬<lb/>ſchwirren die Luft und blicken gleich Edelſteinen aus herrlichen Blumen.<lb/>
Unſchädliche Schlangen wetteifern an Glanz mit den Farben des<lb/>
Regenbogens, und ſchauckeln ſich gleich Lianen von den Gipfeln der<lb/>
Bäume. Pfeilſchnell durchſchwirrt der Kolibri, der kleine Liebesgott<lb/>
der Blumen, ſein immer blühendes Serail. Von Bewegung ein Vogel,<lb/>
von Pracht und Feuer ſeiner Farben ein fliegender Smaragd oder<lb/>
Rubin, nennen wir ſeine Familien ein Potoſi in der Luft. Dieſes<lb/>
Paradies umfluthet uns Tag und Nacht mit Duftwellen, welche gleich<lb/>
Weihrauchwolken gegen den Himmel wallen, daß der kühnſte Luft¬<lb/>ſchiffer die Grenze ihres würzigen Bezirkes nicht erreichte. Die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[233/0251]
wärtiget? Kann die Phantaſie dieſen Zauber vollbringen, dann
umwölben uns die Laubdome großblättriger Bignonien und Piſang's,
hoher luftiger Caſſien, ſtolzer und mächtiger Latanen, deren Blätter,
an langen Schaften gerollt, einer grün glänzenden Sonne gleichen;
es umſchattet uns der dunkle, majeſtätiſche Lebensbaum, und ſein präch¬
tiger Contraſt, der helle, glänzend belaubte Kampher; die Magnolie,
die ihre breiten Roſen hoch trägt, das ganze Gebüſch beherrſcht und
keine Nebenbuhlerin als die Rieſenpalme hat, welche mit leichter Grazie
ihre grünen Fächer in den Lüften ſchaukelt, der Wollbaum, bewaffnet
mit ritterlichen Stacheln, der weithin die dicken Aeſte verbreitet und
ſeine gefingerten Blätter in bewegliche Maſſen gruppirt; weißſtämmige,
großgeblätterte Cecropien werfen ihr phantaſtiſch durchbrochenes Gitter¬
werk zwiſchen uns und das Himmelsblau und ein Heer von namen¬
loſen Waldkoryphäen erdrückt uns in ſeinen bilderreichen Korallen¬
armen. Ein Volk von buntgefiederten Papageien ſchwirrt über uns
hin, läßt ſich ſchreiend auf Blüthengipfeln nieder und pickt in ſaftige
Granaten. Durch undurchdringliche, tauſendfarbige Schmarotzerpflanzen,
Convolven und andere Waldparaſiten ziehen ſich Schnüre blattloſer
milchiger Lianen, die mit ſpiralförmigen Stengeln bald von ſtolz¬
wogenden Gipfeln fallen, bald freiſchwebende Guirlanden bilden, welche
von unſichtbaren Feenhänden getragen ſcheinen. Die Buffi's des ſüd¬
lichen Thiertheaters, die Affen, ſpringen humoriſtiſch von Zweig zu
Zweig, ſchüchtern flieht die Gazelle in tieferes Gebüſch, ſchmelzend er¬
hebt die Nachtigal aus traumhaftem Walddunkel ihre Liebesklagen,
während die hellen Töne der Cicaden durch ihre Monotonie die Seele
in ſüße Melancholie verſenken. Myriaden glänzender Käfer durch¬
ſchwirren die Luft und blicken gleich Edelſteinen aus herrlichen Blumen.
Unſchädliche Schlangen wetteifern an Glanz mit den Farben des
Regenbogens, und ſchauckeln ſich gleich Lianen von den Gipfeln der
Bäume. Pfeilſchnell durchſchwirrt der Kolibri, der kleine Liebesgott
der Blumen, ſein immer blühendes Serail. Von Bewegung ein Vogel,
von Pracht und Feuer ſeiner Farben ein fliegender Smaragd oder
Rubin, nennen wir ſeine Familien ein Potoſi in der Luft. Dieſes
Paradies umfluthet uns Tag und Nacht mit Duftwellen, welche gleich
Weihrauchwolken gegen den Himmel wallen, daß der kühnſte Luft¬
ſchiffer die Grenze ihres würzigen Bezirkes nicht erreichte. Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/251>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.