kleine chinesische Thuja und die königliche Magnolia vermischen nach¬ barlich ihr Aroma. Die zarte Vanilleblüthe, der süßathmende Orangen¬ hain, Auen von honigreichen Paullinien und die würzigen Blumen¬ büschel unzähliger Palmenarten unterhalten eine Ebbe und Flut von Wohlgerüchen. Wasserfälle, die sich unaufhörlich ihr eigenes Grab wühlen, contrastiren mit natürlichen Springbrunnen, die ihren Gischt fröhlich gegen Himmel spritzen und wetteifern im Aushauch erquickender Kühle. Dort schlummert ein Wiesengrund sanft in eines Stromes traulicher Umarmung. Kolokinthen kriechen vom Fuße der Tulpen¬ bäume bis zu ihren Gipfeln empor und bilden hundert Grotten, Thore und Dächer; sie ranken von Zweig zu Zweig über Bäche und Flüsse hinweg, und hängen Blumenbrücken zwischen den dichtbewachsenen Ufern auf. Mimosenbäume folgen den Windungen mäandrischer Flußränder und umsäumen sie malerisch mit Doppelcolonnaden: der Abend sinkt nieder auf sie; sie falten schlaftrunken ihre Blätter zusammen. Seine Blätter schließt in den abendrothen Flußwellen der Lotos, die heilige Blume, die das Leben bedeutet, das keusche Mysterium der Weiblichkeit. Von den hohen Stämmen der Cedern hängt weißbärtiges Moos herab, -- der Wanderer hält es für eine Geistererscheinung in Dämmerlüften, aber das Nachtgespenst hat keine Schrecken hier; denn jeder Lebendige fühlt, dieser Boden müsse noch den abgeschiedenen Geist festhalten, wie er den genießenden Sinnenmenschen beglückt hat.
Moorfeld hatte im Flusse dieser Schilderung Cölesten ununter¬ brochen ins Auge gesehen und ein leiser, lächelnder Zug sagte das Uebrige. Das Mädchen errieth bald, daß Moorfeld aus diesem Auge heraus und nicht aus einer Reiseerinnerung dichtete, daß sie selbst das Motiv dieser Arabesken, daß sie selbst Cuba sei.
Gleichzeitig hatte Moorfeld einige jener bedeutungsvollen vorschrei¬ tenden Bewegungen versucht, aus welchen Cöleste erkannte, daß der Fremde mit der "Cour des Winkels" bekannt sei. Sie gab unver¬ merkt diesen Bewegungen nach.
Das Alles war stummes Spiel. Das Mädchen erwiederte die Beschreibung von Cuba aber auch mit einigen Dankesworten. Die Dandies on short allowance gebärdeten sich dabei wie Vergiftete. Einer derselben (er mochte den Gedanken irgendwo gelesen haben) antwortete ohne Weiteres: Pah, was mach' ich mir aus den Tropen!
kleine chineſiſche Thuja und die königliche Magnolia vermiſchen nach¬ barlich ihr Aroma. Die zarte Vanilleblüthe, der ſüßathmende Orangen¬ hain, Auen von honigreichen Paullinien und die würzigen Blumen¬ büſchel unzähliger Palmenarten unterhalten eine Ebbe und Flut von Wohlgerüchen. Waſſerfälle, die ſich unaufhörlich ihr eigenes Grab wühlen, contraſtiren mit natürlichen Springbrunnen, die ihren Giſcht fröhlich gegen Himmel ſpritzen und wetteifern im Aushauch erquickender Kühle. Dort ſchlummert ein Wieſengrund ſanft in eines Stromes traulicher Umarmung. Kolokinthen kriechen vom Fuße der Tulpen¬ bäume bis zu ihren Gipfeln empor und bilden hundert Grotten, Thore und Dächer; ſie ranken von Zweig zu Zweig über Bäche und Flüſſe hinweg, und hängen Blumenbrücken zwiſchen den dichtbewachſenen Ufern auf. Mimoſenbäume folgen den Windungen mäandriſcher Flußränder und umſäumen ſie maleriſch mit Doppelcolonnaden: der Abend ſinkt nieder auf ſie; ſie falten ſchlaftrunken ihre Blätter zuſammen. Seine Blätter ſchließt in den abendrothen Flußwellen der Lotos, die heilige Blume, die das Leben bedeutet, das keuſche Myſterium der Weiblichkeit. Von den hohen Stämmen der Cedern hängt weißbärtiges Moos herab, — der Wanderer hält es für eine Geiſtererſcheinung in Dämmerlüften, aber das Nachtgeſpenſt hat keine Schrecken hier; denn jeder Lebendige fühlt, dieſer Boden müſſe noch den abgeſchiedenen Geiſt feſthalten, wie er den genießenden Sinnenmenſchen beglückt hat.
Moorfeld hatte im Fluſſe dieſer Schilderung Cöleſten ununter¬ brochen ins Auge geſehen und ein leiſer, lächelnder Zug ſagte das Uebrige. Das Mädchen errieth bald, daß Moorfeld aus dieſem Auge heraus und nicht aus einer Reiſeerinnerung dichtete, daß ſie ſelbſt das Motiv dieſer Arabesken, daß ſie ſelbſt Cuba ſei.
Gleichzeitig hatte Moorfeld einige jener bedeutungsvollen vorſchrei¬ tenden Bewegungen verſucht, aus welchen Cöleſte erkannte, daß der Fremde mit der „Cour des Winkels“ bekannt ſei. Sie gab unver¬ merkt dieſen Bewegungen nach.
Das Alles war ſtummes Spiel. Das Mädchen erwiederte die Beſchreibung von Cuba aber auch mit einigen Dankesworten. Die Dandies on short allowance gebärdeten ſich dabei wie Vergiftete. Einer derſelben (er mochte den Gedanken irgendwo geleſen haben) antwortete ohne Weiteres: Pah, was mach' ich mir aus den Tropen!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0252"n="234"/>
kleine chineſiſche Thuja und die königliche Magnolia vermiſchen nach¬<lb/>
barlich ihr Aroma. Die zarte Vanilleblüthe, der ſüßathmende Orangen¬<lb/>
hain, Auen von honigreichen Paullinien und die würzigen Blumen¬<lb/>
büſchel unzähliger Palmenarten unterhalten eine Ebbe und Flut von<lb/>
Wohlgerüchen. Waſſerfälle, die ſich unaufhörlich ihr eigenes Grab<lb/>
wühlen, contraſtiren mit natürlichen Springbrunnen, die ihren Giſcht<lb/>
fröhlich gegen Himmel ſpritzen und wetteifern im Aushauch erquickender<lb/>
Kühle. Dort ſchlummert ein Wieſengrund ſanft in eines Stromes<lb/>
traulicher Umarmung. Kolokinthen kriechen vom Fuße der Tulpen¬<lb/>
bäume bis zu ihren Gipfeln empor und bilden hundert Grotten, Thore<lb/>
und Dächer; ſie ranken von Zweig zu Zweig über Bäche und Flüſſe<lb/>
hinweg, und hängen Blumenbrücken zwiſchen den dichtbewachſenen Ufern<lb/>
auf. Mimoſenbäume folgen den Windungen mäandriſcher Flußränder<lb/>
und umſäumen ſie maleriſch mit Doppelcolonnaden: der Abend ſinkt<lb/>
nieder auf ſie; ſie falten ſchlaftrunken ihre Blätter zuſammen. Seine<lb/>
Blätter ſchließt in den abendrothen Flußwellen der Lotos, die heilige<lb/>
Blume, die das Leben bedeutet, das keuſche Myſterium der Weiblichkeit.<lb/>
Von den hohen Stämmen der Cedern hängt weißbärtiges Moos<lb/>
herab, — der Wanderer hält es für eine Geiſtererſcheinung in<lb/>
Dämmerlüften, aber das Nachtgeſpenſt hat keine Schrecken hier; denn<lb/>
jeder Lebendige fühlt, dieſer Boden müſſe noch den abgeſchiedenen Geiſt<lb/>
feſthalten, wie er den genießenden Sinnenmenſchen beglückt hat.</p><lb/><p>Moorfeld hatte im Fluſſe dieſer Schilderung Cöleſten ununter¬<lb/>
brochen ins Auge geſehen und ein leiſer, lächelnder Zug ſagte das<lb/>
Uebrige. Das Mädchen errieth bald, daß Moorfeld aus dieſem Auge<lb/>
heraus und nicht aus einer Reiſeerinnerung dichtete, daß ſie ſelbſt<lb/>
das Motiv dieſer Arabesken, daß ſie ſelbſt Cuba ſei.</p><lb/><p>Gleichzeitig hatte Moorfeld einige jener bedeutungsvollen vorſchrei¬<lb/>
tenden Bewegungen verſucht, aus welchen Cöleſte erkannte, daß der<lb/>
Fremde mit der „Cour des Winkels“ bekannt ſei. Sie gab unver¬<lb/>
merkt dieſen Bewegungen nach.</p><lb/><p>Das Alles war ſtummes Spiel. Das Mädchen erwiederte die<lb/>
Beſchreibung von Cuba aber auch mit einigen Dankesworten. Die<lb/><hirendition="#aq">Dandies on short allowance</hi> gebärdeten ſich dabei wie Vergiftete.<lb/>
Einer derſelben (er mochte den Gedanken irgendwo geleſen haben)<lb/>
antwortete ohne Weiteres: Pah, was mach' ich mir aus den Tropen!<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[234/0252]
kleine chineſiſche Thuja und die königliche Magnolia vermiſchen nach¬
barlich ihr Aroma. Die zarte Vanilleblüthe, der ſüßathmende Orangen¬
hain, Auen von honigreichen Paullinien und die würzigen Blumen¬
büſchel unzähliger Palmenarten unterhalten eine Ebbe und Flut von
Wohlgerüchen. Waſſerfälle, die ſich unaufhörlich ihr eigenes Grab
wühlen, contraſtiren mit natürlichen Springbrunnen, die ihren Giſcht
fröhlich gegen Himmel ſpritzen und wetteifern im Aushauch erquickender
Kühle. Dort ſchlummert ein Wieſengrund ſanft in eines Stromes
traulicher Umarmung. Kolokinthen kriechen vom Fuße der Tulpen¬
bäume bis zu ihren Gipfeln empor und bilden hundert Grotten, Thore
und Dächer; ſie ranken von Zweig zu Zweig über Bäche und Flüſſe
hinweg, und hängen Blumenbrücken zwiſchen den dichtbewachſenen Ufern
auf. Mimoſenbäume folgen den Windungen mäandriſcher Flußränder
und umſäumen ſie maleriſch mit Doppelcolonnaden: der Abend ſinkt
nieder auf ſie; ſie falten ſchlaftrunken ihre Blätter zuſammen. Seine
Blätter ſchließt in den abendrothen Flußwellen der Lotos, die heilige
Blume, die das Leben bedeutet, das keuſche Myſterium der Weiblichkeit.
Von den hohen Stämmen der Cedern hängt weißbärtiges Moos
herab, — der Wanderer hält es für eine Geiſtererſcheinung in
Dämmerlüften, aber das Nachtgeſpenſt hat keine Schrecken hier; denn
jeder Lebendige fühlt, dieſer Boden müſſe noch den abgeſchiedenen Geiſt
feſthalten, wie er den genießenden Sinnenmenſchen beglückt hat.
Moorfeld hatte im Fluſſe dieſer Schilderung Cöleſten ununter¬
brochen ins Auge geſehen und ein leiſer, lächelnder Zug ſagte das
Uebrige. Das Mädchen errieth bald, daß Moorfeld aus dieſem Auge
heraus und nicht aus einer Reiſeerinnerung dichtete, daß ſie ſelbſt
das Motiv dieſer Arabesken, daß ſie ſelbſt Cuba ſei.
Gleichzeitig hatte Moorfeld einige jener bedeutungsvollen vorſchrei¬
tenden Bewegungen verſucht, aus welchen Cöleſte erkannte, daß der
Fremde mit der „Cour des Winkels“ bekannt ſei. Sie gab unver¬
merkt dieſen Bewegungen nach.
Das Alles war ſtummes Spiel. Das Mädchen erwiederte die
Beſchreibung von Cuba aber auch mit einigen Dankesworten. Die
Dandies on short allowance gebärdeten ſich dabei wie Vergiftete.
Einer derſelben (er mochte den Gedanken irgendwo geleſen haben)
antwortete ohne Weiteres: Pah, was mach' ich mir aus den Tropen!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/252>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.