deuten, die von dieser Leidenschaft besiegt worden ist. Das ist's, was ich seinen Grundfehler nenne. Denn die Frauen wollen Männer er¬ obert, nicht Strohhalme geknickt haben.
Howland entgegnete aufreizend: Ich finde es seltsam, Sir, welche Mühe Sie aufwenden, ein gutes Gedicht, das Sie herabsetzen wollen, nach einem Ideale zu messen, das nie existirt hat und nie existiren wird. Beispiele, Sir, Beispiele!
Endlich haben Sie Recht, rief Moorfeld lebhaft. Beispiele! Dabei allein kann uns wohl werden! Ich diene mit größtem Ver¬ gnügen. Nur die Poesie selbst kann die Poesie erklären.
Howland sah mit finsterster Miene, wie wenig Verlegenheit er seinem Rivalen bereitet, vielmehr wie glücklich er ihn gemacht zu haben schien. Moorfeld war plötzlich verwandelt, aus Ton und Haltung verschwand alle Bitterkeit der Polemik, man sah, ein Geist der Freude und Befriedigung kehrte in ihm ein, der Wohllaut einer schönen, rein¬ gestimmten Empfindung zog durch seine Seele. Mit diesem Ausdruck sprach er folgende Strophen:
Hinter dem Walde Steht ein Hüttchen Eng und nieder Mitten im Flieder.
Aus dem Fenster Lang' ich das Dach, Netz' ich den Finger Unten im Bach.
Eine Rebe Faßte das Ganze Schlangenwindig In ihrem Kranze. --
Ach, wie kam es, Daß dieser Zoll Die Welt des Mannes Bedeuten soll?
deuten, die von dieſer Leidenſchaft beſiegt worden iſt. Das iſt's, was ich ſeinen Grundfehler nenne. Denn die Frauen wollen Männer er¬ obert, nicht Strohhalme geknickt haben.
Howland entgegnete aufreizend: Ich finde es ſeltſam, Sir, welche Mühe Sie aufwenden, ein gutes Gedicht, das Sie herabſetzen wollen, nach einem Ideale zu meſſen, das nie exiſtirt hat und nie exiſtiren wird. Beiſpiele, Sir, Beiſpiele!
Endlich haben Sie Recht, rief Moorfeld lebhaft. Beiſpiele! Dabei allein kann uns wohl werden! Ich diene mit größtem Ver¬ gnügen. Nur die Poeſie ſelbſt kann die Poeſie erklären.
Howland ſah mit finſterſter Miene, wie wenig Verlegenheit er ſeinem Rivalen bereitet, vielmehr wie glücklich er ihn gemacht zu haben ſchien. Moorfeld war plötzlich verwandelt, aus Ton und Haltung verſchwand alle Bitterkeit der Polemik, man ſah, ein Geiſt der Freude und Befriedigung kehrte in ihm ein, der Wohllaut einer ſchönen, rein¬ geſtimmten Empfindung zog durch ſeine Seele. Mit dieſem Ausdruck ſprach er folgende Strophen:
Hinter dem Walde Steht ein Hüttchen Eng und nieder Mitten im Flieder.
Aus dem Fenſter Lang' ich das Dach, Netz' ich den Finger Unten im Bach.
Eine Rebe Faßte das Ganze Schlangenwindig In ihrem Kranze. —
Ach, wie kam es, Daß dieſer Zoll Die Welt des Mannes Bedeuten ſoll?
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deuten, die von dieſer Leidenſchaft beſiegt worden iſt. Das iſt's, was
ich ſeinen Grundfehler nenne. Denn die Frauen wollen Männer er¬
obert, nicht Strohhalme geknickt haben.
Howland entgegnete aufreizend: Ich finde es ſeltſam, Sir, welche
Mühe Sie aufwenden, ein gutes Gedicht, das Sie herabſetzen wollen,
nach einem Ideale zu meſſen, das nie exiſtirt hat und nie exiſtiren wird.
Beiſpiele, Sir, Beiſpiele!
Endlich haben Sie Recht, rief Moorfeld lebhaft. Beiſpiele!
Dabei allein kann uns wohl werden! Ich diene mit größtem Ver¬
gnügen. Nur die Poeſie ſelbſt kann die Poeſie erklären.
Howland ſah mit finſterſter Miene, wie wenig Verlegenheit er
ſeinem Rivalen bereitet, vielmehr wie glücklich er ihn gemacht zu haben
ſchien. Moorfeld war plötzlich verwandelt, aus Ton und Haltung
verſchwand alle Bitterkeit der Polemik, man ſah, ein Geiſt der Freude
und Befriedigung kehrte in ihm ein, der Wohllaut einer ſchönen, rein¬
geſtimmten Empfindung zog durch ſeine Seele. Mit dieſem Ausdruck
ſprach er folgende Strophen:
Hinter dem Walde
Steht ein Hüttchen
Eng und nieder
Mitten im Flieder.
Aus dem Fenſter
Lang' ich das Dach,
Netz' ich den Finger
Unten im Bach.
Eine Rebe
Faßte das Ganze
Schlangenwindig
In ihrem Kranze. —
Ach, wie kam es,
Daß dieſer Zoll
Die Welt des Mannes
Bedeuten ſoll?
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/268>, abgerufen am 22.11.2024.
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