da, sein Haupt auf die Brust gesunken, die eine Hand im Barte, die andere schlaff niederhangend, den Blick auf dem Boden. Er war auf einem Punkte angelangt, wo er verzweifelte. Nur einmal sah man ihn eine leichte Frage thun, gleichsam versuchsweise, wie über einen Gegenstand, den man aufgibt. Der Häßliche antwortete, -- der Deutsche maß ihn mit einem langen, stummen Blick, dann wendete er sich um, holte seinen Wanderstock von der Wand und schritt ohne Weiteres dem Ausgange zu. Nahe an der Thüre wurde sein Gang langsamer, noch einmal blickte er in das Auctionszimmer zurück, wie auf eine Position, die man mit schweren Opfern erkauft und schwer wie das Leben selbst verläßt, ein Seufzer unendlichen Wehs entwand sich seiner Brust, er fiel mehr hinaus als er ging.
Um Gotteswillen, was geht hier vor? rief Moorfeld, den Mann zurückhaltend.
Ein Schicksal! antwortete dieser tonlos.
Erklären Sie sich, mein Herr, ich bitte!
Es ist entschieden! Ich soll nicht leben. Auch der letzte Faden reißt. Lassen Sie mich.
Es gelang Moorfelden erst nach einigen Minuten, andere als solche und ähnliche Antworten zu erhalten, welche den Glauben an ein düstres Alles vereitelndes Fatum athmeten. Der Deutsche entzog sich mehr seiner Theilnahme, als er ihr entgegenkam; er schien eine jener wackern Naturen, welche ihre Kraft lange zusammen halten, aber gebrochen auch vollständig brechen. Diesen Verlust seiner männlichen Fassung fühlte er auch mit Scham; er strebte hinweg und nicht leicht war es, ihn fest zu halten. Selbst die deutsche Anrede, womit Moor¬ feld gleich vorweg ihn zu gewinnen gedacht, verfehlte jedes Zaubers auf ihn. Ich bin in allen Zungen betrogen worden, sagte der Un¬ glückliche. Moorfeld schleppte ihn endlich mit Gewalt in eine einsame Ecke und forderte sein Vertrauen wie die Erfüllung einer Menschen¬ pflicht.
Das Unglück muß sich erzählen, sagte der Andere, es ist wahr; jeder Weinende ist dem Concertsaal ein Andante schuldig. Wohlan, mein Herr, ich war deutscher Offizier, mein Name ist von Anhorst. Ich hatte ein Duell mit einem andern Offizier, welcher die Ehre meiner Frau beleidigt hatte, weil sie ein armes, braves Bürgermädchen war, indeß
da, ſein Haupt auf die Bruſt geſunken, die eine Hand im Barte, die andere ſchlaff niederhangend, den Blick auf dem Boden. Er war auf einem Punkte angelangt, wo er verzweifelte. Nur einmal ſah man ihn eine leichte Frage thun, gleichſam verſuchsweiſe, wie über einen Gegenſtand, den man aufgibt. Der Häßliche antwortete, — der Deutſche maß ihn mit einem langen, ſtummen Blick, dann wendete er ſich um, holte ſeinen Wanderſtock von der Wand und ſchritt ohne Weiteres dem Ausgange zu. Nahe an der Thüre wurde ſein Gang langſamer, noch einmal blickte er in das Auctionszimmer zurück, wie auf eine Poſition, die man mit ſchweren Opfern erkauft und ſchwer wie das Leben ſelbſt verläßt, ein Seufzer unendlichen Wehs entwand ſich ſeiner Bruſt, er fiel mehr hinaus als er ging.
Um Gotteswillen, was geht hier vor? rief Moorfeld, den Mann zurückhaltend.
Ein Schickſal! antwortete dieſer tonlos.
Erklären Sie ſich, mein Herr, ich bitte!
Es iſt entſchieden! Ich ſoll nicht leben. Auch der letzte Faden reißt. Laſſen Sie mich.
Es gelang Moorfelden erſt nach einigen Minuten, andere als ſolche und ähnliche Antworten zu erhalten, welche den Glauben an ein düſtres Alles vereitelndes Fatum athmeten. Der Deutſche entzog ſich mehr ſeiner Theilnahme, als er ihr entgegenkam; er ſchien eine jener wackern Naturen, welche ihre Kraft lange zuſammen halten, aber gebrochen auch vollſtändig brechen. Dieſen Verluſt ſeiner männlichen Faſſung fühlte er auch mit Scham; er ſtrebte hinweg und nicht leicht war es, ihn feſt zu halten. Selbſt die deutſche Anrede, womit Moor¬ feld gleich vorweg ihn zu gewinnen gedacht, verfehlte jedes Zaubers auf ihn. Ich bin in allen Zungen betrogen worden, ſagte der Un¬ glückliche. Moorfeld ſchleppte ihn endlich mit Gewalt in eine einſame Ecke und forderte ſein Vertrauen wie die Erfüllung einer Menſchen¬ pflicht.
Das Unglück muß ſich erzählen, ſagte der Andere, es iſt wahr; jeder Weinende iſt dem Concertſaal ein Andante ſchuldig. Wohlan, mein Herr, ich war deutſcher Offizier, mein Name iſt von Anhorſt. Ich hatte ein Duell mit einem andern Offizier, welcher die Ehre meiner Frau beleidigt hatte, weil ſie ein armes, braves Bürgermädchen war, indeß
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einem Punkte angelangt, wo er verzweifelte. Nur einmal ſah man
ihn eine leichte Frage thun, gleichſam verſuchsweiſe, wie über einen
Gegenſtand, den man aufgibt. Der Häßliche antwortete, — der
Deutſche maß ihn mit einem langen, ſtummen Blick, dann wendete er
ſich um, holte ſeinen Wanderſtock von der Wand und ſchritt ohne
Weiteres dem Ausgange zu. Nahe an der Thüre wurde ſein Gang
langſamer, noch einmal blickte er in das Auctionszimmer zurück, wie
auf eine Poſition, die man mit ſchweren Opfern erkauft und ſchwer
wie das Leben ſelbſt verläßt, ein Seufzer unendlichen Wehs entwand
ſich ſeiner Bruſt, er fiel mehr hinaus als er ging.
Um Gotteswillen, was geht hier vor? rief Moorfeld, den Mann
zurückhaltend.
Ein Schickſal! antwortete dieſer tonlos.
Erklären Sie ſich, mein Herr, ich bitte!
Es iſt entſchieden! Ich ſoll nicht leben. Auch der letzte Faden
reißt. Laſſen Sie mich.
Es gelang Moorfelden erſt nach einigen Minuten, andere als
ſolche und ähnliche Antworten zu erhalten, welche den Glauben an
ein düſtres Alles vereitelndes Fatum athmeten. Der Deutſche entzog
ſich mehr ſeiner Theilnahme, als er ihr entgegenkam; er ſchien eine
jener wackern Naturen, welche ihre Kraft lange zuſammen halten, aber
gebrochen auch vollſtändig brechen. Dieſen Verluſt ſeiner männlichen
Faſſung fühlte er auch mit Scham; er ſtrebte hinweg und nicht leicht
war es, ihn feſt zu halten. Selbſt die deutſche Anrede, womit Moor¬
feld gleich vorweg ihn zu gewinnen gedacht, verfehlte jedes Zaubers
auf ihn. Ich bin in allen Zungen betrogen worden, ſagte der Un¬
glückliche. Moorfeld ſchleppte ihn endlich mit Gewalt in eine einſame
Ecke und forderte ſein Vertrauen wie die Erfüllung einer Menſchen¬
pflicht.
Das Unglück muß ſich erzählen, ſagte der Andere, es iſt wahr;
jeder Weinende iſt dem Concertſaal ein Andante ſchuldig. Wohlan,
mein Herr, ich war deutſcher Offizier, mein Name iſt von Anhorſt. Ich
hatte ein Duell mit einem andern Offizier, welcher die Ehre meiner Frau
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/326>, abgerufen am 25.11.2024.
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