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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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anfing Sieger über die Dünste zu werden. Sie ritten durch eine
kleine Prairie, der man fast die Würde einer Boccage zusprechen
konnte; der Grund war malerisch mit Baumgruppen bestanden und
ein Bach durchschnitt ihn in mäandrigen Krümmungen. Moorfeld
lobte das Parkartige dieses Anblicks, während Anhorst ihn auf die
Pflanzendecke des Bodens aufmerksam machte, wo das Timotheusgras,
der Wiesenfuchsschwanz, der Lolch, das Schwingel- und Knäuelgras
überall hervorsteche, und den Boden wie von selbst zur schönsten Cultur¬
wiese stempele. Hierauf schloß sich der Ritt dem Laufe des Baches an.
Der Bach war ein trübes, lebloses Wasser, wenn es nicht etwa für
Belebung galt, daß Anhorst mittheilte, vor dreißig Jahren soll er von
Bibern gewimmelt haben. Sein durchweichtes Ufer war von üppigem,
aber rauhen Grase bewachsen, zwischen welchem hie und da wilder
Reis seine zierlich gefiederten Respen emporstreckte. Später umsäumte
ihn ein Gestripp von Cedern, Cypressen, Thuja's und sonstigem Sumpf¬
holz, welches bald so dicht wurde, daß es das schmale Rinnsal wild
überwucherte, ja stellenweise gänzlich zuwölbte.

Anhorst sagte bei diesem Anblicke, er sei schon oft im Begriffe ge¬
wesen, dieses Dickicht niederzubrennen, denn das Wasser habe hier
einiges Gefäll, was es unterhalb nicht mehr habe, und hier seien die
Punkte, wo sich "Improvements" anbringen ließen. Moorfeld sagte
nichts.

So ritten sie in den Urwald. Die Morgensonne stand hinter
ihnen und warf ihre langgestreckten Schatten auf die angeleuchteten
Baumstämme voraus, indeß sie die schweren Walddünste in gefiederten
Nebeln vor sich her trieb, und den Wanderern reine Luft machte. Der Gang
durch ein Waldinneres war unserm Helden kein neuer mehr, und hatte
ihn nie europäisch-waldfroh angemuthet. Auch heute that er's nicht.
Die amerikanische Waldphysiognomie hatte für Moorfeld's Auge etwas
Hohles, Starres, Gitterhaftes, da fast überall das Unterholz fehlt, also
neben dem Gewordenen das Werdende. Dasselbe Bild wiederholte sich hier.
Die ganze Vegetation schien ihm fertig wie ein Drahtgeflecht, die Idee des
freien Hineinrankens eisern ausschließend. Dabei mangelte dem Walde aber
doch auch der Ausdruck der ruhigen Größe und Erhabenheit. Die
Baumarten standen charakterlos in unendlicher Buntheit durcheinander.
Nicht nur die Zonen der Coniferen und Laubbäume vermischten sich

anfing Sieger über die Dünſte zu werden. Sie ritten durch eine
kleine Prairie, der man faſt die Würde einer Boccage zuſprechen
konnte; der Grund war maleriſch mit Baumgruppen beſtanden und
ein Bach durchſchnitt ihn in mäandrigen Krümmungen. Moorfeld
lobte das Parkartige dieſes Anblicks, während Anhorſt ihn auf die
Pflanzendecke des Bodens aufmerkſam machte, wo das Timotheusgras,
der Wieſenfuchsſchwanz, der Lolch, das Schwingel- und Knäuelgras
überall hervorſteche, und den Boden wie von ſelbſt zur ſchönſten Cultur¬
wieſe ſtempele. Hierauf ſchloß ſich der Ritt dem Laufe des Baches an.
Der Bach war ein trübes, lebloſes Waſſer, wenn es nicht etwa für
Belebung galt, daß Anhorſt mittheilte, vor dreißig Jahren ſoll er von
Bibern gewimmelt haben. Sein durchweichtes Ufer war von üppigem,
aber rauhen Graſe bewachſen, zwiſchen welchem hie und da wilder
Reis ſeine zierlich gefiederten Reſpen emporſtreckte. Später umſäumte
ihn ein Geſtripp von Cedern, Cypreſſen, Thuja's und ſonſtigem Sumpf¬
holz, welches bald ſo dicht wurde, daß es das ſchmale Rinnſal wild
überwucherte, ja ſtellenweiſe gänzlich zuwölbte.

Anhorſt ſagte bei dieſem Anblicke, er ſei ſchon oft im Begriffe ge¬
weſen, dieſes Dickicht niederzubrennen, denn das Waſſer habe hier
einiges Gefäll, was es unterhalb nicht mehr habe, und hier ſeien die
Punkte, wo ſich „Improvements“ anbringen ließen. Moorfeld ſagte
nichts.

So ritten ſie in den Urwald. Die Morgenſonne ſtand hinter
ihnen und warf ihre langgeſtreckten Schatten auf die angeleuchteten
Baumſtämme voraus, indeß ſie die ſchweren Walddünſte in gefiederten
Nebeln vor ſich her trieb, und den Wanderern reine Luft machte. Der Gang
durch ein Waldinneres war unſerm Helden kein neuer mehr, und hatte
ihn nie europäiſch-waldfroh angemuthet. Auch heute that er's nicht.
Die amerikaniſche Waldphyſiognomie hatte für Moorfeld's Auge etwas
Hohles, Starres, Gitterhaftes, da faſt überall das Unterholz fehlt, alſo
neben dem Gewordenen das Werdende. Daſſelbe Bild wiederholte ſich hier.
Die ganze Vegetation ſchien ihm fertig wie ein Drahtgeflecht, die Idee des
freien Hineinrankens eiſern ausſchließend. Dabei mangelte dem Walde aber
doch auch der Ausdruck der ruhigen Größe und Erhabenheit. Die
Baumarten ſtanden charakterlos in unendlicher Buntheit durcheinander.
Nicht nur die Zonen der Coniferen und Laubbäume vermiſchten ſich

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[320/0338] anfing Sieger über die Dünſte zu werden. Sie ritten durch eine kleine Prairie, der man faſt die Würde einer Boccage zuſprechen konnte; der Grund war maleriſch mit Baumgruppen beſtanden und ein Bach durchſchnitt ihn in mäandrigen Krümmungen. Moorfeld lobte das Parkartige dieſes Anblicks, während Anhorſt ihn auf die Pflanzendecke des Bodens aufmerkſam machte, wo das Timotheusgras, der Wieſenfuchsſchwanz, der Lolch, das Schwingel- und Knäuelgras überall hervorſteche, und den Boden wie von ſelbſt zur ſchönſten Cultur¬ wieſe ſtempele. Hierauf ſchloß ſich der Ritt dem Laufe des Baches an. Der Bach war ein trübes, lebloſes Waſſer, wenn es nicht etwa für Belebung galt, daß Anhorſt mittheilte, vor dreißig Jahren ſoll er von Bibern gewimmelt haben. Sein durchweichtes Ufer war von üppigem, aber rauhen Graſe bewachſen, zwiſchen welchem hie und da wilder Reis ſeine zierlich gefiederten Reſpen emporſtreckte. Später umſäumte ihn ein Geſtripp von Cedern, Cypreſſen, Thuja's und ſonſtigem Sumpf¬ holz, welches bald ſo dicht wurde, daß es das ſchmale Rinnſal wild überwucherte, ja ſtellenweiſe gänzlich zuwölbte. Anhorſt ſagte bei dieſem Anblicke, er ſei ſchon oft im Begriffe ge¬ weſen, dieſes Dickicht niederzubrennen, denn das Waſſer habe hier einiges Gefäll, was es unterhalb nicht mehr habe, und hier ſeien die Punkte, wo ſich „Improvements“ anbringen ließen. Moorfeld ſagte nichts. So ritten ſie in den Urwald. Die Morgenſonne ſtand hinter ihnen und warf ihre langgeſtreckten Schatten auf die angeleuchteten Baumſtämme voraus, indeß ſie die ſchweren Walddünſte in gefiederten Nebeln vor ſich her trieb, und den Wanderern reine Luft machte. Der Gang durch ein Waldinneres war unſerm Helden kein neuer mehr, und hatte ihn nie europäiſch-waldfroh angemuthet. Auch heute that er's nicht. Die amerikaniſche Waldphyſiognomie hatte für Moorfeld's Auge etwas Hohles, Starres, Gitterhaftes, da faſt überall das Unterholz fehlt, alſo neben dem Gewordenen das Werdende. Daſſelbe Bild wiederholte ſich hier. Die ganze Vegetation ſchien ihm fertig wie ein Drahtgeflecht, die Idee des freien Hineinrankens eiſern ausſchließend. Dabei mangelte dem Walde aber doch auch der Ausdruck der ruhigen Größe und Erhabenheit. Die Baumarten ſtanden charakterlos in unendlicher Buntheit durcheinander. Nicht nur die Zonen der Coniferen und Laubbäume vermiſchten ſich

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/338>, abgerufen am 22.11.2024.