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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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pflanzen halsten sich in die Höhe und bald war der ganze Waldraum
von der Wurzeltiefe bis zu der obersten Schaftspitze der Alles über¬
ragenden Wheymouthtanne vollständig und wie es schien undurchdring¬
lich ausgefüllt. Die Wanderer standen wie vor einer Mauer aus
Laubwerk. Nur einzelne Breschen dieser Mauer erlaubten ein weiteres
Vordringen; man ließ die Pferde bald hinter einander gehen, bald
trennte man sich gänzlich und schlug sich auf eigene Hand durch, in¬
dem Jeder durch Zuruf sich des Andern versicherte und hin und wieder
über die Auffindung des gangbarsten Pfades correspondirt wurde. Hier
wurde es Moorfeld zum erstenmal wohler. Gibt's Panther oder Schlangen
hier? rief er nicht ohne den Reiz des Romantischen und legte Hand an
seine Büchse. Nichts als unermeßliche Dollars gibt's, antwortete Anhorst
zurück; -- das Alles wartet nur auf's Niederprasseln; wir gehen
über den kostbarsten Alluvialboden; reines Bottom-Land!
Utilitarier! schalt Moorfeld für sich.

Nach einer zweiten englischen Meile erreichte man die Platte des
Hügels zu dem der undulirende Boden bisher emporgeführt hatte.
Moorfeld und Anhorst fanden sich kurz nach einander auf dem Plateau
ein. Sie stiegen vom Pferde und rasteten aus.

Die Stelle war schön im Sinne der Wildniß. Einsam, öd, tief¬
still, umgeben von der breiten Einförmigkeit des Waldes, welchen sie
nirgend dominirte, vielmehr fiel er allseits über sie herein und deckte
sie zu, wie ein Geheimniß.

Das Strauchwerk überwucherte die Höhe des Hügels noch so
dicht wie den Abhang, doch standen die starken schweren Stammholz¬
bäume hier etwas spärlicher. Dagegen lagen viele Stämme am Boden
umgestürzt, verwitternd, zerbröckelnd und neue Schößlinge treibend, --
Alles wüst durcheinander. Das Ganze schien die Stätte eines ver¬
jährten Windbruches.

Nach der Natur solcher Stätten, welche der Schauplatz einer zeu¬
gungsreichen Pflanzenverwitterung sind, war die Waldstelle wahrhaft
erstickt von einem prachtvollen Blumenwuchs.

Moorfeld ließ sich auf einen Baumstamm nieder und betrachtete
das Spiel eines Kolibris, der wie berauscht diese Flora durch¬
taumelte und seine zierliche Erscheinung als eine willkommene Episode
der tiefen Einsamkeit spendete. Anhorst aber musterte die Ahornbäume,

pflanzen halsten ſich in die Höhe und bald war der ganze Waldraum
von der Wurzeltiefe bis zu der oberſten Schaftſpitze der Alles über¬
ragenden Wheymouthtanne vollſtändig und wie es ſchien undurchdring¬
lich ausgefüllt. Die Wanderer ſtanden wie vor einer Mauer aus
Laubwerk. Nur einzelne Breſchen dieſer Mauer erlaubten ein weiteres
Vordringen; man ließ die Pferde bald hinter einander gehen, bald
trennte man ſich gänzlich und ſchlug ſich auf eigene Hand durch, in¬
dem Jeder durch Zuruf ſich des Andern verſicherte und hin und wieder
über die Auffindung des gangbarſten Pfades correſpondirt wurde. Hier
wurde es Moorfeld zum erſtenmal wohler. Gibt's Panther oder Schlangen
hier? rief er nicht ohne den Reiz des Romantiſchen und legte Hand an
ſeine Büchſe. Nichts als unermeßliche Dollars gibt's, antwortete Anhorſt
zurück; — das Alles wartet nur auf's Niederpraſſeln; wir gehen
über den koſtbarſten Alluvialboden; reines Bottom-Land!
Utilitarier! ſchalt Moorfeld für ſich.

Nach einer zweiten engliſchen Meile erreichte man die Platte des
Hügels zu dem der undulirende Boden bisher emporgeführt hatte.
Moorfeld und Anhorſt fanden ſich kurz nach einander auf dem Plateau
ein. Sie ſtiegen vom Pferde und raſteten aus.

Die Stelle war ſchön im Sinne der Wildniß. Einſam, öd, tief¬
ſtill, umgeben von der breiten Einförmigkeit des Waldes, welchen ſie
nirgend dominirte, vielmehr fiel er allſeits über ſie herein und deckte
ſie zu, wie ein Geheimniß.

Das Strauchwerk überwucherte die Höhe des Hügels noch ſo
dicht wie den Abhang, doch ſtanden die ſtarken ſchweren Stammholz¬
bäume hier etwas ſpärlicher. Dagegen lagen viele Stämme am Boden
umgeſtürzt, verwitternd, zerbröckelnd und neue Schößlinge treibend, —
Alles wüſt durcheinander. Das Ganze ſchien die Stätte eines ver¬
jährten Windbruches.

Nach der Natur ſolcher Stätten, welche der Schauplatz einer zeu¬
gungsreichen Pflanzenverwitterung ſind, war die Waldſtelle wahrhaft
erſtickt von einem prachtvollen Blumenwuchs.

Moorfeld ließ ſich auf einen Baumſtamm nieder und betrachtete
das Spiel eines Kolibris, der wie berauſcht dieſe Flora durch¬
taumelte und ſeine zierliche Erſcheinung als eine willkommene Epiſode
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[322/0340] pflanzen halsten ſich in die Höhe und bald war der ganze Waldraum von der Wurzeltiefe bis zu der oberſten Schaftſpitze der Alles über¬ ragenden Wheymouthtanne vollſtändig und wie es ſchien undurchdring¬ lich ausgefüllt. Die Wanderer ſtanden wie vor einer Mauer aus Laubwerk. Nur einzelne Breſchen dieſer Mauer erlaubten ein weiteres Vordringen; man ließ die Pferde bald hinter einander gehen, bald trennte man ſich gänzlich und ſchlug ſich auf eigene Hand durch, in¬ dem Jeder durch Zuruf ſich des Andern verſicherte und hin und wieder über die Auffindung des gangbarſten Pfades correſpondirt wurde. Hier wurde es Moorfeld zum erſtenmal wohler. Gibt's Panther oder Schlangen hier? rief er nicht ohne den Reiz des Romantiſchen und legte Hand an ſeine Büchſe. Nichts als unermeßliche Dollars gibt's, antwortete Anhorſt zurück; — das Alles wartet nur auf's Niederpraſſeln; wir gehen über den koſtbarſten Alluvialboden; reines Bottom-Land! Utilitarier! ſchalt Moorfeld für ſich. Nach einer zweiten engliſchen Meile erreichte man die Platte des Hügels zu dem der undulirende Boden bisher emporgeführt hatte. Moorfeld und Anhorſt fanden ſich kurz nach einander auf dem Plateau ein. Sie ſtiegen vom Pferde und raſteten aus. Die Stelle war ſchön im Sinne der Wildniß. Einſam, öd, tief¬ ſtill, umgeben von der breiten Einförmigkeit des Waldes, welchen ſie nirgend dominirte, vielmehr fiel er allſeits über ſie herein und deckte ſie zu, wie ein Geheimniß. Das Strauchwerk überwucherte die Höhe des Hügels noch ſo dicht wie den Abhang, doch ſtanden die ſtarken ſchweren Stammholz¬ bäume hier etwas ſpärlicher. Dagegen lagen viele Stämme am Boden umgeſtürzt, verwitternd, zerbröckelnd und neue Schößlinge treibend, — Alles wüſt durcheinander. Das Ganze ſchien die Stätte eines ver¬ jährten Windbruches. Nach der Natur ſolcher Stätten, welche der Schauplatz einer zeu¬ gungsreichen Pflanzenverwitterung ſind, war die Waldſtelle wahrhaft erſtickt von einem prachtvollen Blumenwuchs. Moorfeld ließ ſich auf einen Baumſtamm nieder und betrachtete das Spiel eines Kolibris, der wie berauſcht dieſe Flora durch¬ taumelte und ſeine zierliche Erſcheinung als eine willkommene Epiſode der tiefen Einſamkeit ſpendete. Anhorſt aber muſterte die Ahornbäume,

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/340>, abgerufen am 22.11.2024.