Geschichte eben nicht, aber eine Anekdote daraus, den Dirty job, der ihn zunächst hieher verschlug. Indeß, solche Sachen spielen ja täglich und stündlich.
Lassen Sie immer hören, forderte Moorfeld.
Und Anhorst erzählte, indem der Weg eine reizlose Gegend durchmaß:
Es war drüben in Pennsylvanien im Mercer County, Stadt Mercer. Dort hatte ein Mr. Baine für einen Kaufmann, ich weiß nicht mehr welche Arbeit übernommen, einen Neubau oder Anbau seines Ladens, gleichviel. Mr. Baine war aber mehrerseits beschäftigt, und übertrug die Arbeit an Herrn Rapp, unsern deutschen Tischler. Man machte einen Accord auf 38 3/8 Dollar, mit der Bedingung, daß der Bau in einer bestimmten Zeit, sachgerecht und zur gänzlichen Zu¬ friedenheit des ursprünglichen Contrahenten, des Kaufmanns, zu vollen¬ den sei. Das geschah. Unser Tischler plagte sich zwanzig Tage lang unter der heißesten Augustsonne, und stellte sein Werk her. Als er zu Ende war, forderte er von Mr. Baine seine accordmäßigen 38 3/8 Dol¬ lars. Mr. Baine beanstandet die Bezahlung, da man ja erst das Urtheil des Kaufmanns, der eben verreist sei, abzuwarten habe. Der Kaufmann kommt, und unser Rapp, der sein Geld braucht, bittet jetzt diesen darum. Der Kaufmann natürlich wendet ihm einfach den Rücken: er kenne ihn gar nicht, er habe nichts mit ihm zu thun. Der Tisch¬ ler geht wieder zu Mr. Baine. Dieser antwortet: er habe mit dem Kaufmann Rücksprache genommen, und gehört, daß die Arbeit keines¬ wegs probehaltig sei. Der Deutsche merkt jetzt, worauf es abgesehen, und nachdem er erst noch zwischen dem Kaufmann und Mr. Baine ein paar Wochen lang hin und wieder gelaufen, reicht er endlich seine Rech¬ nung klägerisch ein. Zu Ende October erhält er den Termin. Mr. Baine kam mit seinem Advocaten, der Kaufmann mit einem Comitee von "sachverständigen und unparteiischen" Zimmerleuten. Der Deutsche kam allein. Er mochte bei so klarem Rechte einen Advocaten für überflüssig halten, oder die Kosten schwer empfinden, genug, er ver¬ traute sich. Die Verhandlung beginnt. Der Advocat der Gegenpartei liest den Contract zwischen Mr. Baine und Herrn Rapp vor, hierauf wird der Kaufmann vereidigt und befragt, ob er mit dem Bau zufrie¬
Können Sie mir ſeine Geſchichte erzählen?
Geſchichte eben nicht, aber eine Anekdote daraus, den Dirty job, der ihn zunächſt hieher verſchlug. Indeß, ſolche Sachen ſpielen ja täglich und ſtündlich.
Laſſen Sie immer hören, forderte Moorfeld.
Und Anhorſt erzählte, indem der Weg eine reizloſe Gegend durchmaß:
Es war drüben in Pennſylvanien im Mercer County, Stadt Mercer. Dort hatte ein Mr. Baine für einen Kaufmann, ich weiß nicht mehr welche Arbeit übernommen, einen Neubau oder Anbau ſeines Ladens, gleichviel. Mr. Baine war aber mehrerſeits beſchäftigt, und übertrug die Arbeit an Herrn Rapp, unſern deutſchen Tiſchler. Man machte einen Accord auf 38⅜ Dollar, mit der Bedingung, daß der Bau in einer beſtimmten Zeit, ſachgerecht und zur gänzlichen Zu¬ friedenheit des urſprünglichen Contrahenten, des Kaufmanns, zu vollen¬ den ſei. Das geſchah. Unſer Tiſchler plagte ſich zwanzig Tage lang unter der heißeſten Auguſtſonne, und ſtellte ſein Werk her. Als er zu Ende war, forderte er von Mr. Baine ſeine accordmäßigen 38⅜ Dol¬ lars. Mr. Baine beanſtandet die Bezahlung, da man ja erſt das Urtheil des Kaufmanns, der eben verreist ſei, abzuwarten habe. Der Kaufmann kommt, und unſer Rapp, der ſein Geld braucht, bittet jetzt dieſen darum. Der Kaufmann natürlich wendet ihm einfach den Rücken: er kenne ihn gar nicht, er habe nichts mit ihm zu thun. Der Tiſch¬ ler geht wieder zu Mr. Baine. Dieſer antwortet: er habe mit dem Kaufmann Rückſprache genommen, und gehört, daß die Arbeit keines¬ wegs probehaltig ſei. Der Deutſche merkt jetzt, worauf es abgeſehen, und nachdem er erſt noch zwiſchen dem Kaufmann und Mr. Baine ein paar Wochen lang hin und wieder gelaufen, reicht er endlich ſeine Rech¬ nung klägeriſch ein. Zu Ende October erhält er den Termin. Mr. Baine kam mit ſeinem Advocaten, der Kaufmann mit einem Comitee von „ſachverſtändigen und unparteiiſchen“ Zimmerleuten. Der Deutſche kam allein. Er mochte bei ſo klarem Rechte einen Advocaten für überflüſſig halten, oder die Koſten ſchwer empfinden, genug, er ver¬ traute ſich. Die Verhandlung beginnt. Der Advocat der Gegenpartei liest den Contract zwiſchen Mr. Baine und Herrn Rapp vor, hierauf wird der Kaufmann vereidigt und befragt, ob er mit dem Bau zufrie¬
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Können Sie mir ſeine Geſchichte erzählen?
Geſchichte eben nicht, aber eine Anekdote daraus, den Dirty
job, der ihn zunächſt hieher verſchlug. Indeß, ſolche Sachen ſpielen
ja täglich und ſtündlich.
Laſſen Sie immer hören, forderte Moorfeld.
Und Anhorſt erzählte, indem der Weg eine reizloſe Gegend
durchmaß:
Es war drüben in Pennſylvanien im Mercer County, Stadt
Mercer. Dort hatte ein Mr. Baine für einen Kaufmann, ich weiß
nicht mehr welche Arbeit übernommen, einen Neubau oder Anbau
ſeines Ladens, gleichviel. Mr. Baine war aber mehrerſeits beſchäftigt,
und übertrug die Arbeit an Herrn Rapp, unſern deutſchen Tiſchler.
Man machte einen Accord auf 38⅜ Dollar, mit der Bedingung, daß
der Bau in einer beſtimmten Zeit, ſachgerecht und zur gänzlichen Zu¬
friedenheit des urſprünglichen Contrahenten, des Kaufmanns, zu vollen¬
den ſei. Das geſchah. Unſer Tiſchler plagte ſich zwanzig Tage lang
unter der heißeſten Auguſtſonne, und ſtellte ſein Werk her. Als er
zu Ende war, forderte er von Mr. Baine ſeine accordmäßigen 38⅜ Dol¬
lars. Mr. Baine beanſtandet die Bezahlung, da man ja erſt das
Urtheil des Kaufmanns, der eben verreist ſei, abzuwarten habe. Der
Kaufmann kommt, und unſer Rapp, der ſein Geld braucht, bittet jetzt
dieſen darum. Der Kaufmann natürlich wendet ihm einfach den Rücken:
er kenne ihn gar nicht, er habe nichts mit ihm zu thun. Der Tiſch¬
ler geht wieder zu Mr. Baine. Dieſer antwortet: er habe mit dem
Kaufmann Rückſprache genommen, und gehört, daß die Arbeit keines¬
wegs probehaltig ſei. Der Deutſche merkt jetzt, worauf es abgeſehen,
und nachdem er erſt noch zwiſchen dem Kaufmann und Mr. Baine ein
paar Wochen lang hin und wieder gelaufen, reicht er endlich ſeine Rech¬
nung klägeriſch ein. Zu Ende October erhält er den Termin. Mr. Baine
kam mit ſeinem Advocaten, der Kaufmann mit einem Comitee von
„ſachverſtändigen und unparteiiſchen“ Zimmerleuten. Der Deutſche
kam allein. Er mochte bei ſo klarem Rechte einen Advocaten für
überflüſſig halten, oder die Koſten ſchwer empfinden, genug, er ver¬
traute ſich. Die Verhandlung beginnt. Der Advocat der Gegenpartei
liest den Contract zwiſchen Mr. Baine und Herrn Rapp vor, hierauf
wird der Kaufmann vereidigt und befragt, ob er mit dem Bau zufrie¬
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/354>, abgerufen am 23.11.2024.
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