Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Mittel wußte, aus Deutschland ein letztes Tausend Thaler heraus¬
zuziehen, womit er diesen Farm hier anlegte und wenigstens Frau und
Kind redlich ernährt. Deßungeachtet! Wenn Sie den Ton hören
werden, der dort über Deutsch und Deutschland herrscht, so haben
Sie wahrlich zu würgen daran. Das Weib spricht von ihrer Natio¬
nalität als ob sie in ihrem Newyorker Schaukelstuhl alle Flotten der
Welt commandirte; die Nation ihres Mannes aber tritt sie mit Füßen.
Leider! der deutsche Michel duldet's. Es ist so weit gekommen, daß
ihn seine zwei Buben in seinem eigenen Hause old dutschman schimpfen
dürfen, und wie er nur den Mund öffnet, um von Deutschland zu er¬
zählen, so lachen sie ihm in's Gesicht. Die "Ma" ist Alles, der "Pa"
gar nichts. Mordio! Von allen dummen Streichen, die der Deutsche
in Amerika macht, ist es sicher der dummste und unverzeihlichste, eine
amerikanische Frau zu heirathen.

Anhorst wunderte sich, daß während dieser Worte auf Moorfeld's
Lippen ein -- Lächeln entstanden. Es spielte freilich ein wenig in's Diabo¬
lische, aber er hatte sich auf ein zornvolles: Rechts um! gefaßt gemacht.

Moorfeld dagegen sagte: Reiten wir hin!

Anhorst blickte ihn fragend an, erwiederte aber nichts. Er fühlte, er
kannte seinen Mann noch viel zu wenig, um sich über das, was Wider¬
spruch schien, oder nicht, ein Urtheil zu erlauben. Hatte er doch
das Seinige gethan! --

Die Wanderer trabten frisch zu und erreichten Braubacher's Farm
noch im vollen Tageslichte. Es war ein kahles Gehöft, ganz im lieb¬
losen Yankeestyl. Keine lebendige Feldhecke, kein Baum vor dem
Hause, keine Blume am Fenster, nichts, was den schönen Natursinn
eines Deutschen verrieth. Sie traten ein. Die Hütte war noch roh
genug und durfte vielleicht nur darum nicht mehr Blockhaus heißen,
well sie zwei Wohnräume enthielt. Und einer davon nannte sich
auch richtig "Parlour".

Die Ankömmlinge waren so glücklich, Mister und Mistreß zu Hause
zu treffen. Nach den ersten Begrüßungsformeln führte Anhorst, auf
einen Wink Moorfeld's, den Mister zu einer landwirthschaftlichen Um¬
schau vor das Haus und Moorfeld blieb mit der Mistreß allein. Die
Hinterwäldler-Hausfrau wiegte sich in ihrem Schaukelstuhl und --
garnirte ein Bonnet.

D. B. VIII . Der Amerika-Müde. 23

Mittel wußte, aus Deutſchland ein letztes Tauſend Thaler heraus¬
zuziehen, womit er dieſen Farm hier anlegte und wenigſtens Frau und
Kind redlich ernährt. Deßungeachtet! Wenn Sie den Ton hören
werden, der dort über Deutſch und Deutſchland herrſcht, ſo haben
Sie wahrlich zu würgen daran. Das Weib ſpricht von ihrer Natio¬
nalität als ob ſie in ihrem Newyorker Schaukelſtuhl alle Flotten der
Welt commandirte; die Nation ihres Mannes aber tritt ſie mit Füßen.
Leider! der deutſche Michel duldet's. Es iſt ſo weit gekommen, daß
ihn ſeine zwei Buben in ſeinem eigenen Hauſe old dutschman ſchimpfen
dürfen, und wie er nur den Mund öffnet, um von Deutſchland zu er¬
zählen, ſo lachen ſie ihm in's Geſicht. Die „Ma“ iſt Alles, der „Pa”
gar nichts. Mordio! Von allen dummen Streichen, die der Deutſche
in Amerika macht, iſt es ſicher der dummſte und unverzeihlichſte, eine
amerikaniſche Frau zu heirathen.

Anhorſt wunderte ſich, daß während dieſer Worte auf Moorfeld's
Lippen ein — Lächeln entſtanden. Es ſpielte freilich ein wenig in's Diabo¬
liſche, aber er hatte ſich auf ein zornvolles: Rechts um! gefaßt gemacht.

Moorfeld dagegen ſagte: Reiten wir hin!

Anhorſt blickte ihn fragend an, erwiederte aber nichts. Er fühlte, er
kannte ſeinen Mann noch viel zu wenig, um ſich über das, was Wider¬
ſpruch ſchien, oder nicht, ein Urtheil zu erlauben. Hatte er doch
das Seinige gethan! —

Die Wanderer trabten friſch zu und erreichten Braubacher's Farm
noch im vollen Tageslichte. Es war ein kahles Gehöft, ganz im lieb¬
loſen Yankeeſtyl. Keine lebendige Feldhecke, kein Baum vor dem
Hauſe, keine Blume am Fenſter, nichts, was den ſchönen Naturſinn
eines Deutſchen verrieth. Sie traten ein. Die Hütte war noch roh
genug und durfte vielleicht nur darum nicht mehr Blockhaus heißen,
well ſie zwei Wohnräume enthielt. Und einer davon nannte ſich
auch richtig „Parlour”.

Die Ankömmlinge waren ſo glücklich, Miſter und Miſtreß zu Hauſe
zu treffen. Nach den erſten Begrüßungsformeln führte Anhorſt, auf
einen Wink Moorfeld's, den Miſter zu einer landwirthſchaftlichen Um¬
ſchau vor das Haus und Moorfeld blieb mit der Miſtreß allein. Die
Hinterwäldler-Hausfrau wiegte ſich in ihrem Schaukelſtuhl und —
garnirte ein Bonnet.

D. B. VIII . Der Amerika-Müde. 23
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0359" n="341"/>
Mittel wußte, aus Deut&#x017F;chland ein letztes Tau&#x017F;end Thaler heraus¬<lb/>
zuziehen, womit er die&#x017F;en Farm hier anlegte und wenig&#x017F;tens Frau und<lb/>
Kind redlich ernährt. Deßungeachtet! Wenn Sie den Ton hören<lb/>
werden, der dort über Deut&#x017F;ch und Deut&#x017F;chland herr&#x017F;cht, &#x017F;o haben<lb/>
Sie wahrlich zu würgen daran. Das Weib &#x017F;pricht von ihrer Natio¬<lb/>
nalität als ob &#x017F;ie in ihrem Newyorker Schaukel&#x017F;tuhl alle Flotten der<lb/>
Welt commandirte; die Nation ihres Mannes aber tritt &#x017F;ie mit Füßen.<lb/>
Leider! der deut&#x017F;che Michel duldet's. Es i&#x017F;t &#x017F;o weit gekommen, daß<lb/>
ihn &#x017F;eine zwei Buben in &#x017F;einem eigenen Hau&#x017F;e <hi rendition="#aq">old dutschman</hi> &#x017F;chimpfen<lb/>
dürfen, und wie er nur den Mund öffnet, um von Deut&#x017F;chland zu er¬<lb/>
zählen, &#x017F;o lachen &#x017F;ie ihm in's Ge&#x017F;icht. Die &#x201E;Ma&#x201C; i&#x017F;t Alles, der &#x201E;Pa&#x201D;<lb/>
gar nichts. Mordio! Von allen dummen Streichen, die der Deut&#x017F;che<lb/>
in Amerika macht, i&#x017F;t es &#x017F;icher der dumm&#x017F;te und unverzeihlich&#x017F;te, eine<lb/>
amerikani&#x017F;che Frau zu heirathen.</p><lb/>
          <p>Anhor&#x017F;t wunderte &#x017F;ich, daß während die&#x017F;er Worte auf Moorfeld's<lb/>
Lippen ein &#x2014; Lächeln ent&#x017F;tanden. Es &#x017F;pielte freilich ein wenig in's Diabo¬<lb/>
li&#x017F;che, aber er hatte &#x017F;ich auf ein zornvolles: Rechts um! gefaßt gemacht.</p><lb/>
          <p>Moorfeld dagegen &#x017F;agte: Reiten wir hin!</p><lb/>
          <p>Anhor&#x017F;t blickte ihn fragend an, erwiederte aber nichts. Er fühlte, er<lb/>
kannte &#x017F;einen Mann noch viel zu wenig, um &#x017F;ich über das, was Wider¬<lb/>
&#x017F;pruch &#x017F;chien, oder nicht, ein Urtheil zu erlauben. Hatte er doch<lb/>
das Seinige gethan! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die Wanderer trabten fri&#x017F;ch zu und erreichten Braubacher's Farm<lb/>
noch im vollen Tageslichte. Es war ein kahles Gehöft, ganz im lieb¬<lb/>
lo&#x017F;en Yankee&#x017F;tyl. Keine lebendige Feldhecke, kein Baum vor dem<lb/>
Hau&#x017F;e, keine Blume am Fen&#x017F;ter, nichts, was den &#x017F;chönen Natur&#x017F;inn<lb/>
eines Deut&#x017F;chen verrieth. Sie traten ein. Die Hütte war noch roh<lb/>
genug und durfte vielleicht nur darum nicht mehr Blockhaus heißen,<lb/>
well &#x017F;ie <hi rendition="#g">zwei</hi> Wohnräume enthielt. Und einer davon nannte &#x017F;ich<lb/>
auch richtig &#x201E;Parlour&#x201D;.</p><lb/>
          <p>Die Ankömmlinge waren &#x017F;o glücklich, Mi&#x017F;ter und Mi&#x017F;treß zu Hau&#x017F;e<lb/>
zu treffen. Nach den er&#x017F;ten Begrüßungsformeln führte Anhor&#x017F;t, auf<lb/>
einen Wink Moorfeld's, den Mi&#x017F;ter zu einer landwirth&#x017F;chaftlichen Um¬<lb/>
&#x017F;chau vor das Haus und Moorfeld blieb mit der Mi&#x017F;treß allein. Die<lb/>
Hinterwäldler-Hausfrau wiegte &#x017F;ich in ihrem Schaukel&#x017F;tuhl und &#x2014;<lb/>
garnirte ein Bonnet.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">D. B. <hi rendition="#aq #b">VIII</hi> <hi rendition="#aq">.</hi> Der Amerika-Müde. 23<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0359] Mittel wußte, aus Deutſchland ein letztes Tauſend Thaler heraus¬ zuziehen, womit er dieſen Farm hier anlegte und wenigſtens Frau und Kind redlich ernährt. Deßungeachtet! Wenn Sie den Ton hören werden, der dort über Deutſch und Deutſchland herrſcht, ſo haben Sie wahrlich zu würgen daran. Das Weib ſpricht von ihrer Natio¬ nalität als ob ſie in ihrem Newyorker Schaukelſtuhl alle Flotten der Welt commandirte; die Nation ihres Mannes aber tritt ſie mit Füßen. Leider! der deutſche Michel duldet's. Es iſt ſo weit gekommen, daß ihn ſeine zwei Buben in ſeinem eigenen Hauſe old dutschman ſchimpfen dürfen, und wie er nur den Mund öffnet, um von Deutſchland zu er¬ zählen, ſo lachen ſie ihm in's Geſicht. Die „Ma“ iſt Alles, der „Pa” gar nichts. Mordio! Von allen dummen Streichen, die der Deutſche in Amerika macht, iſt es ſicher der dummſte und unverzeihlichſte, eine amerikaniſche Frau zu heirathen. Anhorſt wunderte ſich, daß während dieſer Worte auf Moorfeld's Lippen ein — Lächeln entſtanden. Es ſpielte freilich ein wenig in's Diabo¬ liſche, aber er hatte ſich auf ein zornvolles: Rechts um! gefaßt gemacht. Moorfeld dagegen ſagte: Reiten wir hin! Anhorſt blickte ihn fragend an, erwiederte aber nichts. Er fühlte, er kannte ſeinen Mann noch viel zu wenig, um ſich über das, was Wider¬ ſpruch ſchien, oder nicht, ein Urtheil zu erlauben. Hatte er doch das Seinige gethan! — Die Wanderer trabten friſch zu und erreichten Braubacher's Farm noch im vollen Tageslichte. Es war ein kahles Gehöft, ganz im lieb¬ loſen Yankeeſtyl. Keine lebendige Feldhecke, kein Baum vor dem Hauſe, keine Blume am Fenſter, nichts, was den ſchönen Naturſinn eines Deutſchen verrieth. Sie traten ein. Die Hütte war noch roh genug und durfte vielleicht nur darum nicht mehr Blockhaus heißen, well ſie zwei Wohnräume enthielt. Und einer davon nannte ſich auch richtig „Parlour”. Die Ankömmlinge waren ſo glücklich, Miſter und Miſtreß zu Hauſe zu treffen. Nach den erſten Begrüßungsformeln führte Anhorſt, auf einen Wink Moorfeld's, den Miſter zu einer landwirthſchaftlichen Um¬ ſchau vor das Haus und Moorfeld blieb mit der Miſtreß allein. Die Hinterwäldler-Hausfrau wiegte ſich in ihrem Schaukelſtuhl und — garnirte ein Bonnet. D. B. VIII . Der Amerika-Müde. 23

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/359
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/359>, abgerufen am 24.11.2024.