der ganze Galanteriekram ächt war! In Wahrheit, Madame, der Graf hat an jenem Abend einen Werth von Hundert Tausend Francs verschenkt für Zwanzig Tausend Francs zu Gunsten Griechenlands und -- für den Nachruf: Der artige deutsche Cavalier! -- Wir wollen nun sehen, schloß Moorfeld aufstehend, wo wir in Amerika die Stelle finden, dies Treiben des lustigen alten Europa möglichst original¬ getreu fortzusetzen. Aber, bitte, Madame, verrathen Sie mich nicht. Wir möchten den Cynismus der Land-Jobberei nicht vor der Zeit aufregen, und dann -- kommt ja Alles noch, wie gesagt, auf mein und meiner Collegen Referat an.
In diesem Augenblicke kam Mr. Braubacher mit Anhorst zurück, hinter ihnen zwei schmalleibige Knaben mit matten Augen und bleichen Gesichtern, verzärtelte Newyorker-Sprößlinge. Einer derselben pflanzte sich sogleich vor Moorfeld hin und rief: Ma, ist das auch ein Dutch¬ man? Aber die Ma klapste mit eigener feiner Hand den Frager auf den Mund und zürnte sehr ernsthaft: Unartiger! Wie oft habe ich dir gesagt: German heißt ein Deutscher, nicht Dutchman! Dann wandte sie sich mit einem verzerrten Lächeln zu Moorfeld: Entschuldigung, Sir! deutsch -- dutch -- es liegt den Kindern so im Munde. -- Hat nichts zu sagen, Madame; ich werde es an meiner Bemühung nicht fehlen lassen, den lieben Kleinen einen regelmäßigen deutschen Sprach¬ unterricht zu verschaffen. -- O, ich wäre unendlich dankbar, Sir, grinste Lady Morgan übersüß. Die Kinder aber staunten ihre Ma, Mister Brubaker seine Mistreß, Anhorst seinen Moorfeld an, und Moorfeld griff mit einer cavaliermäßigen tour de main nach seinem Hut, und empfahl sich nach allen Seiten im herzlichsten Einverständniß.
Unser Paar hatte den Farm lange hinter sich, als Anhorst endlich eine Art versteinertes Schweigen brach:
Darf ich mir erlauben, Sir, Ihrer -- wickedness meine ganze Huldigung darzubringen?
Bitte! Ich habe der Gans bloß ein wenig Vogeldunst gestreut, antwortete Moorfeld. Er erzählte seinen Einfall. Sie hat nun ein Jahr lang Besserungsfrist, sagte er, und kommt der Reichsgraf nicht, so kommt vielleicht doch die Karbatsche. Ihren Mann will ich inzwischen auch noch ein wenig abrichten.
der ganze Galanteriekram ächt war! In Wahrheit, Madame, der Graf hat an jenem Abend einen Werth von Hundert Tauſend Francs verſchenkt für Zwanzig Tauſend Francs zu Gunſten Griechenlands und — für den Nachruf: Der artige deutſche Cavalier! — Wir wollen nun ſehen, ſchloß Moorfeld aufſtehend, wo wir in Amerika die Stelle finden, dies Treiben des luſtigen alten Europa möglichſt original¬ getreu fortzuſetzen. Aber, bitte, Madame, verrathen Sie mich nicht. Wir möchten den Cynismus der Land-Jobberei nicht vor der Zeit aufregen, und dann — kommt ja Alles noch, wie geſagt, auf mein und meiner Collegen Referat an.
In dieſem Augenblicke kam Mr. Braubacher mit Anhorſt zurück, hinter ihnen zwei ſchmalleibige Knaben mit matten Augen und bleichen Geſichtern, verzärtelte Newyorker-Sprößlinge. Einer derſelben pflanzte ſich ſogleich vor Moorfeld hin und rief: Ma, iſt das auch ein Dutch¬ man? Aber die Ma klapſte mit eigener feiner Hand den Frager auf den Mund und zürnte ſehr ernſthaft: Unartiger! Wie oft habe ich dir geſagt: German heißt ein Deutſcher, nicht Dutchman! Dann wandte ſie ſich mit einem verzerrten Lächeln zu Moorfeld: Entſchuldigung, Sir! deutſch — dutch — es liegt den Kindern ſo im Munde. — Hat nichts zu ſagen, Madame; ich werde es an meiner Bemühung nicht fehlen laſſen, den lieben Kleinen einen regelmäßigen deutſchen Sprach¬ unterricht zu verſchaffen. — O, ich wäre unendlich dankbar, Sir, grinste Lady Morgan überſüß. Die Kinder aber ſtaunten ihre Ma, Miſter Brubaker ſeine Miſtreß, Anhorſt ſeinen Moorfeld an, und Moorfeld griff mit einer cavaliermäßigen tour de main nach ſeinem Hut, und empfahl ſich nach allen Seiten im herzlichſten Einverſtändniß.
Unſer Paar hatte den Farm lange hinter ſich, als Anhorſt endlich eine Art verſteinertes Schweigen brach:
Darf ich mir erlauben, Sir, Ihrer — wickedness meine ganze Huldigung darzubringen?
Bitte! Ich habe der Gans bloß ein wenig Vogeldunſt geſtreut, antwortete Moorfeld. Er erzählte ſeinen Einfall. Sie hat nun ein Jahr lang Beſſerungsfriſt, ſagte er, und kommt der Reichsgraf nicht, ſo kommt vielleicht doch die Karbatſche. Ihren Mann will ich inzwiſchen auch noch ein wenig abrichten.
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— für den Nachruf: Der artige deutſche Cavalier! — Wir wollen
nun ſehen, ſchloß Moorfeld aufſtehend, wo wir in Amerika die Stelle
finden, dies Treiben des luſtigen alten Europa möglichſt original¬
getreu fortzuſetzen. Aber, bitte, Madame, verrathen Sie mich nicht.
Wir möchten den Cynismus der Land-Jobberei nicht vor der Zeit
aufregen, und dann — kommt ja Alles noch, wie geſagt, auf mein
und meiner Collegen Referat an.
In dieſem Augenblicke kam Mr. Braubacher mit Anhorſt zurück,
hinter ihnen zwei ſchmalleibige Knaben mit matten Augen und bleichen
Geſichtern, verzärtelte Newyorker-Sprößlinge. Einer derſelben pflanzte
ſich ſogleich vor Moorfeld hin und rief: Ma, iſt das auch ein Dutch¬
man? Aber die Ma klapſte mit eigener feiner Hand den Frager auf
den Mund und zürnte ſehr ernſthaft: Unartiger! Wie oft habe ich
dir geſagt: German heißt ein Deutſcher, nicht Dutchman! Dann wandte
ſie ſich mit einem verzerrten Lächeln zu Moorfeld: Entſchuldigung,
Sir! deutſch — dutch — es liegt den Kindern ſo im Munde. —
Hat nichts zu ſagen, Madame; ich werde es an meiner Bemühung nicht
fehlen laſſen, den lieben Kleinen einen regelmäßigen deutſchen Sprach¬
unterricht zu verſchaffen. — O, ich wäre unendlich dankbar, Sir,
grinste Lady Morgan überſüß. Die Kinder aber ſtaunten ihre Ma,
Miſter Brubaker ſeine Miſtreß, Anhorſt ſeinen Moorfeld an, und
Moorfeld griff mit einer cavaliermäßigen tour de main nach ſeinem
Hut, und empfahl ſich nach allen Seiten im herzlichſten Einverſtändniß.
Unſer Paar hatte den Farm lange hinter ſich, als Anhorſt endlich
eine Art verſteinertes Schweigen brach:
Darf ich mir erlauben, Sir, Ihrer — wickedness meine ganze
Huldigung darzubringen?
Bitte! Ich habe der Gans bloß ein wenig Vogeldunſt geſtreut,
antwortete Moorfeld. Er erzählte ſeinen Einfall. Sie hat nun
ein Jahr lang Beſſerungsfriſt, ſagte er, und kommt der Reichsgraf
nicht, ſo kommt vielleicht doch die Karbatſche. Ihren Mann will ich
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/364>, abgerufen am 24.11.2024.
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