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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Willens. Nicht mit Ihnen habe ich es zu thun. Ich fahre fort, Sie,
als Partei, unter aller Schätzung zu betrachten. Ich frage Sie viel¬
mehr, mein Herr, -- wandte sich Moorfeld an den Friedensrichter --
ob Sie als Ortspolizei verpflichtet sind, mir jetzt mein Haus aufzu¬
schließen, und als Untergericht meine Klage gegen diesen Verbrecher
zur geeigneten Weiterbeförderung entgegen zu nehmen?

Das Letztere ohne Zweifel, antwortete Mr. Cartwright nach einer
Pause, aber eine eigenmächtige Restitution, wie Sie von mir fordern,
Sir -- er vertauschte doch nachgerade das Mister mit Sir --, ich könnte
nicht sagen, -- ich weiß nicht, Sir -- die Sache hat eben den Pro¬
zeßweg zu gehen.

Das versteht sich von selbst; nur daß ich nicht gesonnen bin, den
Prozeß unter freiem Himmel abzuwarten.

Der Friedensrichter zuckte die Achseln.

Moorfeld warf einen erstaunten Blick auf Mr. Gull. Aber auch
dieser Beamte sah ernster, als es Moorfeld begreifen konnte.

Sie nehmen die Sache in der That leichter -- erlauben Sie die
Bemerkung -- als sie uns Andern erscheinen will.

Mein Herr! rief Moorfeld groß, soll ich denn zweifeln müssen,
daß in diesem Lande die Anfänge und Ausgangspunkte aller mensch¬
lichen Gesittung fehlen? Hier mein Kaufbrief, dort Ihr Grundbuch --
Sie erkennen mich als Eigenthümer und mein Eigenthum soll mir
verschlossen bleiben?

Ach, mein Herr, ein Kaufbrief hat hier Landes weniger zu be¬
deuten, als irgendwo zwischen den Polen. Und Sie sehen wohl, was
Mr. Wogan Ihnen an Rechtstiteln entgegensetzt. A dirty job! in
Wahrheit; aber ist nur ein Zehntel davon "gesund" -- es thut mir
wirklich leid, Sir! aber ich weiß nicht, was dann das Schicksal Ihres
Eigenthums sein wird. Sie hätten wahrscheinlich auf eigenes Risiko
gekauft.

Von einer Behörde?

Von einer Behörde, Sir. Was kümmern sich unsre Behörden um
Rechtstiteln? Sie überliefern, wie sie überkommen. Bei uns gilt der
Grundsatz: Caveat emtor! *)

*) Käufer, nimm dich in Acht!
29 *

Willens. Nicht mit Ihnen habe ich es zu thun. Ich fahre fort, Sie,
als Partei, unter aller Schätzung zu betrachten. Ich frage Sie viel¬
mehr, mein Herr, — wandte ſich Moorfeld an den Friedensrichter —
ob Sie als Ortspolizei verpflichtet ſind, mir jetzt mein Haus aufzu¬
ſchließen, und als Untergericht meine Klage gegen dieſen Verbrecher
zur geeigneten Weiterbeförderung entgegen zu nehmen?

Das Letztere ohne Zweifel, antwortete Mr. Cartwright nach einer
Pauſe, aber eine eigenmächtige Reſtitution, wie Sie von mir fordern,
Sir — er vertauſchte doch nachgerade das Miſter mit Sir —, ich könnte
nicht ſagen, — ich weiß nicht, Sir — die Sache hat eben den Pro¬
zeßweg zu gehen.

Das verſteht ſich von ſelbſt; nur daß ich nicht geſonnen bin, den
Prozeß unter freiem Himmel abzuwarten.

Der Friedensrichter zuckte die Achſeln.

Moorfeld warf einen erſtaunten Blick auf Mr. Gull. Aber auch
dieſer Beamte ſah ernſter, als es Moorfeld begreifen konnte.

Sie nehmen die Sache in der That leichter — erlauben Sie die
Bemerkung — als ſie uns Andern erſcheinen will.

Mein Herr! rief Moorfeld groß, ſoll ich denn zweifeln müſſen,
daß in dieſem Lande die Anfänge und Ausgangspunkte aller menſch¬
lichen Geſittung fehlen? Hier mein Kaufbrief, dort Ihr Grundbuch —
Sie erkennen mich als Eigenthümer und mein Eigenthum ſoll mir
verſchloſſen bleiben?

Ach, mein Herr, ein Kaufbrief hat hier Landes weniger zu be¬
deuten, als irgendwo zwiſchen den Polen. Und Sie ſehen wohl, was
Mr. Wogan Ihnen an Rechtstiteln entgegenſetzt. A dirty job! in
Wahrheit; aber iſt nur ein Zehntel davon „geſund“ — es thut mir
wirklich leid, Sir! aber ich weiß nicht, was dann das Schickſal Ihres
Eigenthums ſein wird. Sie hätten wahrſcheinlich auf eigenes Riſiko
gekauft.

Von einer Behörde?

Von einer Behörde, Sir. Was kümmern ſich unſre Behörden um
Rechtstiteln? Sie überliefern, wie ſie überkommen. Bei uns gilt der
Grundſatz: Caveat emtor! *)

*) Käufer, nimm dich in Acht!
29 *
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[439/0457] Willens. Nicht mit Ihnen habe ich es zu thun. Ich fahre fort, Sie, als Partei, unter aller Schätzung zu betrachten. Ich frage Sie viel¬ mehr, mein Herr, — wandte ſich Moorfeld an den Friedensrichter — ob Sie als Ortspolizei verpflichtet ſind, mir jetzt mein Haus aufzu¬ ſchließen, und als Untergericht meine Klage gegen dieſen Verbrecher zur geeigneten Weiterbeförderung entgegen zu nehmen? Das Letztere ohne Zweifel, antwortete Mr. Cartwright nach einer Pauſe, aber eine eigenmächtige Reſtitution, wie Sie von mir fordern, Sir — er vertauſchte doch nachgerade das Miſter mit Sir —, ich könnte nicht ſagen, — ich weiß nicht, Sir — die Sache hat eben den Pro¬ zeßweg zu gehen. Das verſteht ſich von ſelbſt; nur daß ich nicht geſonnen bin, den Prozeß unter freiem Himmel abzuwarten. Der Friedensrichter zuckte die Achſeln. Moorfeld warf einen erſtaunten Blick auf Mr. Gull. Aber auch dieſer Beamte ſah ernſter, als es Moorfeld begreifen konnte. Sie nehmen die Sache in der That leichter — erlauben Sie die Bemerkung — als ſie uns Andern erſcheinen will. Mein Herr! rief Moorfeld groß, ſoll ich denn zweifeln müſſen, daß in dieſem Lande die Anfänge und Ausgangspunkte aller menſch¬ lichen Geſittung fehlen? Hier mein Kaufbrief, dort Ihr Grundbuch — Sie erkennen mich als Eigenthümer und mein Eigenthum ſoll mir verſchloſſen bleiben? Ach, mein Herr, ein Kaufbrief hat hier Landes weniger zu be¬ deuten, als irgendwo zwiſchen den Polen. Und Sie ſehen wohl, was Mr. Wogan Ihnen an Rechtstiteln entgegenſetzt. A dirty job! in Wahrheit; aber iſt nur ein Zehntel davon „geſund“ — es thut mir wirklich leid, Sir! aber ich weiß nicht, was dann das Schickſal Ihres Eigenthums ſein wird. Sie hätten wahrſcheinlich auf eigenes Riſiko gekauft. Von einer Behörde? Von einer Behörde, Sir. Was kümmern ſich unſre Behörden um Rechtstiteln? Sie überliefern, wie ſie überkommen. Bei uns gilt der Grundſatz: Caveat emtor! *) *) Käufer, nimm dich in Acht! 29 *

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/457>, abgerufen am 22.11.2024.