zu putzen. Er beschäftigte sich anscheinend sehr harmlos damit. Die Loafers blickten einander an, nickten sich zu, dann standen sie auf und gingen sittsam zur Thür hinaus.
Der deutsche Kaiser fühlte sich sehr glücklich über die abgewendete Gefahr. Er liebkoste Moorfeld's Pistolen fast wie lebendige Wesen. Bronele dagegen erzählte ihm: Diese "Herrenbuben" seien nun schon zum drittenmal da, und es wäre schändlich! Das hätte sie in Deutschland wissen sollen! Vorige Woche wäre die Geschichte passirt, da ging ein Mädchen, dem man von eheher eine üble Aufführung nachredet, über den Bowery. Einer ihrer vorigen Bekannten begegnete ihr und wurde dreist. Das Mädchen aber war längst wieder auf guten Wegen, hatte ein ehrliches Verhältniß mit einem deutschen Maurer, der sie heirathen wollte, dann sollt's nach Cincinnati gehen, weit weg von Newyork, wo auch gute Arbeit auf die Maurerei ist. Das Mädchen erwehrte sich darum ihres Verfolgers, und da Alles nichts helfen wollte, flüchtete sie in einen deutschen Bierkeller auf den Bowery. Der Strolch verfolgte sie auch in den Keller, bekam Streit mit den Deutschen und erstach Einen. Das sei aber noch nicht Alles. Jetzt komm's erst. Die Amerikaner -- man könnte sich's nicht einbilden! -- schrien Zeter über den deutschen Wirth, weil er die Frechheit gehabt, den Mörder verhaften zu lassen! Und da wäre ein Gesindel beisammen, es nenne sich Feuer¬ löschcompagnie und der Mörder sei ihr sauberer Hauptmann. Diese Compagnie habe es durch spitzbübische Advocaten dahin gebracht, daß derselbige Hauptmann auf Caution wieder herauskommen könnte. Sie hätten Geld genug, die nichtsnutzigen Buben, aber zu Schimpf und Schand unsers Volks wollten sie die Caution von den deutschen Wirthen zu¬ sammenbringen. Die sollten Buße thun. Sie strichen jetzt durch ganz Newyork und legten jedem Wirth eine Steuer auf. Der Vater sollte zehn Dollars zahlen. Aber sie wolle Fußschläge haben, wenn er nur einen Cent gebe. Sie dulde den Unfug nicht. Sie gebe nichts.
Die anwesenden Gäste waren mehr oder weniger vertraut mit die¬ ser Tagsbegebenheit und tauschten ihrerseits aus, was sie von neueren Gerüchten und Stadtgesprächen darüber wußten. Das Gastzimmer ge¬ rieth in eine lebhafte Unterhaltung. Moorfeld verzichtete unter diesen
D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 30
zu putzen. Er beſchäftigte ſich anſcheinend ſehr harmlos damit. Die Loafers blickten einander an, nickten ſich zu, dann ſtanden ſie auf und gingen ſittſam zur Thür hinaus.
Der deutſche Kaiſer fühlte ſich ſehr glücklich über die abgewendete Gefahr. Er liebkoste Moorfeld's Piſtolen faſt wie lebendige Weſen. Bronele dagegen erzählte ihm: Dieſe „Herrenbuben“ ſeien nun ſchon zum drittenmal da, und es wäre ſchändlich! Das hätte ſie in Deutſchland wiſſen ſollen! Vorige Woche wäre die Geſchichte paſſirt, da ging ein Mädchen, dem man von eheher eine üble Aufführung nachredet, über den Bowery. Einer ihrer vorigen Bekannten begegnete ihr und wurde dreiſt. Das Mädchen aber war längſt wieder auf guten Wegen, hatte ein ehrliches Verhältniß mit einem deutſchen Maurer, der ſie heirathen wollte, dann ſollt's nach Cincinnati gehen, weit weg von Newyork, wo auch gute Arbeit auf die Maurerei iſt. Das Mädchen erwehrte ſich darum ihres Verfolgers, und da Alles nichts helfen wollte, flüchtete ſie in einen deutſchen Bierkeller auf den Bowery. Der Strolch verfolgte ſie auch in den Keller, bekam Streit mit den Deutſchen und erſtach Einen. Das ſei aber noch nicht Alles. Jetzt komm's erſt. Die Amerikaner — man könnte ſich's nicht einbilden! — ſchrien Zeter über den deutſchen Wirth, weil er die Frechheit gehabt, den Mörder verhaften zu laſſen! Und da wäre ein Geſindel beiſammen, es nenne ſich Feuer¬ löſchcompagnie und der Mörder ſei ihr ſauberer Hauptmann. Dieſe Compagnie habe es durch ſpitzbübiſche Advocaten dahin gebracht, daß derſelbige Hauptmann auf Caution wieder herauskommen könnte. Sie hätten Geld genug, die nichtsnutzigen Buben, aber zu Schimpf und Schand unſers Volks wollten ſie die Caution von den deutſchen Wirthen zu¬ ſammenbringen. Die ſollten Buße thun. Sie ſtrichen jetzt durch ganz Newyork und legten jedem Wirth eine Steuer auf. Der Vater ſollte zehn Dollars zahlen. Aber ſie wolle Fußſchläge haben, wenn er nur einen Cent gebe. Sie dulde den Unfug nicht. Sie gebe nichts.
Die anweſenden Gäſte waren mehr oder weniger vertraut mit die¬ ſer Tagsbegebenheit und tauſchten ihrerſeits aus, was ſie von neueren Gerüchten und Stadtgeſprächen darüber wußten. Das Gaſtzimmer ge¬ rieth in eine lebhafte Unterhaltung. Moorfeld verzichtete unter dieſen
D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 30
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0471"n="453"/>
zu putzen. Er beſchäftigte ſich anſcheinend ſehr harmlos damit. Die<lb/>
Loafers blickten einander an, nickten ſich zu, dann ſtanden ſie auf und<lb/>
gingen ſittſam zur Thür hinaus.</p><lb/><p>Der deutſche Kaiſer fühlte ſich ſehr glücklich über die abgewendete<lb/>
Gefahr. Er liebkoste Moorfeld's Piſtolen faſt wie lebendige Weſen.<lb/>
Bronele dagegen erzählte ihm: Dieſe „Herrenbuben“ſeien nun ſchon zum<lb/>
drittenmal da, und es wäre ſchändlich! Das hätte ſie in Deutſchland wiſſen<lb/>ſollen! Vorige Woche wäre die Geſchichte paſſirt, da ging ein Mädchen,<lb/>
dem man von eheher eine üble Aufführung nachredet, über den Bowery.<lb/>
Einer ihrer vorigen Bekannten begegnete ihr und wurde dreiſt. Das<lb/>
Mädchen aber war längſt wieder auf guten Wegen, hatte ein ehrliches<lb/>
Verhältniß mit einem deutſchen Maurer, der ſie heirathen wollte, dann<lb/>ſollt's nach Cincinnati gehen, weit weg von Newyork, wo auch gute<lb/>
Arbeit auf die Maurerei iſt. Das Mädchen erwehrte ſich darum ihres<lb/>
Verfolgers, und da Alles nichts helfen wollte, flüchtete ſie in einen<lb/>
deutſchen Bierkeller auf den Bowery. Der Strolch verfolgte ſie auch<lb/>
in den Keller, bekam Streit mit den Deutſchen und erſtach Einen. Das<lb/>ſei aber noch nicht Alles. Jetzt komm's erſt. Die Amerikaner —<lb/>
man könnte ſich's nicht einbilden! —ſchrien Zeter über den deutſchen<lb/>
Wirth, weil er die <hirendition="#g">Frechheit gehabt</hi>, den Mörder verhaften zu<lb/>
laſſen! Und da wäre ein Geſindel beiſammen, es nenne ſich Feuer¬<lb/>
löſchcompagnie und der Mörder ſei ihr ſauberer Hauptmann. Dieſe<lb/>
Compagnie habe es durch ſpitzbübiſche Advocaten dahin gebracht, daß<lb/>
derſelbige Hauptmann auf Caution wieder herauskommen könnte. Sie<lb/>
hätten Geld genug, die nichtsnutzigen Buben, aber zu Schimpf und Schand<lb/>
unſers Volks wollten ſie die Caution von den deutſchen Wirthen zu¬<lb/>ſammenbringen. Die ſollten Buße thun. Sie ſtrichen jetzt durch<lb/>
ganz Newyork und legten jedem Wirth eine Steuer auf. Der Vater<lb/>ſollte zehn Dollars zahlen. Aber ſie wolle Fußſchläge haben, wenn<lb/>
er nur einen Cent gebe. Sie dulde den Unfug nicht. Sie gebe<lb/>
nichts.</p><lb/><p>Die anweſenden Gäſte waren mehr oder weniger vertraut mit die¬<lb/>ſer Tagsbegebenheit und tauſchten ihrerſeits aus, was ſie von neueren<lb/>
Gerüchten und Stadtgeſprächen darüber wußten. Das Gaſtzimmer ge¬<lb/>
rieth in eine lebhafte Unterhaltung. Moorfeld verzichtete unter dieſen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D. B. <hirendition="#aq #b">VIII</hi>. Der Amerika-Müde. 30<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[453/0471]
zu putzen. Er beſchäftigte ſich anſcheinend ſehr harmlos damit. Die
Loafers blickten einander an, nickten ſich zu, dann ſtanden ſie auf und
gingen ſittſam zur Thür hinaus.
Der deutſche Kaiſer fühlte ſich ſehr glücklich über die abgewendete
Gefahr. Er liebkoste Moorfeld's Piſtolen faſt wie lebendige Weſen.
Bronele dagegen erzählte ihm: Dieſe „Herrenbuben“ ſeien nun ſchon zum
drittenmal da, und es wäre ſchändlich! Das hätte ſie in Deutſchland wiſſen
ſollen! Vorige Woche wäre die Geſchichte paſſirt, da ging ein Mädchen,
dem man von eheher eine üble Aufführung nachredet, über den Bowery.
Einer ihrer vorigen Bekannten begegnete ihr und wurde dreiſt. Das
Mädchen aber war längſt wieder auf guten Wegen, hatte ein ehrliches
Verhältniß mit einem deutſchen Maurer, der ſie heirathen wollte, dann
ſollt's nach Cincinnati gehen, weit weg von Newyork, wo auch gute
Arbeit auf die Maurerei iſt. Das Mädchen erwehrte ſich darum ihres
Verfolgers, und da Alles nichts helfen wollte, flüchtete ſie in einen
deutſchen Bierkeller auf den Bowery. Der Strolch verfolgte ſie auch
in den Keller, bekam Streit mit den Deutſchen und erſtach Einen. Das
ſei aber noch nicht Alles. Jetzt komm's erſt. Die Amerikaner —
man könnte ſich's nicht einbilden! — ſchrien Zeter über den deutſchen
Wirth, weil er die Frechheit gehabt, den Mörder verhaften zu
laſſen! Und da wäre ein Geſindel beiſammen, es nenne ſich Feuer¬
löſchcompagnie und der Mörder ſei ihr ſauberer Hauptmann. Dieſe
Compagnie habe es durch ſpitzbübiſche Advocaten dahin gebracht, daß
derſelbige Hauptmann auf Caution wieder herauskommen könnte. Sie
hätten Geld genug, die nichtsnutzigen Buben, aber zu Schimpf und Schand
unſers Volks wollten ſie die Caution von den deutſchen Wirthen zu¬
ſammenbringen. Die ſollten Buße thun. Sie ſtrichen jetzt durch
ganz Newyork und legten jedem Wirth eine Steuer auf. Der Vater
ſollte zehn Dollars zahlen. Aber ſie wolle Fußſchläge haben, wenn
er nur einen Cent gebe. Sie dulde den Unfug nicht. Sie gebe
nichts.
Die anweſenden Gäſte waren mehr oder weniger vertraut mit die¬
ſer Tagsbegebenheit und tauſchten ihrerſeits aus, was ſie von neueren
Gerüchten und Stadtgeſprächen darüber wußten. Das Gaſtzimmer ge¬
rieth in eine lebhafte Unterhaltung. Moorfeld verzichtete unter dieſen
D. B. VIII. Der Amerika-Müde. 30
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/471>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.