Soll ich die Seele solch eines zweilebigen Körpers sein, wie es den Schein hat, so wären sechstausend Dollars ein wahres Almosen für diese Stellung. Ich würde in diesem Falle eine Tantieme an dem Geschäfte selbst be¬ anspruchen. Herr Staunton traute seinen Ohren nicht. Er hatte den schlichten, blonden Deutschen so geschickt überrascht, wie er meinte, und nun mußte er diese Geistesgegenwart finden! Aber der Eindruck war ein bezaubernder. Herr Staunton strahlte; er fiel mit offenen Armen über Theodor her und rief: Sie sind ein smart man! Sie sind werth ein Amerikaner zu sein! Aber nun genug, Freundchen! Lassen Sie's gut sein. Ueberlassen Sie sich mir und Sie sollen es nicht bereuen. Wir können den Baum nicht auf Einen Schlag fällen, seien Sie in¬ deß versichert: dem Genie bewilligt der Amerikaner Alles, Alles! Sie sollen nicht zu kurz kommen.
Das, fuhr Frau v. Milden fort, war der Inhalt eines Ergußes, womit Theodor sprudelnd und glühend am selben Abend uns über¬ raschte. Er riß unsere Lebensgeister mit hin, wir vernahmen wieder¬ holt das glückliche Ereigniß aus seinem Munde. Sie hören, ich behielt seine Worte, wie ich aus dem Mädchenpensionat noch manche Me¬ morienaufgabe behalten. Wir waren begeistert mit ihm.
Frau v. Milden hielt inne. Sie kämpfte einen Augenblick mit dem Schmerze, den ihr die Natur dieser Mittheilungen aufzuregen schien, bis sie mit unbewegter Stimme fortzufahren vermochte:
Seit jenem Abend aber kam Alles anders. Theodor verwandelte sich rasch, im Fluge. Die feste, männliche Bescheidenheit, womit er sonst unser Loos, wie eine Würde, ertrug, machte einer wilden, hasti¬ gen Emotionssucht Platz. Er erlaubte sich, unsern einfachen Thee mit allerlei Genüssen zu garniren, die höchstens ein Kind naschen, eine an¬ gehende Hausfrau aber nicht wirthschaften lehrten. Daneben fing er an, einzelne Abende ausfallen zu lassen, -- seine neue Clubbver¬ bindungen mit den Männern des Commerce und der Industrie zögen ihn nach außen. Wir glaubten es gerne. Erschien er dann, so trat er ein wie ein Gott, kramte glänzende Geschenke aus, und wurde empfind¬ lich, selbst verletzend, wenn sie ihm nur die Bewunderung meiner Kleinen, von Paulinen aber ein tiefsinniges Kopfschütteln, von mir eine mütterliche Ermahnung eintrugen. Allmählig fing er auch an, sein Aeußeres umzuformen. Erst verschwand sein schöner, blonder Vollbart,
Soll ich die Seele ſolch eines zweilebigen Körpers ſein, wie es den Schein hat, ſo wären ſechstauſend Dollars ein wahres Almoſen für dieſe Stellung. Ich würde in dieſem Falle eine Tantième an dem Geſchäfte ſelbſt be¬ anſpruchen. Herr Staunton traute ſeinen Ohren nicht. Er hatte den ſchlichten, blonden Deutſchen ſo geſchickt überraſcht, wie er meinte, und nun mußte er dieſe Geiſtesgegenwart finden! Aber der Eindruck war ein bezaubernder. Herr Staunton ſtrahlte; er fiel mit offenen Armen über Theodor her und rief: Sie ſind ein smart man! Sie ſind werth ein Amerikaner zu ſein! Aber nun genug, Freundchen! Laſſen Sie's gut ſein. Ueberlaſſen Sie ſich mir und Sie ſollen es nicht bereuen. Wir können den Baum nicht auf Einen Schlag fällen, ſeien Sie in¬ deß verſichert: dem Genie bewilligt der Amerikaner Alles, Alles! Sie ſollen nicht zu kurz kommen.
Das, fuhr Frau v. Milden fort, war der Inhalt eines Ergußes, womit Theodor ſprudelnd und glühend am ſelben Abend uns über¬ raſchte. Er riß unſere Lebensgeiſter mit hin, wir vernahmen wieder¬ holt das glückliche Ereigniß aus ſeinem Munde. Sie hören, ich behielt ſeine Worte, wie ich aus dem Mädchenpenſionat noch manche Me¬ morienaufgabe behalten. Wir waren begeiſtert mit ihm.
Frau v. Milden hielt inne. Sie kämpfte einen Augenblick mit dem Schmerze, den ihr die Natur dieſer Mittheilungen aufzuregen ſchien, bis ſie mit unbewegter Stimme fortzufahren vermochte:
Seit jenem Abend aber kam Alles anders. Theodor verwandelte ſich raſch, im Fluge. Die feſte, männliche Beſcheidenheit, womit er ſonſt unſer Loos, wie eine Würde, ertrug, machte einer wilden, haſti¬ gen Emotionsſucht Platz. Er erlaubte ſich, unſern einfachen Thee mit allerlei Genüſſen zu garniren, die höchſtens ein Kind naſchen, eine an¬ gehende Hausfrau aber nicht wirthſchaften lehrten. Daneben fing er an, einzelne Abende ausfallen zu laſſen, — ſeine neue Clubbver¬ bindungen mit den Männern des Commerce und der Induſtrie zögen ihn nach außen. Wir glaubten es gerne. Erſchien er dann, ſo trat er ein wie ein Gott, kramte glänzende Geſchenke aus, und wurde empfind¬ lich, ſelbſt verletzend, wenn ſie ihm nur die Bewunderung meiner Kleinen, von Paulinen aber ein tiefſinniges Kopfſchütteln, von mir eine mütterliche Ermahnung eintrugen. Allmählig fing er auch an, ſein Aeußeres umzuformen. Erſt verſchwand ſein ſchöner, blonder Vollbart,
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Soll ich die Seele ſolch eines zweilebigen Körpers ſein, wie es den Schein
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Ich würde in dieſem Falle eine Tantième an dem Geſchäfte ſelbſt be¬
anſpruchen. Herr Staunton traute ſeinen Ohren nicht. Er hatte den
ſchlichten, blonden Deutſchen ſo geſchickt überraſcht, wie er meinte, und
nun mußte er dieſe Geiſtesgegenwart finden! Aber der Eindruck war
ein bezaubernder. Herr Staunton ſtrahlte; er fiel mit offenen Armen
über Theodor her und rief: Sie ſind ein smart man! Sie ſind werth
ein Amerikaner zu ſein! Aber nun genug, Freundchen! Laſſen Sie's
gut ſein. Ueberlaſſen Sie ſich mir und Sie ſollen es nicht bereuen.
Wir können den Baum nicht auf Einen Schlag fällen, ſeien Sie in¬
deß verſichert: dem Genie bewilligt der Amerikaner Alles,
Alles! Sie ſollen nicht zu kurz kommen.
Das, fuhr Frau v. Milden fort, war der Inhalt eines Ergußes,
womit Theodor ſprudelnd und glühend am ſelben Abend uns über¬
raſchte. Er riß unſere Lebensgeiſter mit hin, wir vernahmen wieder¬
holt das glückliche Ereigniß aus ſeinem Munde. Sie hören, ich behielt
ſeine Worte, wie ich aus dem Mädchenpenſionat noch manche Me¬
morienaufgabe behalten. Wir waren begeiſtert mit ihm.
Frau v. Milden hielt inne. Sie kämpfte einen Augenblick mit
dem Schmerze, den ihr die Natur dieſer Mittheilungen aufzuregen ſchien,
bis ſie mit unbewegter Stimme fortzufahren vermochte:
Seit jenem Abend aber kam Alles anders. Theodor verwandelte
ſich raſch, im Fluge. Die feſte, männliche Beſcheidenheit, womit er
ſonſt unſer Loos, wie eine Würde, ertrug, machte einer wilden, haſti¬
gen Emotionsſucht Platz. Er erlaubte ſich, unſern einfachen Thee mit
allerlei Genüſſen zu garniren, die höchſtens ein Kind naſchen, eine an¬
gehende Hausfrau aber nicht wirthſchaften lehrten. Daneben fing
er an, einzelne Abende ausfallen zu laſſen, — ſeine neue Clubbver¬
bindungen mit den Männern des Commerce und der Induſtrie zögen ihn
nach außen. Wir glaubten es gerne. Erſchien er dann, ſo trat er
ein wie ein Gott, kramte glänzende Geſchenke aus, und wurde empfind¬
lich, ſelbſt verletzend, wenn ſie ihm nur die Bewunderung meiner
Kleinen, von Paulinen aber ein tiefſinniges Kopfſchütteln, von mir
eine mütterliche Ermahnung eintrugen. Allmählig fing er auch an, ſein
Aeußeres umzuformen. Erſt verſchwand ſein ſchöner, blonder Vollbart,
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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/481>, abgerufen am 22.11.2024.
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