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Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

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Unter diesen Beobachtungen gelangte er an den Ort des Brandes.
Aus der Tiefe der Straße, in deren Mitte seine Schritte unter dem Ge¬
dränge der Menschen kurz und kürzer wurden, flackerte eine lichterlohe
Feuersäule von einem auffallend lauten Geprassel und Geknatter be¬
gleitet; es war ein Haus von Fachwerk, ein sogenanntes Framehaus,
dessen Sparren und Balken die gefräßige Flamme zusammenknirschte.
Die Löschmannschaft in ihren rothen Jacken, weißen Hosen und lackir¬
ten Hüten, kecke Gestalten, denen die Welt zu gehören schien, bot in
ihrer Haltung einen sonderbaren Anblick von Wildheit und Eleganz.
Vor allem machte sich ein junger reckenhafter Bursche bemerklich, der gleich¬
sam der potenzirte Ausdruck seiner ganzen Compagnie war, über die
er auch thatsächlich das Commando führte. In ihm schien der Muth
Uebermuth, die Wildheit Frechheit, die Eleganz Prahlerei, aber auch
ein gewisser Grad von Männerschönheit war ihm nicht abzusprechen.
Das ganze Unternehmen beseelte er mit einer quecksilbernen Raschheit;
den Einen riß er von der Pumpe weg, den Andern verdrängte er vom
Schlauch, den Dritten warf er von der Leiter, sein Eifer war allge¬
genwärtig -- aber wer das Gebahren des Tollen nicht blos begaffte,
sondern ihm auf seinen Grund schaute, der merkte bald, daß seine
Begeisterung entweder der Rumflasche entstammte, oder daß sie Koket¬
terie vor dem Pöbel war, oder daß er Händel in seiner eigenen Mann¬
schaft suchte: am wahrscheinlichsten Alles zugleich. Der Anblick dieses
Feuerbändigers war ganz danach angethan, als ob er sich das Feuer
heimlich erschüfe, das er öffentlich bekämpfte. Wie er mit dem Brande
umsprang, so schien Alles an ihm zu sagen:

Ich darf ihn hassen, ich hab' ihn geboren!
Das Schauspiel hatte jedenfalls seinen Sinnenreiz. Wie die jungen
Männer zwischen Rauch, Flamme und hochstrahlenden Fontainen im
Wechsel der verschiedensten Stellungen ihre körperliche Geschickleichkeit ent¬
wickelten und den Kampf zwischen Wasser und Feuer gleichsam wie
ein ritterliches Karussel betrieben, ohne jenen Sudel von Geschrei, Ver¬
wirrung und Unreinlichkeit, den der Europäer bei derartigen Gelegen¬
heiten gewohnt ist, so ließ es gar wohl die angenehme Täuschung zu,
man sähe eigentlich ein Spiel, eine Vorstellung der höheren Turnkunst.
Auf einmal erscholl der Ruf: "Die Achter! die Achter!" Man sah
aus einer Seitenstraße eine neue Löschcompagnie anrücken und die ganze

Unter dieſen Beobachtungen gelangte er an den Ort des Brandes.
Aus der Tiefe der Straße, in deren Mitte ſeine Schritte unter dem Ge¬
dränge der Menſchen kurz und kürzer wurden, flackerte eine lichterlohe
Feuerſäule von einem auffallend lauten Gepraſſel und Geknatter be¬
gleitet; es war ein Haus von Fachwerk, ein ſogenanntes Framehaus,
deſſen Sparren und Balken die gefräßige Flamme zuſammenknirſchte.
Die Löſchmannſchaft in ihren rothen Jacken, weißen Hoſen und lackir¬
ten Hüten, kecke Geſtalten, denen die Welt zu gehören ſchien, bot in
ihrer Haltung einen ſonderbaren Anblick von Wildheit und Eleganz.
Vor allem machte ſich ein junger reckenhafter Burſche bemerklich, der gleich¬
ſam der potenzirte Ausdruck ſeiner ganzen Compagnie war, über die
er auch thatſächlich das Commando führte. In ihm ſchien der Muth
Uebermuth, die Wildheit Frechheit, die Eleganz Prahlerei, aber auch
ein gewiſſer Grad von Männerſchönheit war ihm nicht abzuſprechen.
Das ganze Unternehmen beſeelte er mit einer queckſilbernen Raſchheit;
den Einen riß er von der Pumpe weg, den Andern verdrängte er vom
Schlauch, den Dritten warf er von der Leiter, ſein Eifer war allge¬
genwärtig — aber wer das Gebahren des Tollen nicht blos begaffte,
ſondern ihm auf ſeinen Grund ſchaute, der merkte bald, daß ſeine
Begeiſterung entweder der Rumflaſche entſtammte, oder daß ſie Koket¬
terie vor dem Pöbel war, oder daß er Händel in ſeiner eigenen Mann¬
ſchaft ſuchte: am wahrſcheinlichſten Alles zugleich. Der Anblick dieſes
Feuerbändigers war ganz danach angethan, als ob er ſich das Feuer
heimlich erſchüfe, das er öffentlich bekämpfte. Wie er mit dem Brande
umſprang, ſo ſchien Alles an ihm zu ſagen:

Ich darf ihn haſſen, ich hab′ ihn geboren!
Das Schauſpiel hatte jedenfalls ſeinen Sinnenreiz. Wie die jungen
Männer zwiſchen Rauch, Flamme und hochſtrahlenden Fontainen im
Wechſel der verſchiedenſten Stellungen ihre körperliche Geſchickleichkeit ent¬
wickelten und den Kampf zwiſchen Waſſer und Feuer gleichſam wie
ein ritterliches Karuſſel betrieben, ohne jenen Sudel von Geſchrei, Ver¬
wirrung und Unreinlichkeit, den der Europäer bei derartigen Gelegen¬
heiten gewohnt iſt, ſo ließ es gar wohl die angenehme Täuſchung zu,
man ſähe eigentlich ein Spiel, eine Vorſtellung der höheren Turnkunſt.
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[41/0059] Unter dieſen Beobachtungen gelangte er an den Ort des Brandes. Aus der Tiefe der Straße, in deren Mitte ſeine Schritte unter dem Ge¬ dränge der Menſchen kurz und kürzer wurden, flackerte eine lichterlohe Feuerſäule von einem auffallend lauten Gepraſſel und Geknatter be¬ gleitet; es war ein Haus von Fachwerk, ein ſogenanntes Framehaus, deſſen Sparren und Balken die gefräßige Flamme zuſammenknirſchte. Die Löſchmannſchaft in ihren rothen Jacken, weißen Hoſen und lackir¬ ten Hüten, kecke Geſtalten, denen die Welt zu gehören ſchien, bot in ihrer Haltung einen ſonderbaren Anblick von Wildheit und Eleganz. Vor allem machte ſich ein junger reckenhafter Burſche bemerklich, der gleich¬ ſam der potenzirte Ausdruck ſeiner ganzen Compagnie war, über die er auch thatſächlich das Commando führte. In ihm ſchien der Muth Uebermuth, die Wildheit Frechheit, die Eleganz Prahlerei, aber auch ein gewiſſer Grad von Männerſchönheit war ihm nicht abzuſprechen. Das ganze Unternehmen beſeelte er mit einer queckſilbernen Raſchheit; den Einen riß er von der Pumpe weg, den Andern verdrängte er vom Schlauch, den Dritten warf er von der Leiter, ſein Eifer war allge¬ genwärtig — aber wer das Gebahren des Tollen nicht blos begaffte, ſondern ihm auf ſeinen Grund ſchaute, der merkte bald, daß ſeine Begeiſterung entweder der Rumflaſche entſtammte, oder daß ſie Koket¬ terie vor dem Pöbel war, oder daß er Händel in ſeiner eigenen Mann¬ ſchaft ſuchte: am wahrſcheinlichſten Alles zugleich. Der Anblick dieſes Feuerbändigers war ganz danach angethan, als ob er ſich das Feuer heimlich erſchüfe, das er öffentlich bekämpfte. Wie er mit dem Brande umſprang, ſo ſchien Alles an ihm zu ſagen: Ich darf ihn haſſen, ich hab′ ihn geboren! Das Schauſpiel hatte jedenfalls ſeinen Sinnenreiz. Wie die jungen Männer zwiſchen Rauch, Flamme und hochſtrahlenden Fontainen im Wechſel der verſchiedenſten Stellungen ihre körperliche Geſchickleichkeit ent¬ wickelten und den Kampf zwiſchen Waſſer und Feuer gleichſam wie ein ritterliches Karuſſel betrieben, ohne jenen Sudel von Geſchrei, Ver¬ wirrung und Unreinlichkeit, den der Europäer bei derartigen Gelegen¬ heiten gewohnt iſt, ſo ließ es gar wohl die angenehme Täuſchung zu, man ſähe eigentlich ein Spiel, eine Vorſtellung der höheren Turnkunſt. Auf einmal erſcholl der Ruf: „Die Achter! die Achter!“ Man ſah aus einer Seitenſtraße eine neue Löſchcompagnie anrücken und die ganze

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/59>, abgerufen am 23.11.2024.