Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ländern und Inseln, und während wir redeten, führe der Dings da, der Rofas, vielleicht hier ein Depot weg, und dort brennte eine Factorei nieder im Negeraufstand. Dazwischen machten die Häuser Bankerott, wo meine Capitalien stünden, oder Staatspapiere entwerthete der Bürgerkrieg, heut' sei diese Regierung, morgen jene, eine Partei stürze die andere, Feind und Freund flüchteten hintereinander, es ging tolle her: Süd-Amerika sei eben nicht Sachsen. Sollte mir das nicht wieder durch die Finger laufen, so müßt' ich fein Geduld haben und vor Allem einen Agenten hinschicken und gut bezahlen. Der müßte aber die Verhältnisse kennen und mit Gesetz und Recht umzuspringen wissen, sonst wär's Hucke wie Hose. -- Ich weiß mir einen solchen Mann nicht, sagt' ich; wollt Ihr es sein? -- Das geht nicht, meint' er, ich bin ja selbst ein Compagnon vom Erblasser. -- Da stund ich rathlos, und das Herz wurde mir klein. Wißt Ihr was? sagt er, verschreibt mir das ganze Gemüle und ich zahl' Euch 20,000 Thaler baar auf dieses Bret. Ich schlag's heraus, aber ein Anderer schwerlich. Sie können Euch beschuppen rechts und links. -- Topp! rief ich, denn Geld wußt' ich einmal und Geld wollt' ich auch sehen; ein Sperling in der Hand ist besser, denn die Taube am Dach, und 20,000 Thaler schüttelt man auch nicht aus der Sandbüchse. -- Ich war ganz vor die Füße gekommen, als ich zu Markte ging, -- was wollt' ich mehr? Ich kehrte zurück, der reichste Bauer in der Gemeinde. So nahm ich das Linsengericht! Und der Brasilianer hatte auch gleich seine Leute an der Schnur, lauter Rechtsgelehrte. Ein Notar aus dem Ahneland -- seine windische Aussprache verrieth ihn -- setzte ein Dings auf: ich Carl Friedrich Raithmeyer -- verzichte -- entsage -- alle und jede Ansprüche, hieß es, für mich -- und meine Nachkommen -- die Feder flog ihm wie geseift. Das mußt' ich unterschreiben, Ländern und Inseln, und während wir redeten, führe der Dings da, der Rofas, vielleicht hier ein Depot weg, und dort brennte eine Factorei nieder im Negeraufstand. Dazwischen machten die Häuser Bankerott, wo meine Capitalien stünden, oder Staatspapiere entwerthete der Bürgerkrieg, heut' sei diese Regierung, morgen jene, eine Partei stürze die andere, Feind und Freund flüchteten hintereinander, es ging tolle her: Süd-Amerika sei eben nicht Sachsen. Sollte mir das nicht wieder durch die Finger laufen, so müßt' ich fein Geduld haben und vor Allem einen Agenten hinschicken und gut bezahlen. Der müßte aber die Verhältnisse kennen und mit Gesetz und Recht umzuspringen wissen, sonst wär's Hucke wie Hose. — Ich weiß mir einen solchen Mann nicht, sagt' ich; wollt Ihr es sein? — Das geht nicht, meint' er, ich bin ja selbst ein Compagnon vom Erblasser. — Da stund ich rathlos, und das Herz wurde mir klein. Wißt Ihr was? sagt er, verschreibt mir das ganze Gemüle und ich zahl' Euch 20,000 Thaler baar auf dieses Bret. Ich schlag's heraus, aber ein Anderer schwerlich. Sie können Euch beschuppen rechts und links. — Topp! rief ich, denn Geld wußt' ich einmal und Geld wollt' ich auch sehen; ein Sperling in der Hand ist besser, denn die Taube am Dach, und 20,000 Thaler schüttelt man auch nicht aus der Sandbüchse. — Ich war ganz vor die Füße gekommen, als ich zu Markte ging, — was wollt' ich mehr? Ich kehrte zurück, der reichste Bauer in der Gemeinde. So nahm ich das Linsengericht! Und der Brasilianer hatte auch gleich seine Leute an der Schnur, lauter Rechtsgelehrte. Ein Notar aus dem Ahneland — seine windische Aussprache verrieth ihn — setzte ein Dings auf: ich Carl Friedrich Raithmeyer — verzichte — entsage — alle und jede Ansprüche, hieß es, für mich — und meine Nachkommen — die Feder flog ihm wie geseift. Das mußt' ich unterschreiben, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0038"/> Ländern und Inseln, und während wir redeten, führe der Dings da, der Rofas, vielleicht hier ein Depot weg, und dort brennte eine Factorei nieder im Negeraufstand. Dazwischen machten die Häuser Bankerott, wo meine Capitalien stünden, oder Staatspapiere entwerthete der Bürgerkrieg, heut' sei diese Regierung, morgen jene, eine Partei stürze die andere, Feind und Freund flüchteten hintereinander, es ging tolle her: Süd-Amerika sei eben nicht Sachsen. Sollte mir das nicht wieder durch die Finger laufen, so müßt' ich fein Geduld haben und vor Allem einen Agenten hinschicken und gut bezahlen. Der müßte aber die Verhältnisse kennen und mit Gesetz und Recht umzuspringen wissen, sonst wär's Hucke wie Hose. — Ich weiß mir einen solchen Mann nicht, sagt' ich; wollt Ihr es sein? — Das geht nicht, meint' er, ich bin ja selbst ein Compagnon vom Erblasser. — Da stund ich rathlos, und das Herz wurde mir klein. Wißt Ihr was? sagt er, verschreibt mir das ganze Gemüle und ich zahl' Euch 20,000 Thaler baar auf dieses Bret. Ich schlag's heraus, aber ein Anderer schwerlich. Sie können Euch beschuppen rechts und links. — Topp! rief ich, denn Geld wußt' ich einmal und Geld wollt' ich auch sehen; ein Sperling in der Hand ist besser, denn die Taube am Dach, und 20,000 Thaler schüttelt man auch nicht aus der Sandbüchse. — Ich war ganz vor die Füße gekommen, als ich zu Markte ging, — was wollt' ich mehr? Ich kehrte zurück, der reichste Bauer in der Gemeinde. So nahm ich das Linsengericht! Und der Brasilianer hatte auch gleich seine Leute an der Schnur, lauter Rechtsgelehrte. Ein Notar aus dem Ahneland — seine windische Aussprache verrieth ihn — setzte ein Dings auf: ich Carl Friedrich Raithmeyer — verzichte — entsage — alle und jede Ansprüche, hieß es, für mich — und meine Nachkommen — die Feder flog ihm wie geseift. Das mußt' ich unterschreiben,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0038]
Ländern und Inseln, und während wir redeten, führe der Dings da, der Rofas, vielleicht hier ein Depot weg, und dort brennte eine Factorei nieder im Negeraufstand. Dazwischen machten die Häuser Bankerott, wo meine Capitalien stünden, oder Staatspapiere entwerthete der Bürgerkrieg, heut' sei diese Regierung, morgen jene, eine Partei stürze die andere, Feind und Freund flüchteten hintereinander, es ging tolle her: Süd-Amerika sei eben nicht Sachsen. Sollte mir das nicht wieder durch die Finger laufen, so müßt' ich fein Geduld haben und vor Allem einen Agenten hinschicken und gut bezahlen. Der müßte aber die Verhältnisse kennen und mit Gesetz und Recht umzuspringen wissen, sonst wär's Hucke wie Hose. — Ich weiß mir einen solchen Mann nicht, sagt' ich; wollt Ihr es sein? — Das geht nicht, meint' er, ich bin ja selbst ein Compagnon vom Erblasser. — Da stund ich rathlos, und das Herz wurde mir klein. Wißt Ihr was? sagt er, verschreibt mir das ganze Gemüle und ich zahl' Euch 20,000 Thaler baar auf dieses Bret. Ich schlag's heraus, aber ein Anderer schwerlich. Sie können Euch beschuppen rechts und links. — Topp! rief ich, denn Geld wußt' ich einmal und Geld wollt' ich auch sehen; ein Sperling in der Hand ist besser, denn die Taube am Dach, und 20,000 Thaler schüttelt man auch nicht aus der Sandbüchse. — Ich war ganz vor die Füße gekommen, als ich zu Markte ging, — was wollt' ich mehr? Ich kehrte zurück, der reichste Bauer in der Gemeinde. So nahm ich das Linsengericht! Und der Brasilianer hatte auch gleich seine Leute an der Schnur, lauter Rechtsgelehrte. Ein Notar aus dem Ahneland — seine windische Aussprache verrieth ihn — setzte ein Dings auf: ich Carl Friedrich Raithmeyer — verzichte — entsage — alle und jede Ansprüche, hieß es, für mich — und meine Nachkommen — die Feder flog ihm wie geseift. Das mußt' ich unterschreiben,
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