Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nicht, wir haben das letzte Glas Ginever mit einander ausgetrunken. -- Es ist nur wegen ritu legitimo, lacht er, man fragt der Form halber. Ich habe da eine Vorladung für Euch aufs Amt. Und hält mir seinen Mund ans Ohr und wispert: Raithmeyer, Ihr macht eine gottsträfliche Erbschaft.-- Ich stiere den Menschen an und mach' eine lange Nase mit der ausgespannten Hand. -- Nein, nein, sagt er, hattet Ihr nicht einen Bruder in Rio Janeiro, Johann Christian Raithmeyer? -- Der Bub? frag' ich bagatellmäßig; der lief mit zehn Jahren den Franzosen als Tambour zu, kam mit nach Rußland, dann nach Paris zurück, wurde bei Waterloo von den Engländern gefangen, machte nach Ostindien und was weiß ich -- laßt sehen, wie lange hört' ich schon nichts von ihm? Den sollt' ich beerbt haben? Ich dächte gar! Er stand selbst immer a quarante-sept. -- Nun seht, sagt der Amtsbot, er hat die Partie doch noch gewonnen. Geld kommt nach Sachsen heim, -- zwei Mecklenburger ziehen's so wenig als die zwei Kälbchen da. -- Es ist ein Wort, sag' ich, und lege die Hand auf die Häupteln, Euer sind sie, wenn nur der zehnte Theil wahr ist davon. Darauf nehm' ich die Vorladung und renne nach Pirna. Der Kopf brannte mir. In Pirna seh' ich erst, daß es Tag und Stunde gar nicht ist, wo ich erscheinen sollte, auch war's Abend und das Amt nicht mehr da. Aber ein gelber Brasilianer nahm mich in Empfang, er war auch vor Zeiten ein Landsmann und grüßt' mich: Ihr seid also der Raithmeyer? -- Der bin ich, antwortete ich. -- Ja, sagt er, Ihr macht da eine hochklingende Erbschaft; wenn Alles gut geht, Eure Kinder können wohl Genuß davon haben. Mir wurd' es lipperlepsch, das zu hören. -- Wie redet Ihr? sagt' ich. Da lachte er und meinte: wenn ich die Erbschaft nur so einzustreifen hoffte, -- es läge noch mancher Knüppel dazwischen. Das Gut sei zerstreut in allen nicht, wir haben das letzte Glas Ginever mit einander ausgetrunken. — Es ist nur wegen ritu legitimo, lacht er, man fragt der Form halber. Ich habe da eine Vorladung für Euch aufs Amt. Und hält mir seinen Mund ans Ohr und wispert: Raithmeyer, Ihr macht eine gottsträfliche Erbschaft.— Ich stiere den Menschen an und mach' eine lange Nase mit der ausgespannten Hand. — Nein, nein, sagt er, hattet Ihr nicht einen Bruder in Rio Janeiro, Johann Christian Raithmeyer? — Der Bub? frag' ich bagatellmäßig; der lief mit zehn Jahren den Franzosen als Tambour zu, kam mit nach Rußland, dann nach Paris zurück, wurde bei Waterloo von den Engländern gefangen, machte nach Ostindien und was weiß ich — laßt sehen, wie lange hört' ich schon nichts von ihm? Den sollt' ich beerbt haben? Ich dächte gar! Er stand selbst immer à quarante-sept. — Nun seht, sagt der Amtsbot, er hat die Partie doch noch gewonnen. Geld kommt nach Sachsen heim, — zwei Mecklenburger ziehen's so wenig als die zwei Kälbchen da. — Es ist ein Wort, sag' ich, und lege die Hand auf die Häupteln, Euer sind sie, wenn nur der zehnte Theil wahr ist davon. Darauf nehm' ich die Vorladung und renne nach Pirna. Der Kopf brannte mir. In Pirna seh' ich erst, daß es Tag und Stunde gar nicht ist, wo ich erscheinen sollte, auch war's Abend und das Amt nicht mehr da. Aber ein gelber Brasilianer nahm mich in Empfang, er war auch vor Zeiten ein Landsmann und grüßt' mich: Ihr seid also der Raithmeyer? — Der bin ich, antwortete ich. — Ja, sagt er, Ihr macht da eine hochklingende Erbschaft; wenn Alles gut geht, Eure Kinder können wohl Genuß davon haben. Mir wurd' es lipperlepsch, das zu hören. — Wie redet Ihr? sagt' ich. Da lachte er und meinte: wenn ich die Erbschaft nur so einzustreifen hoffte, — es läge noch mancher Knüppel dazwischen. Das Gut sei zerstreut in allen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0037"/> nicht, wir haben das letzte Glas Ginever mit einander ausgetrunken. — Es ist nur wegen ritu legitimo, lacht er, man fragt der Form halber. Ich habe da eine Vorladung für Euch aufs Amt. Und hält mir seinen Mund ans Ohr und wispert: Raithmeyer, Ihr macht eine gottsträfliche Erbschaft.— Ich stiere den Menschen an und mach' eine lange Nase mit der ausgespannten Hand. — Nein, nein, sagt er, hattet Ihr nicht einen Bruder in Rio Janeiro, Johann Christian Raithmeyer? — Der Bub? frag' ich bagatellmäßig; der lief mit zehn Jahren den Franzosen als Tambour zu, kam mit nach Rußland, dann nach Paris zurück, wurde bei Waterloo von den Engländern gefangen, machte nach Ostindien und was weiß ich — laßt sehen, wie lange hört' ich schon nichts von ihm? Den sollt' ich beerbt haben? Ich dächte gar! Er stand selbst immer à quarante-sept. — Nun seht, sagt der Amtsbot, er hat die Partie doch noch gewonnen. Geld kommt nach Sachsen heim, — zwei Mecklenburger ziehen's so wenig als die zwei Kälbchen da. — Es ist ein Wort, sag' ich, und lege die Hand auf die Häupteln, Euer sind sie, wenn nur der zehnte Theil wahr ist davon. Darauf nehm' ich die Vorladung und renne nach Pirna. Der Kopf brannte mir. In Pirna seh' ich erst, daß es Tag und Stunde gar nicht ist, wo ich erscheinen sollte, auch war's Abend und das Amt nicht mehr da. Aber ein gelber Brasilianer nahm mich in Empfang, er war auch vor Zeiten ein Landsmann und grüßt' mich: Ihr seid also der Raithmeyer? — Der bin ich, antwortete ich. — Ja, sagt er, Ihr macht da eine hochklingende Erbschaft; wenn Alles gut geht, Eure Kinder können wohl Genuß davon haben. Mir wurd' es lipperlepsch, das zu hören. — Wie redet Ihr? sagt' ich. Da lachte er und meinte: wenn ich die Erbschaft nur so einzustreifen hoffte, — es läge noch mancher Knüppel dazwischen. Das Gut sei zerstreut in allen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
nicht, wir haben das letzte Glas Ginever mit einander ausgetrunken. — Es ist nur wegen ritu legitimo, lacht er, man fragt der Form halber. Ich habe da eine Vorladung für Euch aufs Amt. Und hält mir seinen Mund ans Ohr und wispert: Raithmeyer, Ihr macht eine gottsträfliche Erbschaft.— Ich stiere den Menschen an und mach' eine lange Nase mit der ausgespannten Hand. — Nein, nein, sagt er, hattet Ihr nicht einen Bruder in Rio Janeiro, Johann Christian Raithmeyer? — Der Bub? frag' ich bagatellmäßig; der lief mit zehn Jahren den Franzosen als Tambour zu, kam mit nach Rußland, dann nach Paris zurück, wurde bei Waterloo von den Engländern gefangen, machte nach Ostindien und was weiß ich — laßt sehen, wie lange hört' ich schon nichts von ihm? Den sollt' ich beerbt haben? Ich dächte gar! Er stand selbst immer à quarante-sept. — Nun seht, sagt der Amtsbot, er hat die Partie doch noch gewonnen. Geld kommt nach Sachsen heim, — zwei Mecklenburger ziehen's so wenig als die zwei Kälbchen da. — Es ist ein Wort, sag' ich, und lege die Hand auf die Häupteln, Euer sind sie, wenn nur der zehnte Theil wahr ist davon. Darauf nehm' ich die Vorladung und renne nach Pirna. Der Kopf brannte mir. In Pirna seh' ich erst, daß es Tag und Stunde gar nicht ist, wo ich erscheinen sollte, auch war's Abend und das Amt nicht mehr da. Aber ein gelber Brasilianer nahm mich in Empfang, er war auch vor Zeiten ein Landsmann und grüßt' mich: Ihr seid also der Raithmeyer? — Der bin ich, antwortete ich. — Ja, sagt er, Ihr macht da eine hochklingende Erbschaft; wenn Alles gut geht, Eure Kinder können wohl Genuß davon haben. Mir wurd' es lipperlepsch, das zu hören. — Wie redet Ihr? sagt' ich. Da lachte er und meinte: wenn ich die Erbschaft nur so einzustreifen hoffte, — es läge noch mancher Knüppel dazwischen. Das Gut sei zerstreut in allen
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