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Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mann. Der Herzpolyp ist ein bösartiger Wurm, der sich von überflüssigen Säften nährt, aber sein Keim entsteht aus Melancholie. Sie sind gemüthskrank. Leider kann ich weiter nichts thun gegen Ihr Uebel. Sie müßten mir erst den Grund dieses Uebels entdecken. Ihr ganzes Gemüth müßten Sie mir anvertrauen. -- Der Bauer ergriff wie im Traume des Doctors Hand. Sie sind mein Mann! sagte er mit verklärtem Gesichte. Gemüth! das ist mein Wort. Die Andern neiden mir meine Flasche Wein und meinen gespickten Hasen und mein Spanferkel und schreien, ich hätte den Drachen: Den Herzpolyp hab' ich! Das ist mein Umstand. Donnerwetter, das heiß' ich die Sau beim Ohr fassen! Ja, Sie sollen's wissen, Herr Doctor; Sie sollen's kennen lernen, mein Gemüth. Sie sagten mir, was mir noch Keiner gesagt, Sie sollen hören, was noch Keiner gehört. Bei Ihnen seh' ich Vernunft! -- So dankbar ist der Mensch für die größte Freude, die ihn überraschen kann, für die Freude: verstanden zu werden.

Der Bauer ergriff jetzt auch die andere Hand des Doctors und sagte mit Ernst: Aber Ihr Ehrenwort, Herr, es bleibt ganz unter uns. Sie verrathen Niemandem nicht kein nacktes Wörtchen von meinem Geheimniß. Das ist die Bedingung. -- Der Doctor versprach zu verschweigen, was er verschweigen dürfe. Abgemacht! sagte der Bauer und fuhr fort, oder vielmehr er begann: Wohlan, hören Sie die Geschichte, wie man eine Viertel-Million erben kann und doch nur 20,000 Thaler erbt. -- Das war also richtig, dachte der Doctor. Der Andere erzählte: Nächsten Mittwoch auf Petri Kettenfeier wird es zwei Jahre, da bracht' ich in Liebstadt ein paar Kälbchen zu Markte. Klopft mich Einer hinterrücks auf die Achsel: Ihr seid la der Carl Friedrich Raithmeyer aus Breitenau? -- Es war der Amtsbote von Pirna. Simlitz, sag' ich, ich hoffe

Mann. Der Herzpolyp ist ein bösartiger Wurm, der sich von überflüssigen Säften nährt, aber sein Keim entsteht aus Melancholie. Sie sind gemüthskrank. Leider kann ich weiter nichts thun gegen Ihr Uebel. Sie müßten mir erst den Grund dieses Uebels entdecken. Ihr ganzes Gemüth müßten Sie mir anvertrauen. — Der Bauer ergriff wie im Traume des Doctors Hand. Sie sind mein Mann! sagte er mit verklärtem Gesichte. Gemüth! das ist mein Wort. Die Andern neiden mir meine Flasche Wein und meinen gespickten Hasen und mein Spanferkel und schreien, ich hätte den Drachen: Den Herzpolyp hab' ich! Das ist mein Umstand. Donnerwetter, das heiß' ich die Sau beim Ohr fassen! Ja, Sie sollen's wissen, Herr Doctor; Sie sollen's kennen lernen, mein Gemüth. Sie sagten mir, was mir noch Keiner gesagt, Sie sollen hören, was noch Keiner gehört. Bei Ihnen seh' ich Vernunft! — So dankbar ist der Mensch für die größte Freude, die ihn überraschen kann, für die Freude: verstanden zu werden.

Der Bauer ergriff jetzt auch die andere Hand des Doctors und sagte mit Ernst: Aber Ihr Ehrenwort, Herr, es bleibt ganz unter uns. Sie verrathen Niemandem nicht kein nacktes Wörtchen von meinem Geheimniß. Das ist die Bedingung. — Der Doctor versprach zu verschweigen, was er verschweigen dürfe. Abgemacht! sagte der Bauer und fuhr fort, oder vielmehr er begann: Wohlan, hören Sie die Geschichte, wie man eine Viertel-Million erben kann und doch nur 20,000 Thaler erbt. — Das war also richtig, dachte der Doctor. Der Andere erzählte: Nächsten Mittwoch auf Petri Kettenfeier wird es zwei Jahre, da bracht' ich in Liebstadt ein paar Kälbchen zu Markte. Klopft mich Einer hinterrücks auf die Achsel: Ihr seid la der Carl Friedrich Raithmeyer aus Breitenau? — Es war der Amtsbote von Pirna. Simlitz, sag' ich, ich hoffe

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[0036] Mann. Der Herzpolyp ist ein bösartiger Wurm, der sich von überflüssigen Säften nährt, aber sein Keim entsteht aus Melancholie. Sie sind gemüthskrank. Leider kann ich weiter nichts thun gegen Ihr Uebel. Sie müßten mir erst den Grund dieses Uebels entdecken. Ihr ganzes Gemüth müßten Sie mir anvertrauen. — Der Bauer ergriff wie im Traume des Doctors Hand. Sie sind mein Mann! sagte er mit verklärtem Gesichte. Gemüth! das ist mein Wort. Die Andern neiden mir meine Flasche Wein und meinen gespickten Hasen und mein Spanferkel und schreien, ich hätte den Drachen: Den Herzpolyp hab' ich! Das ist mein Umstand. Donnerwetter, das heiß' ich die Sau beim Ohr fassen! Ja, Sie sollen's wissen, Herr Doctor; Sie sollen's kennen lernen, mein Gemüth. Sie sagten mir, was mir noch Keiner gesagt, Sie sollen hören, was noch Keiner gehört. Bei Ihnen seh' ich Vernunft! — So dankbar ist der Mensch für die größte Freude, die ihn überraschen kann, für die Freude: verstanden zu werden. Der Bauer ergriff jetzt auch die andere Hand des Doctors und sagte mit Ernst: Aber Ihr Ehrenwort, Herr, es bleibt ganz unter uns. Sie verrathen Niemandem nicht kein nacktes Wörtchen von meinem Geheimniß. Das ist die Bedingung. — Der Doctor versprach zu verschweigen, was er verschweigen dürfe. Abgemacht! sagte der Bauer und fuhr fort, oder vielmehr er begann: Wohlan, hören Sie die Geschichte, wie man eine Viertel-Million erben kann und doch nur 20,000 Thaler erbt. — Das war also richtig, dachte der Doctor. Der Andere erzählte: Nächsten Mittwoch auf Petri Kettenfeier wird es zwei Jahre, da bracht' ich in Liebstadt ein paar Kälbchen zu Markte. Klopft mich Einer hinterrücks auf die Achsel: Ihr seid la der Carl Friedrich Raithmeyer aus Breitenau? — Es war der Amtsbote von Pirna. Simlitz, sag' ich, ich hoffe

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/36>, abgerufen am 21.11.2024.