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Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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man schätzt den Schaden auf 100,000 Thaler. Der Schiffbruch verschlang ein Capital in Chinarinde, das noch gar nicht berechnet ist; die Ladung war unversichert, -- das Haus macht jetzt Bankerott. Seine stärksten Passiva fallen auf eine deutsche Firma, dieselbe, die auch durch das Erdbeben zu Schaden kommt. Der Universal-Erbe dieser Firma ist ein Landsmann, ein Bauer aus unserm Erzgebirg, wie ich höre. Und das ist das Curiosum an der Sache: der Mann hatte kurz zuvor die ganze Erbschaft für einen Spottpreis verkauft; darauf kommen die zwei Unfälle, und wahrscheinlich gewinnt er jetzt noch. So ungefähr, fuhr der Doctor fort, klang jene Mittheilung, nur etwas genauer und ausführlicher ist sie; ich weiß es auswendig nicht besser. Raithmeyer hörte mit offenem Munde zu; sein Antlitz war wie in Morgenglanz getaucht. Ich bitte, sagen Sie das noch einmal, ich will mir's aufschreiben, stotterte er mit freudezitternden Lippen. -- Das ist nicht nöthig, sagte der Doctor, indem er den Schein seiner Ruhe unerschütterlich festhielt, ich pflege meine Briefe nicht zu vernichten, dieses Schreiben muß sich in meinem Secretär noch finden. Der Kranke stand wie in Flammen. Holen Sie's! holen Sie's! drängte er, und schwur tausend Schwüre, wie hoch er's bezahlen wolle. Mit jenem Gleichmuth, der eine eiserne Sicherheit nach außen erzwingt, warf der Doctor ungekünstelt hin: Wenn wir Leute nur nicht so viel zu denken hätten! Ich konnte nach den Briefen Ihres Rudolf mit der Hand greifen, wie die Sache zusammen hing. Aber bei uns jagt Eines das Andre, man hat tausend Zustände und Verhältnisse im Kopf -- was gingen mich damals die Unglücksfälle aus Rio Janeiro an? Erst jetzt erinnern Sie mich wieder an diesen Brief. Der Doctor spielte seine Rolle so täuschend, daß er wohl auch einen feineren Kopf überzeugt hätte, um so mehr den rohen Landmann. An diesem war von dem

man schätzt den Schaden auf 100,000 Thaler. Der Schiffbruch verschlang ein Capital in Chinarinde, das noch gar nicht berechnet ist; die Ladung war unversichert, — das Haus macht jetzt Bankerott. Seine stärksten Passiva fallen auf eine deutsche Firma, dieselbe, die auch durch das Erdbeben zu Schaden kommt. Der Universal-Erbe dieser Firma ist ein Landsmann, ein Bauer aus unserm Erzgebirg, wie ich höre. Und das ist das Curiosum an der Sache: der Mann hatte kurz zuvor die ganze Erbschaft für einen Spottpreis verkauft; darauf kommen die zwei Unfälle, und wahrscheinlich gewinnt er jetzt noch. So ungefähr, fuhr der Doctor fort, klang jene Mittheilung, nur etwas genauer und ausführlicher ist sie; ich weiß es auswendig nicht besser. Raithmeyer hörte mit offenem Munde zu; sein Antlitz war wie in Morgenglanz getaucht. Ich bitte, sagen Sie das noch einmal, ich will mir's aufschreiben, stotterte er mit freudezitternden Lippen. — Das ist nicht nöthig, sagte der Doctor, indem er den Schein seiner Ruhe unerschütterlich festhielt, ich pflege meine Briefe nicht zu vernichten, dieses Schreiben muß sich in meinem Secretär noch finden. Der Kranke stand wie in Flammen. Holen Sie's! holen Sie's! drängte er, und schwur tausend Schwüre, wie hoch er's bezahlen wolle. Mit jenem Gleichmuth, der eine eiserne Sicherheit nach außen erzwingt, warf der Doctor ungekünstelt hin: Wenn wir Leute nur nicht so viel zu denken hätten! Ich konnte nach den Briefen Ihres Rudolf mit der Hand greifen, wie die Sache zusammen hing. Aber bei uns jagt Eines das Andre, man hat tausend Zustände und Verhältnisse im Kopf — was gingen mich damals die Unglücksfälle aus Rio Janeiro an? Erst jetzt erinnern Sie mich wieder an diesen Brief. Der Doctor spielte seine Rolle so täuschend, daß er wohl auch einen feineren Kopf überzeugt hätte, um so mehr den rohen Landmann. An diesem war von dem

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[0045] man schätzt den Schaden auf 100,000 Thaler. Der Schiffbruch verschlang ein Capital in Chinarinde, das noch gar nicht berechnet ist; die Ladung war unversichert, — das Haus macht jetzt Bankerott. Seine stärksten Passiva fallen auf eine deutsche Firma, dieselbe, die auch durch das Erdbeben zu Schaden kommt. Der Universal-Erbe dieser Firma ist ein Landsmann, ein Bauer aus unserm Erzgebirg, wie ich höre. Und das ist das Curiosum an der Sache: der Mann hatte kurz zuvor die ganze Erbschaft für einen Spottpreis verkauft; darauf kommen die zwei Unfälle, und wahrscheinlich gewinnt er jetzt noch. So ungefähr, fuhr der Doctor fort, klang jene Mittheilung, nur etwas genauer und ausführlicher ist sie; ich weiß es auswendig nicht besser. Raithmeyer hörte mit offenem Munde zu; sein Antlitz war wie in Morgenglanz getaucht. Ich bitte, sagen Sie das noch einmal, ich will mir's aufschreiben, stotterte er mit freudezitternden Lippen. — Das ist nicht nöthig, sagte der Doctor, indem er den Schein seiner Ruhe unerschütterlich festhielt, ich pflege meine Briefe nicht zu vernichten, dieses Schreiben muß sich in meinem Secretär noch finden. Der Kranke stand wie in Flammen. Holen Sie's! holen Sie's! drängte er, und schwur tausend Schwüre, wie hoch er's bezahlen wolle. Mit jenem Gleichmuth, der eine eiserne Sicherheit nach außen erzwingt, warf der Doctor ungekünstelt hin: Wenn wir Leute nur nicht so viel zu denken hätten! Ich konnte nach den Briefen Ihres Rudolf mit der Hand greifen, wie die Sache zusammen hing. Aber bei uns jagt Eines das Andre, man hat tausend Zustände und Verhältnisse im Kopf — was gingen mich damals die Unglücksfälle aus Rio Janeiro an? Erst jetzt erinnern Sie mich wieder an diesen Brief. Der Doctor spielte seine Rolle so täuschend, daß er wohl auch einen feineren Kopf überzeugt hätte, um so mehr den rohen Landmann. An diesem war von dem

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:57:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:57:16Z)

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/45>, abgerufen am 23.11.2024.