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Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Augenblicke an nichts mehr zu halten und zu stellen. Er schwur, das Erzgebirge sei nur ein Sandkörnlein gegen den Stein, der ihm heute vom Herzen falle. Der Doctor müßte unverzüglich nach Dresden zurück.

Das Stückchen Papier war nach Inhalt und Form bald hergerichtet, wie es der arme Heilbedürftige zu wohlthätiger Täuschung bedurfte. Auf dem Rückwege zog der Doctor den Kreishauptmann in Pirna noch in den Plan. Diese Mitwissenschaft, um nicht zufällig verrathen zu werden, schien ihm noch nöthig zu gewinnen; über sie hinaus endete aber auch die Berührung des Erzgebirges mit jener zeitungskundigen Welt, die über Erdbeben und Schiffbrüche allenfalls besser unterrichtet sein konnte. Der Kreishauptmann sagte gerne sein Einverständnis zu.

Als der Doctor nach Breitenau wieder zurückkam, fand er in der kurzen Zeit die Luft um Vieles gereinigt. Denn nicht nur die verdächtige Person, der gewesene Flurschütz, hatte sich unsichtbar gemacht (er war ohnedies hier nicht heimathberechtigt), auch die sogenannten Berliner Doctoren der Theologie, die wahrscheinlich weder das Eine noch das Andere waren, sah man plötzlich ihr Absteigequartier in Lauenstein räumen. Die Erscheinung des Dresdner Doctors auf ihrem Schauplatze mochte den Abenteurern nicht ganz geheuer dünken, -- kurz, die Herren beseitigten eben so still als eilig ihre schätzbaren Personen.

Am Meisten aber freute sich der wackere Arzt über die günstige Veränderung in Raithmeyer's Aussehen selbst. Mochte auch das geübte, wissenschaftliche Auge nicht ganz ohne Selbsttäuschung dabei bleiben -- der Kranke schien wirklich in wenigen Stunden blühender, belebter. Und nun der Brief! Wie ein hungriger Geier fiel Raithmeyer über das Blatt her und verschlang es. Ein Charakterzug war es, daß er sich erlaubte, den ganzen Inhalt auf und ab zu lesen, bloß

Augenblicke an nichts mehr zu halten und zu stellen. Er schwur, das Erzgebirge sei nur ein Sandkörnlein gegen den Stein, der ihm heute vom Herzen falle. Der Doctor müßte unverzüglich nach Dresden zurück.

Das Stückchen Papier war nach Inhalt und Form bald hergerichtet, wie es der arme Heilbedürftige zu wohlthätiger Täuschung bedurfte. Auf dem Rückwege zog der Doctor den Kreishauptmann in Pirna noch in den Plan. Diese Mitwissenschaft, um nicht zufällig verrathen zu werden, schien ihm noch nöthig zu gewinnen; über sie hinaus endete aber auch die Berührung des Erzgebirges mit jener zeitungskundigen Welt, die über Erdbeben und Schiffbrüche allenfalls besser unterrichtet sein konnte. Der Kreishauptmann sagte gerne sein Einverständnis zu.

Als der Doctor nach Breitenau wieder zurückkam, fand er in der kurzen Zeit die Luft um Vieles gereinigt. Denn nicht nur die verdächtige Person, der gewesene Flurschütz, hatte sich unsichtbar gemacht (er war ohnedies hier nicht heimathberechtigt), auch die sogenannten Berliner Doctoren der Theologie, die wahrscheinlich weder das Eine noch das Andere waren, sah man plötzlich ihr Absteigequartier in Lauenstein räumen. Die Erscheinung des Dresdner Doctors auf ihrem Schauplatze mochte den Abenteurern nicht ganz geheuer dünken, — kurz, die Herren beseitigten eben so still als eilig ihre schätzbaren Personen.

Am Meisten aber freute sich der wackere Arzt über die günstige Veränderung in Raithmeyer's Aussehen selbst. Mochte auch das geübte, wissenschaftliche Auge nicht ganz ohne Selbsttäuschung dabei bleiben — der Kranke schien wirklich in wenigen Stunden blühender, belebter. Und nun der Brief! Wie ein hungriger Geier fiel Raithmeyer über das Blatt her und verschlang es. Ein Charakterzug war es, daß er sich erlaubte, den ganzen Inhalt auf und ab zu lesen, bloß

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[0046] Augenblicke an nichts mehr zu halten und zu stellen. Er schwur, das Erzgebirge sei nur ein Sandkörnlein gegen den Stein, der ihm heute vom Herzen falle. Der Doctor müßte unverzüglich nach Dresden zurück. Das Stückchen Papier war nach Inhalt und Form bald hergerichtet, wie es der arme Heilbedürftige zu wohlthätiger Täuschung bedurfte. Auf dem Rückwege zog der Doctor den Kreishauptmann in Pirna noch in den Plan. Diese Mitwissenschaft, um nicht zufällig verrathen zu werden, schien ihm noch nöthig zu gewinnen; über sie hinaus endete aber auch die Berührung des Erzgebirges mit jener zeitungskundigen Welt, die über Erdbeben und Schiffbrüche allenfalls besser unterrichtet sein konnte. Der Kreishauptmann sagte gerne sein Einverständnis zu. Als der Doctor nach Breitenau wieder zurückkam, fand er in der kurzen Zeit die Luft um Vieles gereinigt. Denn nicht nur die verdächtige Person, der gewesene Flurschütz, hatte sich unsichtbar gemacht (er war ohnedies hier nicht heimathberechtigt), auch die sogenannten Berliner Doctoren der Theologie, die wahrscheinlich weder das Eine noch das Andere waren, sah man plötzlich ihr Absteigequartier in Lauenstein räumen. Die Erscheinung des Dresdner Doctors auf ihrem Schauplatze mochte den Abenteurern nicht ganz geheuer dünken, — kurz, die Herren beseitigten eben so still als eilig ihre schätzbaren Personen. Am Meisten aber freute sich der wackere Arzt über die günstige Veränderung in Raithmeyer's Aussehen selbst. Mochte auch das geübte, wissenschaftliche Auge nicht ganz ohne Selbsttäuschung dabei bleiben — der Kranke schien wirklich in wenigen Stunden blühender, belebter. Und nun der Brief! Wie ein hungriger Geier fiel Raithmeyer über das Blatt her und verschlang es. Ein Charakterzug war es, daß er sich erlaubte, den ganzen Inhalt auf und ab zu lesen, bloß

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Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Drache. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [263]–310. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_drache_1910/46>, abgerufen am 23.11.2024.