Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

O Peter, glaub' doch kein so Ding! sagte Friedrich. Was wird
sich denn ein Weib in eine Katz' verwandeln können? Wenn du dir
von jedem Zimmermann solche Spän' aus'm Verstand hauen läßt,
so wirst bald so dumm, daß man Riegelwänd' mit dir hinaussto¬
ßen kann.

Der Streit gegen den hartnäckigen Ungläubigen brach abermals
aus, und diese Leute, die ein derbes Wort über Pfarrer und Kirche
ertrugen, wurden ganz wild darüber, daß es mit Hexen und Gespenstern
nichts sein sollte, und vertheidigten mit einer wahren Glaubenswuth
ihr Dogma, daß der Teufel bösen Menschen die Macht verleihe, auf
wunderbare Weise Schaden zu thun, und daß Gott abgeschiedenen
Geistern, guten wie bösen, von Zeit zu Zeit aus dem Grabe an die
Oberfläche der Erde heraufzusteigen erlaube.

Nun ja, sagte Friedrich endlich einlenkend, ich will ja nicht dawi¬
der sein, daß sich's andrer Orten vielleicht so verhält, wie ihr saget,
denn das weiß ich ja nicht. Aber hier bei uns gibt's keine Hexen und
keine Geister, das behaupt' ich.

Und warum denn nicht? rief Einer.

Weil mir noch keine Hex' beikommen ist, und es gibt doch ganz
gewiß Solche, die mich zu todt drücken thäten, wenn sie könnten, aber
sie können eben nicht.

Und warum keine Geister? fragte ein Anderer.

Weil ich noch keine gesehen hab'! Und was ihr von euch erzählet,
daß euch schon vorgekommen sei, das muß mir selber erst auch wider¬
fahren sein, bevor und daß ich's glaub'; denn ich kann doch nicht
einsehen, warum ich ein anderer Mensch sein soll als Andere.

Andere Leut' sind aber doch anders beschaffen, sagte der Müller¬
knecht. Es gibt Sonntagskinder.

Ich bin auch am Sonntag geboren, erwiderte Friedrich, und hab'
Zeit meines Lebens nie was geschaut. Ich weiß ganz gewiß, fuhr
er mit wachsender Wärme fort, denn der Wein stieg ihm nach und
nach in den Kopf, wenn ein Verstorbenes wieder zu den Menschen
kommen könnt', so wär ich so gut ein Geisterseher wie irgend Einer
in der Welt.

Warum das? Wo so?

O Peter, glaub' doch kein ſo Ding! ſagte Friedrich. Was wird
ſich denn ein Weib in eine Katz' verwandeln können? Wenn du dir
von jedem Zimmermann ſolche Spän' aus'm Verſtand hauen läßt,
ſo wirſt bald ſo dumm, daß man Riegelwänd' mit dir hinausſto¬
ßen kann.

Der Streit gegen den hartnäckigen Ungläubigen brach abermals
aus, und dieſe Leute, die ein derbes Wort über Pfarrer und Kirche
ertrugen, wurden ganz wild darüber, daß es mit Hexen und Geſpenſtern
nichts ſein ſollte, und vertheidigten mit einer wahren Glaubenswuth
ihr Dogma, daß der Teufel böſen Menſchen die Macht verleihe, auf
wunderbare Weiſe Schaden zu thun, und daß Gott abgeſchiedenen
Geiſtern, guten wie böſen, von Zeit zu Zeit aus dem Grabe an die
Oberfläche der Erde heraufzuſteigen erlaube.

Nun ja, ſagte Friedrich endlich einlenkend, ich will ja nicht dawi¬
der ſein, daß ſich's andrer Orten vielleicht ſo verhält, wie ihr ſaget,
denn das weiß ich ja nicht. Aber hier bei uns gibt's keine Hexen und
keine Geiſter, das behaupt' ich.

Und warum denn nicht? rief Einer.

Weil mir noch keine Hex' beikommen iſt, und es gibt doch ganz
gewiß Solche, die mich zu todt drücken thäten, wenn ſie könnten, aber
ſie können eben nicht.

Und warum keine Geiſter? fragte ein Anderer.

Weil ich noch keine geſehen hab'! Und was ihr von euch erzählet,
daß euch ſchon vorgekommen ſei, das muß mir ſelber erſt auch wider¬
fahren ſein, bevor und daß ich's glaub'; denn ich kann doch nicht
einſehen, warum ich ein anderer Menſch ſein ſoll als Andere.

Andere Leut' ſind aber doch anders beſchaffen, ſagte der Müller¬
knecht. Es gibt Sonntagskinder.

Ich bin auch am Sonntag geboren, erwiderte Friedrich, und hab'
Zeit meines Lebens nie was geſchaut. Ich weiß ganz gewiß, fuhr
er mit wachſender Wärme fort, denn der Wein ſtieg ihm nach und
nach in den Kopf, wenn ein Verſtorbenes wieder zu den Menſchen
kommen könnt', ſo wär ich ſo gut ein Geiſterſeher wie irgend Einer
in der Welt.

Warum das? Wo ſo?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0124" n="108"/>
        <p>O Peter, glaub' doch kein &#x017F;o Ding! &#x017F;agte Friedrich. Was wird<lb/>
&#x017F;ich denn ein Weib in eine Katz' verwandeln können? Wenn du dir<lb/>
von jedem Zimmermann &#x017F;olche Spän' aus'm Ver&#x017F;tand hauen läßt,<lb/>
&#x017F;o wir&#x017F;t bald &#x017F;o dumm, daß man Riegelwänd' mit dir hinaus&#x017F;to¬<lb/>
ßen kann.</p><lb/>
        <p>Der Streit gegen den hartnäckigen Ungläubigen brach abermals<lb/>
aus, und die&#x017F;e Leute, die ein derbes Wort über Pfarrer und Kirche<lb/>
ertrugen, wurden ganz wild darüber, daß es mit Hexen und Ge&#x017F;pen&#x017F;tern<lb/>
nichts &#x017F;ein &#x017F;ollte, und vertheidigten mit einer wahren Glaubenswuth<lb/>
ihr Dogma, daß der Teufel bö&#x017F;en Men&#x017F;chen die Macht verleihe, auf<lb/>
wunderbare Wei&#x017F;e Schaden zu thun, und daß Gott abge&#x017F;chiedenen<lb/>
Gei&#x017F;tern, guten wie bö&#x017F;en, von Zeit zu Zeit aus dem Grabe an die<lb/>
Oberfläche der Erde heraufzu&#x017F;teigen erlaube.</p><lb/>
        <p>Nun ja, &#x017F;agte Friedrich endlich einlenkend, ich will ja nicht dawi¬<lb/>
der &#x017F;ein, daß &#x017F;ich's andrer Orten vielleicht &#x017F;o verhält, wie ihr &#x017F;aget,<lb/>
denn das weiß ich ja nicht. Aber hier bei uns gibt's keine Hexen und<lb/>
keine Gei&#x017F;ter, das behaupt' ich.</p><lb/>
        <p>Und warum denn nicht? rief Einer.</p><lb/>
        <p>Weil mir noch keine Hex' beikommen i&#x017F;t, und es gibt doch ganz<lb/>
gewiß Solche, die mich zu todt drücken thäten, wenn &#x017F;ie könnten, aber<lb/>
&#x017F;ie können eben nicht.</p><lb/>
        <p>Und warum keine Gei&#x017F;ter? fragte ein Anderer.</p><lb/>
        <p>Weil ich noch keine ge&#x017F;ehen hab'! Und was ihr von euch erzählet,<lb/>
daß euch &#x017F;chon vorgekommen &#x017F;ei, das muß mir &#x017F;elber er&#x017F;t auch wider¬<lb/>
fahren &#x017F;ein, bevor und daß ich's glaub'; denn ich kann doch nicht<lb/>
ein&#x017F;ehen, warum ich ein anderer Men&#x017F;ch &#x017F;ein &#x017F;oll als Andere.</p><lb/>
        <p>Andere Leut' &#x017F;ind aber doch anders be&#x017F;chaffen, &#x017F;agte der Müller¬<lb/>
knecht. Es gibt Sonntagskinder.</p><lb/>
        <p>Ich bin auch am Sonntag geboren, erwiderte Friedrich, und hab'<lb/>
Zeit meines Lebens nie was ge&#x017F;chaut. Ich weiß ganz gewiß, fuhr<lb/>
er mit wach&#x017F;ender Wärme fort, denn der Wein &#x017F;tieg ihm nach und<lb/>
nach in den Kopf, wenn ein Ver&#x017F;torbenes wieder zu den Men&#x017F;chen<lb/>
kommen könnt', &#x017F;o wär ich &#x017F;o gut ein Gei&#x017F;ter&#x017F;eher wie irgend Einer<lb/>
in der Welt.</p><lb/>
        <p>Warum das? Wo &#x017F;o?</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0124] O Peter, glaub' doch kein ſo Ding! ſagte Friedrich. Was wird ſich denn ein Weib in eine Katz' verwandeln können? Wenn du dir von jedem Zimmermann ſolche Spän' aus'm Verſtand hauen läßt, ſo wirſt bald ſo dumm, daß man Riegelwänd' mit dir hinausſto¬ ßen kann. Der Streit gegen den hartnäckigen Ungläubigen brach abermals aus, und dieſe Leute, die ein derbes Wort über Pfarrer und Kirche ertrugen, wurden ganz wild darüber, daß es mit Hexen und Geſpenſtern nichts ſein ſollte, und vertheidigten mit einer wahren Glaubenswuth ihr Dogma, daß der Teufel böſen Menſchen die Macht verleihe, auf wunderbare Weiſe Schaden zu thun, und daß Gott abgeſchiedenen Geiſtern, guten wie böſen, von Zeit zu Zeit aus dem Grabe an die Oberfläche der Erde heraufzuſteigen erlaube. Nun ja, ſagte Friedrich endlich einlenkend, ich will ja nicht dawi¬ der ſein, daß ſich's andrer Orten vielleicht ſo verhält, wie ihr ſaget, denn das weiß ich ja nicht. Aber hier bei uns gibt's keine Hexen und keine Geiſter, das behaupt' ich. Und warum denn nicht? rief Einer. Weil mir noch keine Hex' beikommen iſt, und es gibt doch ganz gewiß Solche, die mich zu todt drücken thäten, wenn ſie könnten, aber ſie können eben nicht. Und warum keine Geiſter? fragte ein Anderer. Weil ich noch keine geſehen hab'! Und was ihr von euch erzählet, daß euch ſchon vorgekommen ſei, das muß mir ſelber erſt auch wider¬ fahren ſein, bevor und daß ich's glaub'; denn ich kann doch nicht einſehen, warum ich ein anderer Menſch ſein ſoll als Andere. Andere Leut' ſind aber doch anders beſchaffen, ſagte der Müller¬ knecht. Es gibt Sonntagskinder. Ich bin auch am Sonntag geboren, erwiderte Friedrich, und hab' Zeit meines Lebens nie was geſchaut. Ich weiß ganz gewiß, fuhr er mit wachſender Wärme fort, denn der Wein ſtieg ihm nach und nach in den Kopf, wenn ein Verſtorbenes wieder zu den Menſchen kommen könnt', ſo wär ich ſo gut ein Geiſterſeher wie irgend Einer in der Welt. Warum das? Wo ſo?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/124
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/124>, abgerufen am 21.11.2024.