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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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amts Göppingen, herausgegeben von dem Königlichen statistisch-
topographischen Bureau, Stuttgart und Tübingen 1844", in
welcher bei der Ortsbeschreibung von Ebersbach auf Treu' und
Glauben gesagt wird: "Auch ist bemerkenswerth, daß es der
damalige Besitzer der hiesigen Gastwirthschaft zur Sonne, Chr.
Wolf, war, welchen Schiller in seinem Verbrecher aus verlorener
Ehre psychologisch dargestellt hat." Gewiß würde Schiller, wenn
er als Flüchtling geahnt hätte, daß dereinst eine Staatsbehörde
einer Heimath aus seiner Novelle statistische Angaben schöpfen
würde, dieselbe nicht "eine wahre Geschichte" betitelt haben.)

Sammlung und Erklärung merkwürdiger Erscheinungen aus
dem menschlichen Leben, von Jakob Friedrich Abel, Professor
der Philosophie an der hohen Carls-Schule. Zweiter Theil.
Geschichte eines Räubers. Geschichte einer Räuberin. Stutt¬
gart 1787. (Der Verfasser war der Sohn des vorhin genann¬
ten Oberamtmanns von Vaihingen und Schiller's Lehrer an der
Carls-Akademie. Seine Darstellung ist psychologisch-moralisch,
sein philosophischer Standpunkt, der Zeit gemäß, ein Versuch
einer Vermittlung zwischen Aufklärung und Orthodoxie. Ein
leises Ankämpfen gegen die ein Jahr zuvor veröffentlichte unge¬
schichtliche Behandlung des Stoffes durch seinen berühmten
Schüler und Freund ist unverkennbar, besonders da, wo der Ver¬
fasser seinen Vater und seine auf den Fang des gefürchteten
Räubers stolze Geburtsstadt Vaihingen, welche beide bei Schiller
nicht ungerupft weggekommen sind, in das verdiente Licht der
Wahrheit stellt. Die Ordnung, die er den Begebenheiten an¬
weist, stimmt nicht immer genau mit den Acten, die hierin allein
maßgebend sein können, überein; an einer Hauptstelle ist er,
durch Schiller verführt, halb von dem geschichtlichen Pfade ab¬
gekommen; aber die persönliche Bekanntschaft mit dem Gegen¬
stande seiner psychologischen Darstellung und die humane Ge¬

amts Göppingen, herausgegeben von dem Königlichen ſtatiſtiſch-
topographiſchen Bureau, Stuttgart und Tübingen 1844“, in
welcher bei der Ortsbeſchreibung von Ebersbach auf Treu' und
Glauben geſagt wird: „Auch iſt bemerkenswerth, daß es der
damalige Beſitzer der hieſigen Gaſtwirthſchaft zur Sonne, Chr.
Wolf, war, welchen Schiller in ſeinem Verbrecher aus verlorener
Ehre pſychologiſch dargeſtellt hat.“ Gewiß würde Schiller, wenn
er als Flüchtling geahnt hätte, daß dereinſt eine Staatsbehörde
einer Heimath aus ſeiner Novelle ſtatiſtiſche Angaben ſchöpfen
würde, dieſelbe nicht „eine wahre Geſchichte“ betitelt haben.)

Sammlung und Erklärung merkwürdiger Erſcheinungen aus
dem menſchlichen Leben, von Jakob Friedrich Abel, Profeſſor
der Philoſophie an der hohen Carls-Schule. Zweiter Theil.
Geſchichte eines Räubers. Geſchichte einer Räuberin. Stutt¬
gart 1787. (Der Verfaſſer war der Sohn des vorhin genann¬
ten Oberamtmanns von Vaihingen und Schiller's Lehrer an der
Carls-Akademie. Seine Darſtellung iſt pſychologiſch-moraliſch,
ſein philoſophiſcher Standpunkt, der Zeit gemäß, ein Verſuch
einer Vermittlung zwiſchen Aufklärung und Orthodoxie. Ein
leiſes Ankämpfen gegen die ein Jahr zuvor veröffentlichte unge¬
ſchichtliche Behandlung des Stoffes durch ſeinen berühmten
Schüler und Freund iſt unverkennbar, beſonders da, wo der Ver¬
faſſer ſeinen Vater und ſeine auf den Fang des gefürchteten
Räubers ſtolze Geburtsſtadt Vaihingen, welche beide bei Schiller
nicht ungerupft weggekommen ſind, in das verdiente Licht der
Wahrheit ſtellt. Die Ordnung, die er den Begebenheiten an¬
weist, ſtimmt nicht immer genau mit den Acten, die hierin allein
maßgebend ſein können, überein; an einer Hauptſtelle iſt er,
durch Schiller verführt, halb von dem geſchichtlichen Pfade ab¬
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[V/0013] amts Göppingen, herausgegeben von dem Königlichen ſtatiſtiſch- topographiſchen Bureau, Stuttgart und Tübingen 1844“, in welcher bei der Ortsbeſchreibung von Ebersbach auf Treu' und Glauben geſagt wird: „Auch iſt bemerkenswerth, daß es der damalige Beſitzer der hieſigen Gaſtwirthſchaft zur Sonne, Chr. Wolf, war, welchen Schiller in ſeinem Verbrecher aus verlorener Ehre pſychologiſch dargeſtellt hat.“ Gewiß würde Schiller, wenn er als Flüchtling geahnt hätte, daß dereinſt eine Staatsbehörde einer Heimath aus ſeiner Novelle ſtatiſtiſche Angaben ſchöpfen würde, dieſelbe nicht „eine wahre Geſchichte“ betitelt haben.) Sammlung und Erklärung merkwürdiger Erſcheinungen aus dem menſchlichen Leben, von Jakob Friedrich Abel, Profeſſor der Philoſophie an der hohen Carls-Schule. Zweiter Theil. Geſchichte eines Räubers. Geſchichte einer Räuberin. Stutt¬ gart 1787. (Der Verfaſſer war der Sohn des vorhin genann¬ ten Oberamtmanns von Vaihingen und Schiller's Lehrer an der Carls-Akademie. Seine Darſtellung iſt pſychologiſch-moraliſch, ſein philoſophiſcher Standpunkt, der Zeit gemäß, ein Verſuch einer Vermittlung zwiſchen Aufklärung und Orthodoxie. Ein leiſes Ankämpfen gegen die ein Jahr zuvor veröffentlichte unge¬ ſchichtliche Behandlung des Stoffes durch ſeinen berühmten Schüler und Freund iſt unverkennbar, beſonders da, wo der Ver¬ faſſer ſeinen Vater und ſeine auf den Fang des gefürchteten Räubers ſtolze Geburtsſtadt Vaihingen, welche beide bei Schiller nicht ungerupft weggekommen ſind, in das verdiente Licht der Wahrheit ſtellt. Die Ordnung, die er den Begebenheiten an¬ weist, ſtimmt nicht immer genau mit den Acten, die hierin allein maßgebend ſein können, überein; an einer Hauptſtelle iſt er, durch Schiller verführt, halb von dem geſchichtlichen Pfade ab¬ gekommen; aber die perſönliche Bekanntſchaft mit dem Gegen¬ ſtande ſeiner pſychologiſchen Darſtellung und die humane Ge¬

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/13>, abgerufen am 21.11.2024.