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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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unterdessen für ihn umsehen und ihn anderswo unterbringen können.
Aber verdenken kann ich's ihm doch grad auch nicht, daß er seinen
Verwandten nicht als unnützer Brodesser hat hinliegen wollen, nach¬
dem man ihn nicht zum Schaffen angenommen hat.

Ja, bemerkte Magdalene, das Sprichwort sagt: Zwei Tag' ein
Gast, den dritten ein Ueberlast.

Von seiner Liebschaft schreibt er gar nichts, sagte die Sonnen¬
wirthin. So viel gute Wörtlein er sonst gibt, so spricht er doch nicht
mit einer Silbe davon, daß er in dem Stück nachgeben wolle.

Er schreibt aber, er wolle in allen Stücken gehorsam sein und
nicht das Geringste mehr anstellen, entgegnete der Chirurgus. Man
kann ihn also beim Wort nehmen und ihm beweisen, daß er auch das
versprochen habe.

Recht degenmäßig schreibt er, das muß man sagen, bemerkte die
Krämerin. Ich hätt' gar nicht glaubt, daß der Strobelkopf, der stör¬
rig', so mürb' werden könnt'.

Der hat sich in der Fremde die Hörner verstoßen, sagte der Son¬
nenwirth behaglich lachend: das sieht man jedem Wort an, das er
schreibt. Jetzt weiß er nimmer wo aus und wo ein. Ja, ja, es ist
eben ein ganz ander's Leben da drunten, als bei uns. Die Leut'
sind dort viel alerter und aufgeweckter, und wenn auch bei Manchem
nicht viel dahinter ist, so ist's eben doch Unser einem, wie wenn er
der Garnichts dagegen wär'.

Das glaub' ich, sagte der Chirurg, das kann solch einem trotzigen,
stutzigen Schwabenkopf spanisch vorkommen.

Ich bin ja selbst auch schon drunten gewesen, fuhr der Sonnen¬
wirth fort. Ja was! Bis Unsereiner sich nur besinnt, was er sagen
soll, haben die dem Teufel ein Ohr weggeschwätzt. Es mag sein,
daß wir im Schreiben und sonst in mancherlei Solidität mehr sind als
sie, wenigstens gibt man sich bei uns in der Schul' mehr Müh', aber
nachher müssen wir ihnen weit nachstehen, sie sind viel zu geschwind für
uns. Mein Sohn ist gewiß keiner von den Langsamen im Geist,
aber ich steh' dafür, und kann ganz in's Feuer sehen, daß sie ihm
gleich über den Kopf gewachsen sind. Und dann machen sie gar keine
Umständ', wie man's bei uns macht. Sie sind eigentlich doch auch
wieder fadengrad wie wir, und noch mehr als wir. Bei uns, da thut

unterdeſſen für ihn umſehen und ihn anderswo unterbringen können.
Aber verdenken kann ich's ihm doch grad auch nicht, daß er ſeinen
Verwandten nicht als unnützer Brodeſſer hat hinliegen wollen, nach¬
dem man ihn nicht zum Schaffen angenommen hat.

Ja, bemerkte Magdalene, das Sprichwort ſagt: Zwei Tag' ein
Gaſt, den dritten ein Ueberlaſt.

Von ſeiner Liebſchaft ſchreibt er gar nichts, ſagte die Sonnen¬
wirthin. So viel gute Wörtlein er ſonſt gibt, ſo ſpricht er doch nicht
mit einer Silbe davon, daß er in dem Stück nachgeben wolle.

Er ſchreibt aber, er wolle in allen Stücken gehorſam ſein und
nicht das Geringſte mehr anſtellen, entgegnete der Chirurgus. Man
kann ihn alſo beim Wort nehmen und ihm beweiſen, daß er auch das
verſprochen habe.

Recht degenmäßig ſchreibt er, das muß man ſagen, bemerkte die
Krämerin. Ich hätt' gar nicht glaubt, daß der Strobelkopf, der ſtör¬
rig', ſo mürb' werden könnt'.

Der hat ſich in der Fremde die Hörner verſtoßen, ſagte der Son¬
nenwirth behaglich lachend: das ſieht man jedem Wort an, das er
ſchreibt. Jetzt weiß er nimmer wo aus und wo ein. Ja, ja, es iſt
eben ein ganz ander's Leben da drunten, als bei uns. Die Leut'
ſind dort viel alerter und aufgeweckter, und wenn auch bei Manchem
nicht viel dahinter iſt, ſo iſt's eben doch Unſer einem, wie wenn er
der Garnichts dagegen wär'.

Das glaub' ich, ſagte der Chirurg, das kann ſolch einem trotzigen,
ſtutzigen Schwabenkopf ſpaniſch vorkommen.

Ich bin ja ſelbſt auch ſchon drunten geweſen, fuhr der Sonnen¬
wirth fort. Ja was! Bis Unſereiner ſich nur beſinnt, was er ſagen
ſoll, haben die dem Teufel ein Ohr weggeſchwätzt. Es mag ſein,
daß wir im Schreiben und ſonſt in mancherlei Solidität mehr ſind als
ſie, wenigſtens gibt man ſich bei uns in der Schul' mehr Müh', aber
nachher müſſen wir ihnen weit nachſtehen, ſie ſind viel zu geſchwind für
uns. Mein Sohn iſt gewiß keiner von den Langſamen im Geiſt,
aber ich ſteh' dafür, und kann ganz in's Feuer ſehen, daß ſie ihm
gleich über den Kopf gewachſen ſind. Und dann machen ſie gar keine
Umſtänd', wie man's bei uns macht. Sie ſind eigentlich doch auch
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[165/0181] unterdeſſen für ihn umſehen und ihn anderswo unterbringen können. Aber verdenken kann ich's ihm doch grad auch nicht, daß er ſeinen Verwandten nicht als unnützer Brodeſſer hat hinliegen wollen, nach¬ dem man ihn nicht zum Schaffen angenommen hat. Ja, bemerkte Magdalene, das Sprichwort ſagt: Zwei Tag' ein Gaſt, den dritten ein Ueberlaſt. Von ſeiner Liebſchaft ſchreibt er gar nichts, ſagte die Sonnen¬ wirthin. So viel gute Wörtlein er ſonſt gibt, ſo ſpricht er doch nicht mit einer Silbe davon, daß er in dem Stück nachgeben wolle. Er ſchreibt aber, er wolle in allen Stücken gehorſam ſein und nicht das Geringſte mehr anſtellen, entgegnete der Chirurgus. Man kann ihn alſo beim Wort nehmen und ihm beweiſen, daß er auch das verſprochen habe. Recht degenmäßig ſchreibt er, das muß man ſagen, bemerkte die Krämerin. Ich hätt' gar nicht glaubt, daß der Strobelkopf, der ſtör¬ rig', ſo mürb' werden könnt'. Der hat ſich in der Fremde die Hörner verſtoßen, ſagte der Son¬ nenwirth behaglich lachend: das ſieht man jedem Wort an, das er ſchreibt. Jetzt weiß er nimmer wo aus und wo ein. Ja, ja, es iſt eben ein ganz ander's Leben da drunten, als bei uns. Die Leut' ſind dort viel alerter und aufgeweckter, und wenn auch bei Manchem nicht viel dahinter iſt, ſo iſt's eben doch Unſer einem, wie wenn er der Garnichts dagegen wär'. Das glaub' ich, ſagte der Chirurg, das kann ſolch einem trotzigen, ſtutzigen Schwabenkopf ſpaniſch vorkommen. Ich bin ja ſelbſt auch ſchon drunten geweſen, fuhr der Sonnen¬ wirth fort. Ja was! Bis Unſereiner ſich nur beſinnt, was er ſagen ſoll, haben die dem Teufel ein Ohr weggeſchwätzt. Es mag ſein, daß wir im Schreiben und ſonſt in mancherlei Solidität mehr ſind als ſie, wenigſtens gibt man ſich bei uns in der Schul' mehr Müh', aber nachher müſſen wir ihnen weit nachſtehen, ſie ſind viel zu geſchwind für uns. Mein Sohn iſt gewiß keiner von den Langſamen im Geiſt, aber ich ſteh' dafür, und kann ganz in's Feuer ſehen, daß ſie ihm gleich über den Kopf gewachſen ſind. Und dann machen ſie gar keine Umſtänd', wie man's bei uns macht. Sie ſind eigentlich doch auch wieder fadengrad wie wir, und noch mehr als wir. Bei uns, da thut

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/181>, abgerufen am 26.11.2024.