Sünder unter die ihm von Gott verordnete Autorität sich wieder zu¬ rückfügen wolle. Vielleicht dürfen wir uns eines günstigen Bescheides versehen. Sobald solcher an mich herabgelangt, werde nicht ermangeln davon Meldung zu erlassen.
Nach einigen Tagen kam der Amtsknecht, um den Sonnenwirth zum Amtmann zu berufen. Der Sonnenwirth schickte nach seinem Beistand. Der Schwager hat schon wieder geschrieben, sagte dieser, als sie mit einander nach dem Amthause gingen. Diesmal schreibt er aus Hattenhofen, wohin er von Plochingen gegangen ist.
Ich hab' mir's wohl gedacht, daß er sich's nicht getrauen wird, zu Plochingen im Wirthshaus liegen zu bleiben, versetzte der Sonnen¬ wirth lächelnd. Was schreibt er denn?
Er schreibt beinahe noch lamentabler als das letztemal. Uebrigens scheinen ihm unterm Warten curiose Gedanken aufgestiegen zu sein und er traut dem Landfrieden nicht recht; denn er schreibt im Ver¬ lauf des Briefes: "Ich glaube, der Herr Schwager wird mich nicht nur herzulocken, damit ich möchte in Arrest gesetzt werden, sondern der Herr Schwager hat's noch jederzeit redlich und getreu mit mir ge¬ meint."
Der Sonnenwirth lachte äußerst behaglich. Er hat Angst, sagte er, und da wird, hoff' ich, auch die Zucht Eingang bei ihm finden.
Gott geb's, erwiderte der Chirurg. Diesmal hat er auch das Da¬ tum richtig geschrieben; vielleicht ist das ein Omen, daß er auch sonst wieder in die Ordnung kommen wird.
Gott geb's, sagte der Sonnenwirth.
Nun, Sein Gutedel ist ja wieder da, Herr Sonnenwirth, begann die Amtmännin, welche diesmal zugegen war, mit saurem Gesicht. Der hat nicht lang' gut gethan.
Es ist bei meinem Bruder kein Platz für ihn gewesen, mit Ihrem Wohlnehmen, Frau Amtmännin. Der hat einen halbstudirten Haus¬ knecht angenommen. Will auch sehen, was da noch draus wird. Aber was will ich jetzt machen? Es ist doch mein eigen Fleisch und Blut, das ich nicht in der Irre laufen lassen kann. Ich nehm' ihn aber nicht eher an, als bis er versprochen hat, daß er die unverstän¬ dige Liebschaft aufgeben will.
Meinetwegen, sagte die Amtmännin. Aber mir soll der Grobian
Sünder unter die ihm von Gott verordnete Autorität ſich wieder zu¬ rückfügen wolle. Vielleicht dürfen wir uns eines günſtigen Beſcheides verſehen. Sobald ſolcher an mich herabgelangt, werde nicht ermangeln davon Meldung zu erlaſſen.
Nach einigen Tagen kam der Amtsknecht, um den Sonnenwirth zum Amtmann zu berufen. Der Sonnenwirth ſchickte nach ſeinem Beiſtand. Der Schwager hat ſchon wieder geſchrieben, ſagte dieſer, als ſie mit einander nach dem Amthauſe gingen. Diesmal ſchreibt er aus Hattenhofen, wohin er von Plochingen gegangen iſt.
Ich hab' mir's wohl gedacht, daß er ſich's nicht getrauen wird, zu Plochingen im Wirthshaus liegen zu bleiben, verſetzte der Sonnen¬ wirth lächelnd. Was ſchreibt er denn?
Er ſchreibt beinahe noch lamentabler als das letztemal. Uebrigens ſcheinen ihm unterm Warten curioſe Gedanken aufgeſtiegen zu ſein und er traut dem Landfrieden nicht recht; denn er ſchreibt im Ver¬ lauf des Briefes: „Ich glaube, der Herr Schwager wird mich nicht nur herzulocken, damit ich möchte in Arreſt geſetzt werden, ſondern der Herr Schwager hat's noch jederzeit redlich und getreu mit mir ge¬ meint.“
Der Sonnenwirth lachte äußerſt behaglich. Er hat Angſt, ſagte er, und da wird, hoff' ich, auch die Zucht Eingang bei ihm finden.
Gott geb's, erwiderte der Chirurg. Diesmal hat er auch das Da¬ tum richtig geſchrieben; vielleicht iſt das ein Omen, daß er auch ſonſt wieder in die Ordnung kommen wird.
Gott geb's, ſagte der Sonnenwirth.
Nun, Sein Gutedel iſt ja wieder da, Herr Sonnenwirth, begann die Amtmännin, welche diesmal zugegen war, mit ſaurem Geſicht. Der hat nicht lang' gut gethan.
Es iſt bei meinem Bruder kein Platz für ihn geweſen, mit Ihrem Wohlnehmen, Frau Amtmännin. Der hat einen halbſtudirten Haus¬ knecht angenommen. Will auch ſehen, was da noch draus wird. Aber was will ich jetzt machen? Es iſt doch mein eigen Fleiſch und Blut, das ich nicht in der Irre laufen laſſen kann. Ich nehm' ihn aber nicht eher an, als bis er verſprochen hat, daß er die unverſtän¬ dige Liebſchaft aufgeben will.
Meinetwegen, ſagte die Amtmännin. Aber mir ſoll der Grobian
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Sünder unter die ihm von Gott verordnete Autorität ſich wieder zu¬
rückfügen wolle. Vielleicht dürfen wir uns eines günſtigen Beſcheides
verſehen. Sobald ſolcher an mich herabgelangt, werde nicht ermangeln
davon Meldung zu erlaſſen.
Nach einigen Tagen kam der Amtsknecht, um den Sonnenwirth
zum Amtmann zu berufen. Der Sonnenwirth ſchickte nach ſeinem
Beiſtand. Der Schwager hat ſchon wieder geſchrieben, ſagte dieſer,
als ſie mit einander nach dem Amthauſe gingen. Diesmal ſchreibt er
aus Hattenhofen, wohin er von Plochingen gegangen iſt.
Ich hab' mir's wohl gedacht, daß er ſich's nicht getrauen wird,
zu Plochingen im Wirthshaus liegen zu bleiben, verſetzte der Sonnen¬
wirth lächelnd. Was ſchreibt er denn?
Er ſchreibt beinahe noch lamentabler als das letztemal. Uebrigens
ſcheinen ihm unterm Warten curioſe Gedanken aufgeſtiegen zu ſein
und er traut dem Landfrieden nicht recht; denn er ſchreibt im Ver¬
lauf des Briefes: „Ich glaube, der Herr Schwager wird mich nicht
nur herzulocken, damit ich möchte in Arreſt geſetzt werden, ſondern der
Herr Schwager hat's noch jederzeit redlich und getreu mit mir ge¬
meint.“
Der Sonnenwirth lachte äußerſt behaglich. Er hat Angſt, ſagte
er, und da wird, hoff' ich, auch die Zucht Eingang bei ihm finden.
Gott geb's, erwiderte der Chirurg. Diesmal hat er auch das Da¬
tum richtig geſchrieben; vielleicht iſt das ein Omen, daß er auch ſonſt
wieder in die Ordnung kommen wird.
Gott geb's, ſagte der Sonnenwirth.
Nun, Sein Gutedel iſt ja wieder da, Herr Sonnenwirth, begann
die Amtmännin, welche diesmal zugegen war, mit ſaurem Geſicht.
Der hat nicht lang' gut gethan.
Es iſt bei meinem Bruder kein Platz für ihn geweſen, mit Ihrem
Wohlnehmen, Frau Amtmännin. Der hat einen halbſtudirten Haus¬
knecht angenommen. Will auch ſehen, was da noch draus wird.
Aber was will ich jetzt machen? Es iſt doch mein eigen Fleiſch und
Blut, das ich nicht in der Irre laufen laſſen kann. Ich nehm' ihn
aber nicht eher an, als bis er verſprochen hat, daß er die unverſtän¬
dige Liebſchaft aufgeben will.
Meinetwegen, ſagte die Amtmännin. Aber mir ſoll der Grobian
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/184>, abgerufen am 27.11.2024.
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