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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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nicht wieder in's Haus kommen, ich will mir keine Unverschämtheiten
mehr von ihm machen lassen, und wenn ich nicht eine Wäsche gehabt
hätte an dem Tag, wo mein Mann nach Göppingen schrieb, so wäre
die Sache vielleicht nicht so schnell gegangen.

Der Sonnenwirth verlor einen guten Theil seiner Behaglichkeit
beim Anblick dieser fortdauernden Ungnade der Amtmännin gegen sei¬
nen Sohn, obgleich er die Ursache dieses Grolls in seinem Herzen
gebilligt hatte.

Die Antwort vom Herrn Vogt ist angekommen, sagte der Amt¬
mann, der dieselbe als eine Art Schutzwaffe gegen seine Frau betrach¬
ten mochte. Er nahm den Brief zur Hand, entfaltete ihn langsam,
räusperte sich mit Wichtigkeit, und las, während der Sonnenwirth und
sein Schwiegersohn eine ehrerbietige Haltung annahmen, mit nachdrück¬
licher Betonung, wie folgt: "Wohledler, insonders vielgeehrter Herr
Amtmann. Weilen mit einem jungen Menschen ich jedesmal viel
lieber überflüssige Geduld haben als mit der äußersten Strenge für¬
gehen will, so lang noch Hoffnung vorhanden sein kann, es werde ei¬
ner in sich gehen, mithin in bessere Wege und so obrigkeitlichen als
väterlichen Gehorsam zurücktreten: so will ich nicht darwider sein, daß
den jungen Schwahnen sein Vater wieder auf- und annehme. Es ist
aber Jenem mit allem Ernst zu bedeuten, daß, so der geringste neue
Fehltritt wider ihn werde herauskommen, man solchenfalls Alt- und
Neues zusammennehmen und wider ihn mit aller Schärfe verfahren
werde. Ich verharre damit unter göttlichen Schutzes Erlassung des
Herrn Amtmanns dienstwilligster" et cetera. Also wonach sich zu
achten! fügte der Amtmann der Vorlesung bei. Da nun meine Frau
Seinen Sohn nicht gern im Hause sieht, so will ich's unterlassen
Solchen zu citiren, muß aber dem Herrn Sonnenwirth die Verpflich¬
tung aufgeben, Selbigem auf's ernstlichste einzuschärfen, unter welcher
Bedingung einzig und allein ihn wieder zu admittiren beschlossen wor¬
den ist, und daß ich bei dem geringfügigsten neuen Vorfall unverweilt
gegen ihn einzuschreiten mich bemüßigt sehen würde.

Der Sonnenwirth versprach seinem Sohn das Nöthige zu sagen,
sowie auch dafür zu sorgen, daß er das Amthaus meide, es wäre
denn, daß er besonders vom Herrn Amtmann vorgeladen würde. Der
Amtmann pries die Milde und Menschenfreundlichkeit des Vogts, wobei

nicht wieder in's Haus kommen, ich will mir keine Unverſchämtheiten
mehr von ihm machen laſſen, und wenn ich nicht eine Wäſche gehabt
hätte an dem Tag, wo mein Mann nach Göppingen ſchrieb, ſo wäre
die Sache vielleicht nicht ſo ſchnell gegangen.

Der Sonnenwirth verlor einen guten Theil ſeiner Behaglichkeit
beim Anblick dieſer fortdauernden Ungnade der Amtmännin gegen ſei¬
nen Sohn, obgleich er die Urſache dieſes Grolls in ſeinem Herzen
gebilligt hatte.

Die Antwort vom Herrn Vogt iſt angekommen, ſagte der Amt¬
mann, der dieſelbe als eine Art Schutzwaffe gegen ſeine Frau betrach¬
ten mochte. Er nahm den Brief zur Hand, entfaltete ihn langſam,
räuſperte ſich mit Wichtigkeit, und las, während der Sonnenwirth und
ſein Schwiegerſohn eine ehrerbietige Haltung annahmen, mit nachdrück¬
licher Betonung, wie folgt: „Wohledler, inſonders vielgeehrter Herr
Amtmann. Weilen mit einem jungen Menſchen ich jedesmal viel
lieber überflüſſige Geduld haben als mit der äußerſten Strenge für¬
gehen will, ſo lang noch Hoffnung vorhanden ſein kann, es werde ei¬
ner in ſich gehen, mithin in beſſere Wege und ſo obrigkeitlichen als
väterlichen Gehorſam zurücktreten: ſo will ich nicht darwider ſein, daß
den jungen Schwahnen ſein Vater wieder auf- und annehme. Es iſt
aber Jenem mit allem Ernſt zu bedeuten, daß, ſo der geringſte neue
Fehltritt wider ihn werde herauskommen, man ſolchenfalls Alt- und
Neues zuſammennehmen und wider ihn mit aller Schärfe verfahren
werde. Ich verharre damit unter göttlichen Schutzes Erlaſſung des
Herrn Amtmanns dienſtwilligſter“ et cetera. Alſo wonach ſich zu
achten! fügte der Amtmann der Vorleſung bei. Da nun meine Frau
Seinen Sohn nicht gern im Hauſe ſieht, ſo will ich's unterlaſſen
Solchen zu citiren, muß aber dem Herrn Sonnenwirth die Verpflich¬
tung aufgeben, Selbigem auf's ernſtlichſte einzuſchärfen, unter welcher
Bedingung einzig und allein ihn wieder zu admittiren beſchloſſen wor¬
den iſt, und daß ich bei dem geringfügigſten neuen Vorfall unverweilt
gegen ihn einzuſchreiten mich bemüßigt ſehen würde.

Der Sonnenwirth verſprach ſeinem Sohn das Nöthige zu ſagen,
ſowie auch dafür zu ſorgen, daß er das Amthaus meide, es wäre
denn, daß er beſonders vom Herrn Amtmann vorgeladen würde. Der
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[169/0185] nicht wieder in's Haus kommen, ich will mir keine Unverſchämtheiten mehr von ihm machen laſſen, und wenn ich nicht eine Wäſche gehabt hätte an dem Tag, wo mein Mann nach Göppingen ſchrieb, ſo wäre die Sache vielleicht nicht ſo ſchnell gegangen. Der Sonnenwirth verlor einen guten Theil ſeiner Behaglichkeit beim Anblick dieſer fortdauernden Ungnade der Amtmännin gegen ſei¬ nen Sohn, obgleich er die Urſache dieſes Grolls in ſeinem Herzen gebilligt hatte. Die Antwort vom Herrn Vogt iſt angekommen, ſagte der Amt¬ mann, der dieſelbe als eine Art Schutzwaffe gegen ſeine Frau betrach¬ ten mochte. Er nahm den Brief zur Hand, entfaltete ihn langſam, räuſperte ſich mit Wichtigkeit, und las, während der Sonnenwirth und ſein Schwiegerſohn eine ehrerbietige Haltung annahmen, mit nachdrück¬ licher Betonung, wie folgt: „Wohledler, inſonders vielgeehrter Herr Amtmann. Weilen mit einem jungen Menſchen ich jedesmal viel lieber überflüſſige Geduld haben als mit der äußerſten Strenge für¬ gehen will, ſo lang noch Hoffnung vorhanden ſein kann, es werde ei¬ ner in ſich gehen, mithin in beſſere Wege und ſo obrigkeitlichen als väterlichen Gehorſam zurücktreten: ſo will ich nicht darwider ſein, daß den jungen Schwahnen ſein Vater wieder auf- und annehme. Es iſt aber Jenem mit allem Ernſt zu bedeuten, daß, ſo der geringſte neue Fehltritt wider ihn werde herauskommen, man ſolchenfalls Alt- und Neues zuſammennehmen und wider ihn mit aller Schärfe verfahren werde. Ich verharre damit unter göttlichen Schutzes Erlaſſung des Herrn Amtmanns dienſtwilligſter“ et cetera. Alſo wonach ſich zu achten! fügte der Amtmann der Vorleſung bei. Da nun meine Frau Seinen Sohn nicht gern im Hauſe ſieht, ſo will ich's unterlaſſen Solchen zu citiren, muß aber dem Herrn Sonnenwirth die Verpflich¬ tung aufgeben, Selbigem auf's ernſtlichſte einzuſchärfen, unter welcher Bedingung einzig und allein ihn wieder zu admittiren beſchloſſen wor¬ den iſt, und daß ich bei dem geringfügigſten neuen Vorfall unverweilt gegen ihn einzuſchreiten mich bemüßigt ſehen würde. Der Sonnenwirth verſprach ſeinem Sohn das Nöthige zu ſagen, ſowie auch dafür zu ſorgen, daß er das Amthaus meide, es wäre denn, daß er beſonders vom Herrn Amtmann vorgeladen würde. Der Amtmann pries die Milde und Menſchenfreundlichkeit des Vogts, wobei

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/185>, abgerufen am 27.11.2024.