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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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ihm sagen, daß er doch gleich hinkommen möchte, denn er habe etwas
Dringendes mit ihm zu reden.

Du, 's ist Feuer im Dach -- mit diesen Worten empfing ihn
sein Geselle, als Friedrich sich zu ihm setzte -- meine Schwester ist
auf morgen vor Kirchenconvent geladen.

Gottlob! rief Friedrich, jetzt kommt's doch endlich zum Treffen!
Sag' ihr nur, ich werd' noch heut bei ihr sein.

Er trank schnell aus und eilte nach Hause zurück. Da er seinen
Vater mit Essen beschäftigt fand, so setzte er sich in eine dunkle Ecke,
wo er wartete, bis derselbe fertig sein würde.

Was hast? Was guckst? Hast Hunger? fragte dieser, den seines
Sohnes auf ihn gerichteter Blick beunruhigte.

Nein, Vater, ich muß Euch etwas sagen, und will Euch nicht
über'm Essen stören, weil ich weiß, daß Ihr das nicht leiden könnt.

Der Alte, der etwas neugierig war, beschleunigte seine Mahlzeit.
Nun, was ist's? fragte er dann, vom Tisch aufstehend.

Friedrich stand gleichfalls auf. Vater, sagte er, ich hab' Euch
versprochen, mit der Christine keinen Verkehr mehr zu haben, weder
schriftlich noch mündlich, und hab' das auch streng gehalten bis daher.
Jetzt aber ist an der Sach' ein ander's Trumm aufgangen, die Chri¬
stine ist vor Kirchenconvent citirt --

Lüderlicher Hund! schrie der Alte und hob die Hand auf, ließ sie
aber alsbald wieder sinken, da er gewahrte, daß sein Sohn, ohne ei¬
nen Schritt vor dem Schlage rückwärts zu weichen, in drohender, ent¬
schlossener Haltung vor ihm stand. Es kam ihm erst jetzt klar zum
Bewußtsein, daß er eigentli immer eine geheime Furcht vor ihm ge¬
habt habe.

Incommodirt Euch nicht, Vater, sagte Friedrich, über das bin ich
hinausgewachsen, und was das Schimpfen betrifft, so weiß ich, daß
Ihr auch jung gewesen seid -- Ihr werdet mich verstehen.

Sprichst du so mit deinem Vater? schrie der Sonnenwirth, der
wüthend und zugleich in einiger Verwirrung durch die Stube hin und
her lief. Seine Frau hatte ihm von ihrer ausgekundschafteten Neuig¬
keit nichts mitgetheilt, sei es, daß sie eine für den Stiefsohn besonders
ungünstige Gelegenheit abwarten oder, daß sie ihren Mann von dem
amtlichen Verlauf der Sache überraschen lassen wollte.

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ihm ſagen, daß er doch gleich hinkommen möchte, denn er habe etwas
Dringendes mit ihm zu reden.

Du, 's iſt Feuer im Dach — mit dieſen Worten empfing ihn
ſein Geſelle, als Friedrich ſich zu ihm ſetzte — meine Schweſter iſt
auf morgen vor Kirchenconvent geladen.

Gottlob! rief Friedrich, jetzt kommt's doch endlich zum Treffen!
Sag' ihr nur, ich werd' noch heut bei ihr ſein.

Er trank ſchnell aus und eilte nach Hauſe zurück. Da er ſeinen
Vater mit Eſſen beſchäftigt fand, ſo ſetzte er ſich in eine dunkle Ecke,
wo er wartete, bis derſelbe fertig ſein würde.

Was haſt? Was guckſt? Haſt Hunger? fragte dieſer, den ſeines
Sohnes auf ihn gerichteter Blick beunruhigte.

Nein, Vater, ich muß Euch etwas ſagen, und will Euch nicht
über'm Eſſen ſtören, weil ich weiß, daß Ihr das nicht leiden könnt.

Der Alte, der etwas neugierig war, beſchleunigte ſeine Mahlzeit.
Nun, was iſt's? fragte er dann, vom Tiſch aufſtehend.

Friedrich ſtand gleichfalls auf. Vater, ſagte er, ich hab' Euch
verſprochen, mit der Chriſtine keinen Verkehr mehr zu haben, weder
ſchriftlich noch mündlich, und hab' das auch ſtreng gehalten bis daher.
Jetzt aber iſt an der Sach' ein ander's Trumm aufgangen, die Chri¬
ſtine iſt vor Kirchenconvent citirt —

Lüderlicher Hund! ſchrie der Alte und hob die Hand auf, ließ ſie
aber alsbald wieder ſinken, da er gewahrte, daß ſein Sohn, ohne ei¬
nen Schritt vor dem Schlage rückwärts zu weichen, in drohender, ent¬
ſchloſſener Haltung vor ihm ſtand. Es kam ihm erſt jetzt klar zum
Bewußtſein, daß er eigentli immer eine geheime Furcht vor ihm ge¬
habt habe.

Incommodirt Euch nicht, Vater, ſagte Friedrich, über das bin ich
hinausgewachſen, und was das Schimpfen betrifft, ſo weiß ich, daß
Ihr auch jung geweſen ſeid — Ihr werdet mich verſtehen.

Sprichſt du ſo mit deinem Vater? ſchrie der Sonnenwirth, der
wüthend und zugleich in einiger Verwirrung durch die Stube hin und
her lief. Seine Frau hatte ihm von ihrer ausgekundſchafteten Neuig¬
keit nichts mitgetheilt, ſei es, daß ſie eine für den Stiefſohn beſonders
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[179/0195] ihm ſagen, daß er doch gleich hinkommen möchte, denn er habe etwas Dringendes mit ihm zu reden. Du, 's iſt Feuer im Dach — mit dieſen Worten empfing ihn ſein Geſelle, als Friedrich ſich zu ihm ſetzte — meine Schweſter iſt auf morgen vor Kirchenconvent geladen. Gottlob! rief Friedrich, jetzt kommt's doch endlich zum Treffen! Sag' ihr nur, ich werd' noch heut bei ihr ſein. Er trank ſchnell aus und eilte nach Hauſe zurück. Da er ſeinen Vater mit Eſſen beſchäftigt fand, ſo ſetzte er ſich in eine dunkle Ecke, wo er wartete, bis derſelbe fertig ſein würde. Was haſt? Was guckſt? Haſt Hunger? fragte dieſer, den ſeines Sohnes auf ihn gerichteter Blick beunruhigte. Nein, Vater, ich muß Euch etwas ſagen, und will Euch nicht über'm Eſſen ſtören, weil ich weiß, daß Ihr das nicht leiden könnt. Der Alte, der etwas neugierig war, beſchleunigte ſeine Mahlzeit. Nun, was iſt's? fragte er dann, vom Tiſch aufſtehend. Friedrich ſtand gleichfalls auf. Vater, ſagte er, ich hab' Euch verſprochen, mit der Chriſtine keinen Verkehr mehr zu haben, weder ſchriftlich noch mündlich, und hab' das auch ſtreng gehalten bis daher. Jetzt aber iſt an der Sach' ein ander's Trumm aufgangen, die Chri¬ ſtine iſt vor Kirchenconvent citirt — Lüderlicher Hund! ſchrie der Alte und hob die Hand auf, ließ ſie aber alsbald wieder ſinken, da er gewahrte, daß ſein Sohn, ohne ei¬ nen Schritt vor dem Schlage rückwärts zu weichen, in drohender, ent¬ ſchloſſener Haltung vor ihm ſtand. Es kam ihm erſt jetzt klar zum Bewußtſein, daß er eigentli immer eine geheime Furcht vor ihm ge¬ habt habe. Incommodirt Euch nicht, Vater, ſagte Friedrich, über das bin ich hinausgewachſen, und was das Schimpfen betrifft, ſo weiß ich, daß Ihr auch jung geweſen ſeid — Ihr werdet mich verſtehen. Sprichſt du ſo mit deinem Vater? ſchrie der Sonnenwirth, der wüthend und zugleich in einiger Verwirrung durch die Stube hin und her lief. Seine Frau hatte ihm von ihrer ausgekundſchafteten Neuig¬ keit nichts mitgetheilt, ſei es, daß ſie eine für den Stiefſohn beſonders ungünſtige Gelegenheit abwarten oder, daß ſie ihren Mann von dem amtlichen Verlauf der Sache überraſchen laſſen wollte. 12 *

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/195>, abgerufen am 23.11.2024.