Salben hilft allenthalben. Ohne Trinkgeld richtet man in Stuttgart nichts aus. Aber sie brauchen's auch redlich. Das ist dir ein Wohl¬ leben in den Tag hinein, daß ich dir's gar nicht beschreiben kann. Ich möcht' nur wissen, wer das ganz' Nest verhält, ich glaub', das Land muß sie eben verhalten, denn schaffen sieht man keinen Menschen, als höchstens die Wirthe und die Putzmacherinnen. Schon am frühen Vormittag liegen die Männer im Wirthshaus oder spielen in den Kaffeehäusern, und denk' nur, die Weiber, hab' ich mir sagen lassen, laufen des Nachmittags zu einander in die Kaffeevisit' und bleiben bis Abends acht Uhr und drüber bei einander sitzen, und mit was meinst daß sie sich die Zeit vertreiben? Mit Kartenspielen, und das so hoch, daß erst vorgestern eine, wie ich gehört hab', mehr als hundert Gulden verloren hat. Und dabei treiben sie einen Luxus, daß es nicht zum sagen ist: Atlaskleider tragen sie und goldene Uhren, goldene Arm¬ bänder, eine Menge Ringe mit kostbaren Steinen, und Perlen um den Hals anstatt der Granaten.
Christine seufzte.
Und der Herzog vollends, fuhr er fort, der lebt wie der Vogel im Hanfsamen. Er ist grad so alt wie ich, hab' ich mir in Stutt¬ gart sagen lassen. 's ist doch eine confuse Welt. Ich muß bei ihm einkommen und meine Minderjährigkeit wegsuppliciren, damit ich hei¬ rathen und ein Hauswesen führen kann: und er ist im gleichen Alter, höchstens ein Jahr älter, und ist schon zwei Jahr' verheirathet und regiert seit sechs Jahr' ein ganz Land, daß es blitzt und kracht.
Versteht er denn sein Handwerk? fragte Christine.
Was weiß ich? Aber herrlich und in Freuden lebt er und Andern verbietet er was ihm selber schmeckt. Denk' nur, ich hab' auch die Herzogin gesehen. Aber die ist schön, und noch so jung, aber mächtig stolz. Mich wundert's nur, daß sie die ** leidet, die er neben ihr hält, und was meinst, die baden im Burgunderwein.
Pfui, sagte Christine, da möcht' ich nicht davon trinken.
O es gibt Leut', die ihn nachher kaufen, weil man ihn natürlich wohlfeil haben kann. Und vor acht Tagen hat er in Ludwigsburg ein Feuerwerk geben und hat dabei für fünfmalhunderttausend Gulden in die Luft aufgehen lassen. Man spricht noch heut' in Stuttgart
Salben hilft allenthalben. Ohne Trinkgeld richtet man in Stuttgart nichts aus. Aber ſie brauchen's auch redlich. Das iſt dir ein Wohl¬ leben in den Tag hinein, daß ich dir's gar nicht beſchreiben kann. Ich möcht' nur wiſſen, wer das ganz' Neſt verhält, ich glaub', das Land muß ſie eben verhalten, denn ſchaffen ſieht man keinen Menſchen, als höchſtens die Wirthe und die Putzmacherinnen. Schon am frühen Vormittag liegen die Männer im Wirthshaus oder ſpielen in den Kaffeehäuſern, und denk' nur, die Weiber, hab' ich mir ſagen laſſen, laufen des Nachmittags zu einander in die Kaffeeviſit' und bleiben bis Abends acht Uhr und drüber bei einander ſitzen, und mit was meinſt daß ſie ſich die Zeit vertreiben? Mit Kartenſpielen, und das ſo hoch, daß erſt vorgeſtern eine, wie ich gehört hab', mehr als hundert Gulden verloren hat. Und dabei treiben ſie einen Luxus, daß es nicht zum ſagen iſt: Atlaskleider tragen ſie und goldene Uhren, goldene Arm¬ bänder, eine Menge Ringe mit koſtbaren Steinen, und Perlen um den Hals anſtatt der Granaten.
Chriſtine ſeufzte.
Und der Herzog vollends, fuhr er fort, der lebt wie der Vogel im Hanfſamen. Er iſt grad ſo alt wie ich, hab' ich mir in Stutt¬ gart ſagen laſſen. 's iſt doch eine confuſe Welt. Ich muß bei ihm einkommen und meine Minderjährigkeit wegſuppliciren, damit ich hei¬ rathen und ein Hausweſen führen kann: und er iſt im gleichen Alter, höchſtens ein Jahr älter, und iſt ſchon zwei Jahr' verheirathet und regiert ſeit ſechs Jahr' ein ganz Land, daß es blitzt und kracht.
Verſteht er denn ſein Handwerk? fragte Chriſtine.
Was weiß ich? Aber herrlich und in Freuden lebt er und Andern verbietet er was ihm ſelber ſchmeckt. Denk' nur, ich hab' auch die Herzogin geſehen. Aber die iſt ſchön, und noch ſo jung, aber mächtig ſtolz. Mich wundert's nur, daß ſie die ** leidet, die er neben ihr hält, und was meinſt, die baden im Burgunderwein.
Pfui, ſagte Chriſtine, da möcht' ich nicht davon trinken.
O es gibt Leut', die ihn nachher kaufen, weil man ihn natürlich wohlfeil haben kann. Und vor acht Tagen hat er in Ludwigsburg ein Feuerwerk geben und hat dabei für fünfmalhunderttauſend Gulden in die Luft aufgehen laſſen. Man ſpricht noch heut' in Stuttgart
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0232"n="216"/>
Salben hilft allenthalben. Ohne Trinkgeld richtet man in Stuttgart<lb/>
nichts aus. Aber ſie brauchen's auch redlich. Das iſt dir ein Wohl¬<lb/>
leben in den Tag hinein, daß ich dir's gar nicht beſchreiben kann.<lb/>
Ich möcht' nur wiſſen, wer das ganz' Neſt verhält, ich glaub', das<lb/>
Land muß ſie eben verhalten, denn ſchaffen ſieht man keinen Menſchen,<lb/>
als höchſtens die Wirthe und die Putzmacherinnen. Schon am frühen<lb/>
Vormittag liegen die Männer im Wirthshaus oder ſpielen in den<lb/>
Kaffeehäuſern, und denk' nur, die Weiber, hab' ich mir ſagen laſſen,<lb/>
laufen des Nachmittags zu einander in die Kaffeeviſit' und bleiben bis<lb/>
Abends acht Uhr und drüber bei einander ſitzen, und mit was meinſt daß<lb/>ſie ſich die Zeit vertreiben? Mit Kartenſpielen, und das ſo hoch, daß<lb/>
erſt vorgeſtern eine, wie ich gehört hab', mehr als hundert Gulden<lb/>
verloren hat. Und dabei treiben ſie einen Luxus, daß es nicht zum<lb/>ſagen iſt: Atlaskleider tragen ſie und goldene Uhren, goldene Arm¬<lb/>
bänder, eine Menge Ringe mit koſtbaren Steinen, und Perlen um<lb/>
den Hals anſtatt der Granaten.</p><lb/><p>Chriſtine ſeufzte.</p><lb/><p>Und der Herzog vollends, fuhr er fort, der lebt wie der Vogel<lb/>
im Hanfſamen. Er iſt grad ſo alt wie ich, hab' ich mir in Stutt¬<lb/>
gart ſagen laſſen. 's iſt doch eine confuſe Welt. Ich muß bei ihm<lb/>
einkommen und meine Minderjährigkeit wegſuppliciren, damit ich hei¬<lb/>
rathen und ein Hausweſen führen kann: und er iſt im gleichen Alter,<lb/>
höchſtens ein Jahr älter, und iſt ſchon zwei Jahr' verheirathet und<lb/>
regiert ſeit ſechs Jahr' ein ganz Land, daß es blitzt und kracht.</p><lb/><p>Verſteht er denn ſein Handwerk? fragte Chriſtine.</p><lb/><p>Was weiß ich? Aber herrlich und in Freuden lebt er und Andern<lb/>
verbietet er was ihm ſelber ſchmeckt. Denk' nur, ich hab' auch die<lb/>
Herzogin geſehen. Aber die iſt ſchön, und noch ſo jung, aber mächtig<lb/>ſtolz. Mich wundert's nur, daß ſie die ** leidet, die er neben ihr<lb/>
hält, und was meinſt, die baden im Burgunderwein.</p><lb/><p>Pfui, ſagte Chriſtine, da möcht' ich nicht davon trinken.</p><lb/><p>O es gibt Leut', die ihn nachher kaufen, weil man ihn natürlich<lb/>
wohlfeil haben kann. Und vor acht Tagen hat er in Ludwigsburg<lb/>
ein Feuerwerk geben und hat dabei für fünfmalhunderttauſend Gulden<lb/>
in die Luft aufgehen laſſen. Man ſpricht noch heut' in Stuttgart<lb/></p></div></body></text></TEI>
[216/0232]
Salben hilft allenthalben. Ohne Trinkgeld richtet man in Stuttgart
nichts aus. Aber ſie brauchen's auch redlich. Das iſt dir ein Wohl¬
leben in den Tag hinein, daß ich dir's gar nicht beſchreiben kann.
Ich möcht' nur wiſſen, wer das ganz' Neſt verhält, ich glaub', das
Land muß ſie eben verhalten, denn ſchaffen ſieht man keinen Menſchen,
als höchſtens die Wirthe und die Putzmacherinnen. Schon am frühen
Vormittag liegen die Männer im Wirthshaus oder ſpielen in den
Kaffeehäuſern, und denk' nur, die Weiber, hab' ich mir ſagen laſſen,
laufen des Nachmittags zu einander in die Kaffeeviſit' und bleiben bis
Abends acht Uhr und drüber bei einander ſitzen, und mit was meinſt daß
ſie ſich die Zeit vertreiben? Mit Kartenſpielen, und das ſo hoch, daß
erſt vorgeſtern eine, wie ich gehört hab', mehr als hundert Gulden
verloren hat. Und dabei treiben ſie einen Luxus, daß es nicht zum
ſagen iſt: Atlaskleider tragen ſie und goldene Uhren, goldene Arm¬
bänder, eine Menge Ringe mit koſtbaren Steinen, und Perlen um
den Hals anſtatt der Granaten.
Chriſtine ſeufzte.
Und der Herzog vollends, fuhr er fort, der lebt wie der Vogel
im Hanfſamen. Er iſt grad ſo alt wie ich, hab' ich mir in Stutt¬
gart ſagen laſſen. 's iſt doch eine confuſe Welt. Ich muß bei ihm
einkommen und meine Minderjährigkeit wegſuppliciren, damit ich hei¬
rathen und ein Hausweſen führen kann: und er iſt im gleichen Alter,
höchſtens ein Jahr älter, und iſt ſchon zwei Jahr' verheirathet und
regiert ſeit ſechs Jahr' ein ganz Land, daß es blitzt und kracht.
Verſteht er denn ſein Handwerk? fragte Chriſtine.
Was weiß ich? Aber herrlich und in Freuden lebt er und Andern
verbietet er was ihm ſelber ſchmeckt. Denk' nur, ich hab' auch die
Herzogin geſehen. Aber die iſt ſchön, und noch ſo jung, aber mächtig
ſtolz. Mich wundert's nur, daß ſie die ** leidet, die er neben ihr
hält, und was meinſt, die baden im Burgunderwein.
Pfui, ſagte Chriſtine, da möcht' ich nicht davon trinken.
O es gibt Leut', die ihn nachher kaufen, weil man ihn natürlich
wohlfeil haben kann. Und vor acht Tagen hat er in Ludwigsburg
ein Feuerwerk geben und hat dabei für fünfmalhunderttauſend Gulden
in die Luft aufgehen laſſen. Man ſpricht noch heut' in Stuttgart
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/232>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.