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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Tausendgott'swillen bittet, sie soll' sie nicht verrathen, aber seit vier¬
zehn Tag' sei der Bescheid von Stuttgart da und lieg' auf des Amt¬
manns Schreibtisch. Es hab' ihr schier das Herz abdruckt, daß wir
nichts davon wissen sollen. Du könnest herzhaft auftreten und die
Proclamation verlangen. Aber wenn's 'rauskäm', daß sie's ausge¬
schwätzt hat, so wär' sie unglücklich.

Nein, nein, da muß man ganz still sein. Brav ist's von dem
Mädle, das muß ich sagen. Aber so viel seh' ich auch bei der Ge¬
legenheit, daß es Keine Einem nachträgt, wenn man sie einmal hat
küssen wollen.

So, du Lümple, was muß ich hören? Ist's beim Wollen blieben?
Hat sie dich heißen um ein Haus weiter gehen?

Ich hab' mir nicht Müh' gnug geben. Aber was denkt der Amt¬
mann? Getraut sich der, fürstliche Resolutionen zu unterschlagen?
Da steckt gewiß die Frau Sonnenwirthin mit unter der Decke. Ich
möcht' nur wissen, ob mein Vater auch etwas davon weiß.

Ja, ja, sagte Jerg vergnügt, man spricht's ganz' Jahr von der
Kirbe (Kirchweih), endlich ist sie. Er ging und ließ die beiden allein.

Wenn ich gestern gewußt hätt', was ich heut weiß, sagte Friedrich,
so hätt' mein Vater seinen Dinkel und Haber noch. Jetzt darf ich
mein Mütterlich's fordern und brauch' dich keine Noth mehr leiden zu
lassen. Wiewohl, ich will's ihm bei Heller und Pfenning zahlen.
Aber hätt'st dein Geheul auch noch ein paar Tag' unterwegs lassen
können.

Wenn man eben Alles wüßt', dann wär' man reich, versetzte
Christine.

Und hätt' ich's nur eine Stund' früher gewußt, fuhr er fort, dann
hätt' ich den Handel mit dem Christle nicht gemacht.

Was hast denn mit Dem gehandelt?

Meine Büchs' will ich wieder von ihm zurückkaufen. Um deinet¬
willen hab' ich sie von mir gethan und um deinetwillen nehm' ich sie
wieder an mich. Es ist auch so noch immer möglich, daß ich sie ein¬
mal brauch', um Weib und Kind zu verhalten. Doch ist's nur für
den äußersten Fall, und besser wär's, ich hätt' sie ihm noch gelassen,
denn so ein Teufelshirsch kann Einen bis in's Zuchthaus führen.

Laß du das Wildern sein, sagte Christine, und denk' auf andere

D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 15

Tauſendgott'swillen bittet, ſie ſoll' ſie nicht verrathen, aber ſeit vier¬
zehn Tag' ſei der Beſcheid von Stuttgart da und lieg' auf des Amt¬
manns Schreibtiſch. Es hab' ihr ſchier das Herz abdruckt, daß wir
nichts davon wiſſen ſollen. Du könneſt herzhaft auftreten und die
Proclamation verlangen. Aber wenn's 'rauskäm', daß ſie's ausge¬
ſchwätzt hat, ſo wär' ſie unglücklich.

Nein, nein, da muß man ganz ſtill ſein. Brav iſt's von dem
Mädle, das muß ich ſagen. Aber ſo viel ſeh' ich auch bei der Ge¬
legenheit, daß es Keine Einem nachträgt, wenn man ſie einmal hat
küſſen wollen.

So, du Lümple, was muß ich hören? Iſt's beim Wollen blieben?
Hat ſie dich heißen um ein Haus weiter gehen?

Ich hab' mir nicht Müh' gnug geben. Aber was denkt der Amt¬
mann? Getraut ſich der, fürſtliche Reſolutionen zu unterſchlagen?
Da ſteckt gewiß die Frau Sonnenwirthin mit unter der Decke. Ich
möcht' nur wiſſen, ob mein Vater auch etwas davon weiß.

Ja, ja, ſagte Jerg vergnügt, man ſpricht's ganz' Jahr von der
Kirbe (Kirchweih), endlich iſt ſie. Er ging und ließ die beiden allein.

Wenn ich geſtern gewußt hätt', was ich heut weiß, ſagte Friedrich,
ſo hätt' mein Vater ſeinen Dinkel und Haber noch. Jetzt darf ich
mein Mütterlich's fordern und brauch' dich keine Noth mehr leiden zu
laſſen. Wiewohl, ich will's ihm bei Heller und Pfenning zahlen.
Aber hätt'ſt dein Geheul auch noch ein paar Tag' unterwegs laſſen
können.

Wenn man eben Alles wüßt', dann wär' man reich, verſetzte
Chriſtine.

Und hätt' ich's nur eine Stund' früher gewußt, fuhr er fort, dann
hätt' ich den Handel mit dem Chriſtle nicht gemacht.

Was haſt denn mit Dem gehandelt?

Meine Büchſ' will ich wieder von ihm zurückkaufen. Um deinet¬
willen hab' ich ſie von mir gethan und um deinetwillen nehm' ich ſie
wieder an mich. Es iſt auch ſo noch immer möglich, daß ich ſie ein¬
mal brauch', um Weib und Kind zu verhalten. Doch iſt's nur für
den äußerſten Fall, und beſſer wär's, ich hätt' ſie ihm noch gelaſſen,
denn ſo ein Teufelshirſch kann Einen bis in's Zuchthaus führen.

Laß du das Wildern ſein, ſagte Chriſtine, und denk' auf andere

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[225/0241] Tauſendgott'swillen bittet, ſie ſoll' ſie nicht verrathen, aber ſeit vier¬ zehn Tag' ſei der Beſcheid von Stuttgart da und lieg' auf des Amt¬ manns Schreibtiſch. Es hab' ihr ſchier das Herz abdruckt, daß wir nichts davon wiſſen ſollen. Du könneſt herzhaft auftreten und die Proclamation verlangen. Aber wenn's 'rauskäm', daß ſie's ausge¬ ſchwätzt hat, ſo wär' ſie unglücklich. Nein, nein, da muß man ganz ſtill ſein. Brav iſt's von dem Mädle, das muß ich ſagen. Aber ſo viel ſeh' ich auch bei der Ge¬ legenheit, daß es Keine Einem nachträgt, wenn man ſie einmal hat küſſen wollen. So, du Lümple, was muß ich hören? Iſt's beim Wollen blieben? Hat ſie dich heißen um ein Haus weiter gehen? Ich hab' mir nicht Müh' gnug geben. Aber was denkt der Amt¬ mann? Getraut ſich der, fürſtliche Reſolutionen zu unterſchlagen? Da ſteckt gewiß die Frau Sonnenwirthin mit unter der Decke. Ich möcht' nur wiſſen, ob mein Vater auch etwas davon weiß. Ja, ja, ſagte Jerg vergnügt, man ſpricht's ganz' Jahr von der Kirbe (Kirchweih), endlich iſt ſie. Er ging und ließ die beiden allein. Wenn ich geſtern gewußt hätt', was ich heut weiß, ſagte Friedrich, ſo hätt' mein Vater ſeinen Dinkel und Haber noch. Jetzt darf ich mein Mütterlich's fordern und brauch' dich keine Noth mehr leiden zu laſſen. Wiewohl, ich will's ihm bei Heller und Pfenning zahlen. Aber hätt'ſt dein Geheul auch noch ein paar Tag' unterwegs laſſen können. Wenn man eben Alles wüßt', dann wär' man reich, verſetzte Chriſtine. Und hätt' ich's nur eine Stund' früher gewußt, fuhr er fort, dann hätt' ich den Handel mit dem Chriſtle nicht gemacht. Was haſt denn mit Dem gehandelt? Meine Büchſ' will ich wieder von ihm zurückkaufen. Um deinet¬ willen hab' ich ſie von mir gethan und um deinetwillen nehm' ich ſie wieder an mich. Es iſt auch ſo noch immer möglich, daß ich ſie ein¬ mal brauch', um Weib und Kind zu verhalten. Doch iſt's nur für den äußerſten Fall, und beſſer wär's, ich hätt' ſie ihm noch gelaſſen, denn ſo ein Teufelshirſch kann Einen bis in's Zuchthaus führen. Laß du das Wildern ſein, ſagte Chriſtine, und denk' auf andere D. B. IV. Kurz, Sonnenwirth. 15

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/241>, abgerufen am 24.11.2024.