klar, daß, wenn auch die fürstliche Regierung diesem jungen Menschen die Majorennität und die Heirathserlaubniß gnädigst bewilligt hat, ich, im fürstlichen Interesse selbst, vorderhand auf der baaren Leibeigen¬ schaftsablösung seiner, wenn auch proclamirten, doch immer nur erst prätendirten sponsa bestehen muß, muß demnach Namens gnädigster Herrschaft sowohl, als auch Seitens dieser Commune, deren Gericht und Rath ich mit thunlichster Beförderung des Näheren instruiren werde, beharren, daß ein giltiger Ehevollzug des Johann Friedrich Schwanen mit der Christina Müllerin nicht eher in's Werk gerichtet werden kann, als bis und bevor gedachter Ablösungsschilling entweder in Baarem erlegt oder eine durchaus satisfacirende Caution dafür ge¬ leistet ist; wobei, bewegender Gründe halber, überhaupt zu erfordern sein dürfte, daß sothane Caution sich auf den gesammten Nahrungsstand des Nupturienten zu erstrecken habe, denn wenn auch, aus Rücksicht auf die besondern Verhältnisse und die bei Gericht und Amt notorische Vermöglichkeit des Sonnenwirths, hievon Umgang genommen werden könnte, falls er seinem Sohne zur Seite zu stehen gesonnen ist, so muß doch im vorhandenen Zweifelsfall für den Nupturienten, uner¬ achtet er ein hiesiger Bürgerssohn, genügende Sicherheit verlangt wer¬ den, daß er erstlich seine ihm von gnädigster Herrschaft auferlegende praestationes richtig zu erfüllen im Stande sei, und zweitens, daß er, wo ihn sein Vater eventualiter außer Brod setzen sollte, gemeinem Flecken nicht mit einem penuriösen und armuthseligen Hausstande, mit Ansprüchen an das pium corpus und endlich gar mit einem Heere von mangelhaften Kindern, die um Brod und Kleidung schreien, und deren wir hier schon genug und übergenug haben, nicht wissend wo sie unterzubringen, beschwerlich fallen werde.
Der Amtmann wischte sich den Schweiß von der Stirne; seine Auseinandersetzung schien ihn etwas angegriffen zu haben. Doch lächelte er zufrieden, denn der Vortrag war nunmehr hinlänglich zu Faden geschlagen, um mit der nöthigen Geläufigkeit vor dem Magistrat ge¬ halten werden zu können. Die Sonnenwirthin hatte zwar, trotz der Andacht, mit der sie der Rede zugehört, schon der eingestreuten latei¬ nischen Brocken wegen, sehr viel davon nicht verstanden; doch begriff sie vollkommen, daß der Heirath ihres Stiefsohnes noch ein Riegel vorgeschoben werden könne. Sie ließ sich über die beiden Hauptpunkte,
klar, daß, wenn auch die fürſtliche Regierung dieſem jungen Menſchen die Majorennität und die Heirathserlaubniß gnädigſt bewilligt hat, ich, im fürſtlichen Intereſſe ſelbſt, vorderhand auf der baaren Leibeigen¬ ſchaftsablöſung ſeiner, wenn auch proclamirten, doch immer nur erſt prätendirten sponsa beſtehen muß, muß demnach Namens gnädigſter Herrſchaft ſowohl, als auch Seitens dieſer Commune, deren Gericht und Rath ich mit thunlichſter Beförderung des Näheren inſtruiren werde, beharren, daß ein giltiger Ehevollzug des Johann Friedrich Schwanen mit der Chriſtina Müllerin nicht eher in's Werk gerichtet werden kann, als bis und bevor gedachter Ablöſungsſchilling entweder in Baarem erlegt oder eine durchaus ſatisfacirende Caution dafür ge¬ leiſtet iſt; wobei, bewegender Gründe halber, überhaupt zu erfordern ſein dürfte, daß ſothane Caution ſich auf den geſammten Nahrungsſtand des Nupturienten zu erſtrecken habe, denn wenn auch, aus Rückſicht auf die beſondern Verhältniſſe und die bei Gericht und Amt notoriſche Vermöglichkeit des Sonnenwirths, hievon Umgang genommen werden könnte, falls er ſeinem Sohne zur Seite zu ſtehen geſonnen iſt, ſo muß doch im vorhandenen Zweifelsfall für den Nupturienten, uner¬ achtet er ein hieſiger Bürgersſohn, genügende Sicherheit verlangt wer¬ den, daß er erſtlich ſeine ihm von gnädigſter Herrſchaft auferlegende praestationes richtig zu erfüllen im Stande ſei, und zweitens, daß er, wo ihn ſein Vater eventualiter außer Brod ſetzen ſollte, gemeinem Flecken nicht mit einem penuriöſen und armuthſeligen Hausſtande, mit Anſprüchen an das pium corpus und endlich gar mit einem Heere von mangelhaften Kindern, die um Brod und Kleidung ſchreien, und deren wir hier ſchon genug und übergenug haben, nicht wiſſend wo ſie unterzubringen, beſchwerlich fallen werde.
Der Amtmann wiſchte ſich den Schweiß von der Stirne; ſeine Auseinanderſetzung ſchien ihn etwas angegriffen zu haben. Doch lächelte er zufrieden, denn der Vortrag war nunmehr hinlänglich zu Faden geſchlagen, um mit der nöthigen Geläufigkeit vor dem Magiſtrat ge¬ halten werden zu können. Die Sonnenwirthin hatte zwar, trotz der Andacht, mit der ſie der Rede zugehört, ſchon der eingeſtreuten latei¬ niſchen Brocken wegen, ſehr viel davon nicht verſtanden; doch begriff ſie vollkommen, daß der Heirath ihres Stiefſohnes noch ein Riegel vorgeſchoben werden könne. Sie ließ ſich über die beiden Hauptpunkte,
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klar, daß, wenn auch die fürſtliche Regierung dieſem jungen Menſchen
die Majorennität und die Heirathserlaubniß gnädigſt bewilligt hat, ich,
im fürſtlichen Intereſſe ſelbſt, vorderhand auf der baaren Leibeigen¬
ſchaftsablöſung ſeiner, wenn auch proclamirten, doch immer nur erſt
prätendirten sponsa beſtehen muß, muß demnach Namens gnädigſter
Herrſchaft ſowohl, als auch Seitens dieſer Commune, deren Gericht
und Rath ich mit thunlichſter Beförderung des Näheren inſtruiren
werde, beharren, daß ein giltiger Ehevollzug des Johann Friedrich
Schwanen mit der Chriſtina Müllerin nicht eher in's Werk gerichtet
werden kann, als bis und bevor gedachter Ablöſungsſchilling entweder
in Baarem erlegt oder eine durchaus ſatisfacirende Caution dafür ge¬
leiſtet iſt; wobei, bewegender Gründe halber, überhaupt zu erfordern
ſein dürfte, daß ſothane Caution ſich auf den geſammten Nahrungsſtand
des Nupturienten zu erſtrecken habe, denn wenn auch, aus Rückſicht
auf die beſondern Verhältniſſe und die bei Gericht und Amt notoriſche
Vermöglichkeit des Sonnenwirths, hievon Umgang genommen werden
könnte, falls er ſeinem Sohne zur Seite zu ſtehen geſonnen iſt, ſo
muß doch im vorhandenen Zweifelsfall für den Nupturienten, uner¬
achtet er ein hieſiger Bürgersſohn, genügende Sicherheit verlangt wer¬
den, daß er erſtlich ſeine ihm von gnädigſter Herrſchaft auferlegende
praestationes richtig zu erfüllen im Stande ſei, und zweitens, daß er,
wo ihn ſein Vater eventualiter außer Brod ſetzen ſollte, gemeinem
Flecken nicht mit einem penuriöſen und armuthſeligen Hausſtande, mit
Anſprüchen an das pium corpus und endlich gar mit einem Heere
von mangelhaften Kindern, die um Brod und Kleidung ſchreien, und
deren wir hier ſchon genug und übergenug haben, nicht wiſſend wo ſie
unterzubringen, beſchwerlich fallen werde.
Der Amtmann wiſchte ſich den Schweiß von der Stirne; ſeine
Auseinanderſetzung ſchien ihn etwas angegriffen zu haben. Doch lächelte
er zufrieden, denn der Vortrag war nunmehr hinlänglich zu Faden
geſchlagen, um mit der nöthigen Geläufigkeit vor dem Magiſtrat ge¬
halten werden zu können. Die Sonnenwirthin hatte zwar, trotz der
Andacht, mit der ſie der Rede zugehört, ſchon der eingeſtreuten latei¬
niſchen Brocken wegen, ſehr viel davon nicht verſtanden; doch begriff
ſie vollkommen, daß der Heirath ihres Stiefſohnes noch ein Riegel
vorgeſchoben werden könne. Sie ließ ſich über die beiden Hauptpunkte,
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/254>, abgerufen am 21.11.2024.
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