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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Rossen zu sehen gegangen, so kamen abermals Gäste, und zwar dies¬
mal zu ungewohnter Stunde aus dem Flecken selbst. Es war der
junge Müller Georg, den wir kennen, mit einem Mädchen von nicht
ungefälligem Aussehen, das er als seine Braut vorstellte, und einem
Schwarm von Sippschaft aus benachbarten Orten hinterdrein, worunter
sich auch der Knecht des andern Müllers befand. Er gehörte, wie
sich aus dem Gespräch ergab, zur Verwandtschaft, und hatte als Unter¬
händler dieses Verlöbniß zu Stande bringen helfen, daher er billig
beim Brauttrunke sich mitfreuen durfte. Die vergnügte Miene des
Müllers verrieth es, und derbe Andeutungen der andern Verwandten
sagten es noch lauter, daß die Braut "Batzen" habe. Ehe die Gäste
sich setzten, fand eine lange Begrüßung statt, bei welcher der Sonnen¬
wirth in ehrerbietigerem Tone als gewöhnlich und die Sonnenwirthin
mit sauersüßem Gesichte dem Müller Glück wünschten. Ja ja, sagte
diese, jetzt habt Ihr das recht' Wasser auf Eure Mühle gefunden;
der Silberbach, nicht wahr, der wird sie besser treiben, als der Ebers¬
bach? Die ganze Verwandtschaft lachte sehr geschmeichelt zusammen.
Nun trat auch Friedrich zu dem jungen Manne, den er trotz jener
Husarenjagd wohl leiden konnte, obgleich er in letzter Zeit mit ihm,
der sehr eingezogen lebte, nur selten in Gesellschaft gewesen war. Er
schüttelte ihm die Hand, begrüßte die Braut gleichfalls, und brachte
seinen Glückwunsch mit wenigen aber herzlichen Worten an. Jetzt
thu' Wein her, Frieder, und das nur g'nug! sagte der Müller. Heut
lass' ich alle Gäng' los! Du mußt auch mitthun, wir haben schon lang
nicht mehr mit einander getrunken.

Ja, ich will so frei sein, erwiderte er freundlich und eilte in den
Keller.

Ihr habt heut 'n Glückstag gehabt, Herr Sonnenwirth, begann
der Bräutigam, als die Gesellschaft, den Wirth und seine Frau mit
eingeschlossen, an dem runden Tische Platz genommen hatte. Ich bin
nicht dabei gewesen, hab's aber gehört. Und der Frieder, das ist ja
ein Kerl wie ein Löw'! Nun, der hat die Wurst nach der Speckseit' ge¬
worfen; der Herzog wird sich's hinter die Ohren geschrieben haben.

Der Sonnenwirth erzählte unmuthig, wie sein Sohn das ihm zu¬
geflogene Goldstück verschmäht habe. Die Gesellschaft hörte mit Ver¬
wunderung und Kopfschütteln zu. Die junge Braut lachte überlaut.

Roſſen zu ſehen gegangen, ſo kamen abermals Gäſte, und zwar dies¬
mal zu ungewohnter Stunde aus dem Flecken ſelbſt. Es war der
junge Müller Georg, den wir kennen, mit einem Mädchen von nicht
ungefälligem Ausſehen, das er als ſeine Braut vorſtellte, und einem
Schwarm von Sippſchaft aus benachbarten Orten hinterdrein, worunter
ſich auch der Knecht des andern Müllers befand. Er gehörte, wie
ſich aus dem Geſpräch ergab, zur Verwandtſchaft, und hatte als Unter¬
händler dieſes Verlöbniß zu Stande bringen helfen, daher er billig
beim Brauttrunke ſich mitfreuen durfte. Die vergnügte Miene des
Müllers verrieth es, und derbe Andeutungen der andern Verwandten
ſagten es noch lauter, daß die Braut „Batzen“ habe. Ehe die Gäſte
ſich ſetzten, fand eine lange Begrüßung ſtatt, bei welcher der Sonnen¬
wirth in ehrerbietigerem Tone als gewöhnlich und die Sonnenwirthin
mit ſauerſüßem Geſichte dem Müller Glück wünſchten. Ja ja, ſagte
dieſe, jetzt habt Ihr das recht' Waſſer auf Eure Mühle gefunden;
der Silberbach, nicht wahr, der wird ſie beſſer treiben, als der Ebers¬
bach? Die ganze Verwandtſchaft lachte ſehr geſchmeichelt zuſammen.
Nun trat auch Friedrich zu dem jungen Manne, den er trotz jener
Huſarenjagd wohl leiden konnte, obgleich er in letzter Zeit mit ihm,
der ſehr eingezogen lebte, nur ſelten in Geſellſchaft geweſen war. Er
ſchüttelte ihm die Hand, begrüßte die Braut gleichfalls, und brachte
ſeinen Glückwunſch mit wenigen aber herzlichen Worten an. Jetzt
thu' Wein her, Frieder, und das nur g'nug! ſagte der Müller. Heut
laſſ' ich alle Gäng' los! Du mußt auch mitthun, wir haben ſchon lang
nicht mehr mit einander getrunken.

Ja, ich will ſo frei ſein, erwiderte er freundlich und eilte in den
Keller.

Ihr habt heut 'n Glückstag gehabt, Herr Sonnenwirth, begann
der Bräutigam, als die Geſellſchaft, den Wirth und ſeine Frau mit
eingeſchloſſen, an dem runden Tiſche Platz genommen hatte. Ich bin
nicht dabei geweſen, hab's aber gehört. Und der Frieder, das iſt ja
ein Kerl wie ein Löw'! Nun, der hat die Wurſt nach der Speckſeit' ge¬
worfen; der Herzog wird ſich's hinter die Ohren geſchrieben haben.

Der Sonnenwirth erzählte unmuthig, wie ſein Sohn das ihm zu¬
geflogene Goldſtück verſchmäht habe. Die Geſellſchaft hörte mit Ver¬
wunderung und Kopfſchütteln zu. Die junge Braut lachte überlaut.

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[246/0262] Roſſen zu ſehen gegangen, ſo kamen abermals Gäſte, und zwar dies¬ mal zu ungewohnter Stunde aus dem Flecken ſelbſt. Es war der junge Müller Georg, den wir kennen, mit einem Mädchen von nicht ungefälligem Ausſehen, das er als ſeine Braut vorſtellte, und einem Schwarm von Sippſchaft aus benachbarten Orten hinterdrein, worunter ſich auch der Knecht des andern Müllers befand. Er gehörte, wie ſich aus dem Geſpräch ergab, zur Verwandtſchaft, und hatte als Unter¬ händler dieſes Verlöbniß zu Stande bringen helfen, daher er billig beim Brauttrunke ſich mitfreuen durfte. Die vergnügte Miene des Müllers verrieth es, und derbe Andeutungen der andern Verwandten ſagten es noch lauter, daß die Braut „Batzen“ habe. Ehe die Gäſte ſich ſetzten, fand eine lange Begrüßung ſtatt, bei welcher der Sonnen¬ wirth in ehrerbietigerem Tone als gewöhnlich und die Sonnenwirthin mit ſauerſüßem Geſichte dem Müller Glück wünſchten. Ja ja, ſagte dieſe, jetzt habt Ihr das recht' Waſſer auf Eure Mühle gefunden; der Silberbach, nicht wahr, der wird ſie beſſer treiben, als der Ebers¬ bach? Die ganze Verwandtſchaft lachte ſehr geſchmeichelt zuſammen. Nun trat auch Friedrich zu dem jungen Manne, den er trotz jener Huſarenjagd wohl leiden konnte, obgleich er in letzter Zeit mit ihm, der ſehr eingezogen lebte, nur ſelten in Geſellſchaft geweſen war. Er ſchüttelte ihm die Hand, begrüßte die Braut gleichfalls, und brachte ſeinen Glückwunſch mit wenigen aber herzlichen Worten an. Jetzt thu' Wein her, Frieder, und das nur g'nug! ſagte der Müller. Heut laſſ' ich alle Gäng' los! Du mußt auch mitthun, wir haben ſchon lang nicht mehr mit einander getrunken. Ja, ich will ſo frei ſein, erwiderte er freundlich und eilte in den Keller. Ihr habt heut 'n Glückstag gehabt, Herr Sonnenwirth, begann der Bräutigam, als die Geſellſchaft, den Wirth und ſeine Frau mit eingeſchloſſen, an dem runden Tiſche Platz genommen hatte. Ich bin nicht dabei geweſen, hab's aber gehört. Und der Frieder, das iſt ja ein Kerl wie ein Löw'! Nun, der hat die Wurſt nach der Speckſeit' ge¬ worfen; der Herzog wird ſich's hinter die Ohren geſchrieben haben. Der Sonnenwirth erzählte unmuthig, wie ſein Sohn das ihm zu¬ geflogene Goldſtück verſchmäht habe. Die Geſellſchaft hörte mit Ver¬ wunderung und Kopfſchütteln zu. Die junge Braut lachte überlaut.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/262>, abgerufen am 21.11.2024.