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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Pfarrer, ich will nicht sagen, in eigener Person unvorsichtige oder
mißverständliche Ausdrücke gebraucht, aber vielleicht bei den Unter¬
gebenen gewissem einfältigem Geschwätz nachgesehen haben? Wenn
man sich aber einmal Gedanken macht, so kommt man an allem Mög¬
lichen und Unmöglichen herum, und da kann Niemand wissen, was
zuletzt noch für Calamitäten draus entstehen mögen. Wollen's stecken
lassen, Frau Sonnenwirthin, wollen's stecken lassen. Beruht!

Und da wir just unter uns Pfarrerstöchtern sind, wie man zu
sagen pflegt, setzte die Amtmännin hinzu, so will ich erst noch den
Herzog in Schutz nehmen. Wenn eine Frau meint, sie habe sich über
ihren Mann zu beklagen, so fragt sich's oft, ob nicht sie den ersten
Anlaß gegeben hat. Die Hoffahrt, sagt das Sprichwort, muß etwas
leiden. Man mag von ihm sagen, was man will, er hat etwas, das
ihn von vielen andern großen Herren unterscheidet: er neigt sich zur
Landesart, hat etwas Populäres in seinen Manieren, und schämt sich
nicht, mit dem Unterthan auf einer espece von gleichem Fuß zu stehen.
Gerade das geht aber ihr völlig ab, sie hält es für gemein und wird
sich nie darein finden. Da ist's nun kein Wunder: wenn sich die
Köpfe nicht in einander fügen, so bleibt auch zwischen den Herzen eine
Kluft. Dann hat sie an ihrem Baireuther Hof sich an den hohen
Ton, den feinen Gout, an Oper und Ballet gewöhnt, und er hat, ih¬
rem Geschmack zu Lieb', Hofdamen, Sänger und Sängerinnen aus
Italien, Tänzer und Tänzerinnen aus Paris, Alles hat er ihr ange¬
schafft. Nun haben wir die Bescheerung. Die Damen und Demoi¬
sellen sind hübsch, sie ist vornehm, er leutselig und nicht von Stein --
da hat man leicht prophezeien können, wie es kommen wird.

Jetzt seh' ich erst, sagte die Sonnenwirthin listig lächelnd, welch'
ein groß' Zutrauen die Frau Amtmännin zu ihrem Herrn haben muß,
denn die Kathrine wär' doch kein ganz übler Bissen.

Die Amtmännin lachte aus vollem Halse. Ich bin nicht eifer¬
süchtig, rief sie. Mein Mann ist ein großer Jäger vor dem Herrn,
ein Nimrod, der hat ein Herz von Marmor und geht lieber auf was
Wildes als auf was Zahmes aus.

Dem Amtmann kam die Wendung des Gespräches gleichfalls
höchst spaßhaft vor, und unter lautem Gelächter wurde die Sonnen¬
wirthin entlassen.

Pfarrer, ich will nicht ſagen, in eigener Perſon unvorſichtige oder
mißverſtändliche Ausdrücke gebraucht, aber vielleicht bei den Unter¬
gebenen gewiſſem einfältigem Geſchwätz nachgeſehen haben? Wenn
man ſich aber einmal Gedanken macht, ſo kommt man an allem Mög¬
lichen und Unmöglichen herum, und da kann Niemand wiſſen, was
zuletzt noch für Calamitäten draus entſtehen mögen. Wollen's ſtecken
laſſen, Frau Sonnenwirthin, wollen's ſtecken laſſen. Beruht!

Und da wir juſt unter uns Pfarrerstöchtern ſind, wie man zu
ſagen pflegt, ſetzte die Amtmännin hinzu, ſo will ich erſt noch den
Herzog in Schutz nehmen. Wenn eine Frau meint, ſie habe ſich über
ihren Mann zu beklagen, ſo fragt ſich's oft, ob nicht ſie den erſten
Anlaß gegeben hat. Die Hoffahrt, ſagt das Sprichwort, muß etwas
leiden. Man mag von ihm ſagen, was man will, er hat etwas, das
ihn von vielen andern großen Herren unterſcheidet: er neigt ſich zur
Landesart, hat etwas Populäres in ſeinen Manieren, und ſchämt ſich
nicht, mit dem Unterthan auf einer espèce von gleichem Fuß zu ſtehen.
Gerade das geht aber ihr völlig ab, ſie hält es für gemein und wird
ſich nie darein finden. Da iſt's nun kein Wunder: wenn ſich die
Köpfe nicht in einander fügen, ſo bleibt auch zwiſchen den Herzen eine
Kluft. Dann hat ſie an ihrem Baireuther Hof ſich an den hohen
Ton, den feinen Gout, an Oper und Ballet gewöhnt, und er hat, ih¬
rem Geſchmack zu Lieb', Hofdamen, Sänger und Sängerinnen aus
Italien, Tänzer und Tänzerinnen aus Paris, Alles hat er ihr ange¬
ſchafft. Nun haben wir die Beſcheerung. Die Damen und Demoi¬
ſellen ſind hübſch, ſie iſt vornehm, er leutſelig und nicht von Stein —
da hat man leicht prophezeien können, wie es kommen wird.

Jetzt ſeh' ich erſt, ſagte die Sonnenwirthin liſtig lächelnd, welch'
ein groß' Zutrauen die Frau Amtmännin zu ihrem Herrn haben muß,
denn die Kathrine wär' doch kein ganz übler Biſſen.

Die Amtmännin lachte aus vollem Halſe. Ich bin nicht eifer¬
ſüchtig, rief ſie. Mein Mann iſt ein großer Jäger vor dem Herrn,
ein Nimrod, der hat ein Herz von Marmor und geht lieber auf was
Wildes als auf was Zahmes aus.

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wirthin entlaſſen.

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[269/0285] Pfarrer, ich will nicht ſagen, in eigener Perſon unvorſichtige oder mißverſtändliche Ausdrücke gebraucht, aber vielleicht bei den Unter¬ gebenen gewiſſem einfältigem Geſchwätz nachgeſehen haben? Wenn man ſich aber einmal Gedanken macht, ſo kommt man an allem Mög¬ lichen und Unmöglichen herum, und da kann Niemand wiſſen, was zuletzt noch für Calamitäten draus entſtehen mögen. Wollen's ſtecken laſſen, Frau Sonnenwirthin, wollen's ſtecken laſſen. Beruht! Und da wir juſt unter uns Pfarrerstöchtern ſind, wie man zu ſagen pflegt, ſetzte die Amtmännin hinzu, ſo will ich erſt noch den Herzog in Schutz nehmen. Wenn eine Frau meint, ſie habe ſich über ihren Mann zu beklagen, ſo fragt ſich's oft, ob nicht ſie den erſten Anlaß gegeben hat. Die Hoffahrt, ſagt das Sprichwort, muß etwas leiden. Man mag von ihm ſagen, was man will, er hat etwas, das ihn von vielen andern großen Herren unterſcheidet: er neigt ſich zur Landesart, hat etwas Populäres in ſeinen Manieren, und ſchämt ſich nicht, mit dem Unterthan auf einer espèce von gleichem Fuß zu ſtehen. Gerade das geht aber ihr völlig ab, ſie hält es für gemein und wird ſich nie darein finden. Da iſt's nun kein Wunder: wenn ſich die Köpfe nicht in einander fügen, ſo bleibt auch zwiſchen den Herzen eine Kluft. Dann hat ſie an ihrem Baireuther Hof ſich an den hohen Ton, den feinen Gout, an Oper und Ballet gewöhnt, und er hat, ih¬ rem Geſchmack zu Lieb', Hofdamen, Sänger und Sängerinnen aus Italien, Tänzer und Tänzerinnen aus Paris, Alles hat er ihr ange¬ ſchafft. Nun haben wir die Beſcheerung. Die Damen und Demoi¬ ſellen ſind hübſch, ſie iſt vornehm, er leutſelig und nicht von Stein — da hat man leicht prophezeien können, wie es kommen wird. Jetzt ſeh' ich erſt, ſagte die Sonnenwirthin liſtig lächelnd, welch' ein groß' Zutrauen die Frau Amtmännin zu ihrem Herrn haben muß, denn die Kathrine wär' doch kein ganz übler Biſſen. Die Amtmännin lachte aus vollem Halſe. Ich bin nicht eifer¬ ſüchtig, rief ſie. Mein Mann iſt ein großer Jäger vor dem Herrn, ein Nimrod, der hat ein Herz von Marmor und geht lieber auf was Wildes als auf was Zahmes aus. Dem Amtmann kam die Wendung des Geſpräches gleichfalls höchſt ſpaßhaft vor, und unter lautem Gelächter wurde die Sonnen¬ wirthin entlaſſen.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/285>, abgerufen am 21.11.2024.