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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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oder minder einträgliche Aemtchen bei der Gemeinde und darunter auch
das eines Gerichtsbeisitzers versah.

Friedrich blickte ihn verächtlich an.

Lass' Er mich nur machen, sagte der Amtmann verweisend zu der
eifrigen Urkundsperson. Dann hielt er eine eindringliche Rede an
den Gefangenen. Er fragte ihn, wie er es vor seinem Vater, vor
seiner Mutter, die sich im Grab umkehren müsse, vor seiner ehrbaren
Verwandtschaft, ja vor ihm selbst, dem Nachfolger seines Pathen, ver¬
antworten könne, so viel Unruhe über die Gemeinde zu bringen und
noch obendrein dem Gerichte durch seine Halsstarrigkeit zu schaffen zu
machen. Und was soll ich Seiner hochfürstlichen Durchlaucht antworten,
fuhr er fort, wenn Hochselbige sich herabläßt, sich nach dem jungen
Menschen zu erkundigen, der vor den höchsten Augen eine unleugbare
Bravour bewiesen hat? Wenn die Antwort lautet, er habe Verbrechen
auf Verbrechen gehäuft, endlich sogar seinem Richter die schuldige Ehr¬
erbietung verweigert, und durch bösartigen Trotz sich selbst noch tiefer
in Schaden gestürzt, muß dann nicht der Herr, der sonsten das Ver¬
dienst zu belohnen geneigt ist, sich beeilen, einen solchen Namen wieder
aus dem fürstlichen Gedächtniß auszulöschen?

Ich hab' kein' Lohn begehrt, erwiderte der Gefangene trotzig. Es
waren die ersten Worte, die er sprach.

Nun, so vergrößere Er wenigstens Seine Strafe nicht, sagte der
Amtmann, der das Eis gebrochen sah und rasch auf der gewonnenen
Bahn fortfuhr. Er hat es in der Hand, vielleicht schwerere Bezichte
von sich abzuwälzen. Mir geschieht es sauer genug, ein hiesiges Bur¬
gerskind criminaliter prozessiren zu müssen. Aber so viel wird Er
selbst einsehen: wenn die ganze Burgerschaft klagt, so kann ich doch
die Sache nicht vor Ohren gehen lassen.

Friedrich lächelte bitter. Es mögen wohl Viele hier sein, sagte er,
die mich gern am Galgen sehen möchten, aber Alle nicht. Wenn's
aber doch mit mir aus soll sein, und ich soll kein ehrlicher Mann
werden können -- vor dem Flecken draußen steht ja das Hochgericht,
also machen Sie vorwärts, Herr Amtmann! Je kürzer der Prozeß,
desto besser ist's für mich.

Der Amtmann lachte. So kurzen Prozeß kann ich nicht machen,
sagte er. Stock und Galgen haben wir wohl noch, aber der Stab ist

oder minder einträgliche Aemtchen bei der Gemeinde und darunter auch
das eines Gerichtsbeiſitzers verſah.

Friedrich blickte ihn verächtlich an.

Laſſ' Er mich nur machen, ſagte der Amtmann verweiſend zu der
eifrigen Urkundsperſon. Dann hielt er eine eindringliche Rede an
den Gefangenen. Er fragte ihn, wie er es vor ſeinem Vater, vor
ſeiner Mutter, die ſich im Grab umkehren müſſe, vor ſeiner ehrbaren
Verwandtſchaft, ja vor ihm ſelbſt, dem Nachfolger ſeines Pathen, ver¬
antworten könne, ſo viel Unruhe über die Gemeinde zu bringen und
noch obendrein dem Gerichte durch ſeine Halsſtarrigkeit zu ſchaffen zu
machen. Und was ſoll ich Seiner hochfürſtlichen Durchlaucht antworten,
fuhr er fort, wenn Hochſelbige ſich herabläßt, ſich nach dem jungen
Menſchen zu erkundigen, der vor den höchſten Augen eine unleugbare
Bravour bewieſen hat? Wenn die Antwort lautet, er habe Verbrechen
auf Verbrechen gehäuft, endlich ſogar ſeinem Richter die ſchuldige Ehr¬
erbietung verweigert, und durch bösartigen Trotz ſich ſelbſt noch tiefer
in Schaden geſtürzt, muß dann nicht der Herr, der ſonſten das Ver¬
dienſt zu belohnen geneigt iſt, ſich beeilen, einen ſolchen Namen wieder
aus dem fürſtlichen Gedächtniß auszulöſchen?

Ich hab' kein' Lohn begehrt, erwiderte der Gefangene trotzig. Es
waren die erſten Worte, die er ſprach.

Nun, ſo vergrößere Er wenigſtens Seine Strafe nicht, ſagte der
Amtmann, der das Eis gebrochen ſah und raſch auf der gewonnenen
Bahn fortfuhr. Er hat es in der Hand, vielleicht ſchwerere Bezichte
von ſich abzuwälzen. Mir geſchieht es ſauer genug, ein hieſiges Bur¬
gerskind criminaliter prozeſſiren zu müſſen. Aber ſo viel wird Er
ſelbſt einſehen: wenn die ganze Burgerſchaft klagt, ſo kann ich doch
die Sache nicht vor Ohren gehen laſſen.

Friedrich lächelte bitter. Es mögen wohl Viele hier ſein, ſagte er,
die mich gern am Galgen ſehen möchten, aber Alle nicht. Wenn's
aber doch mit mir aus ſoll ſein, und ich ſoll kein ehrlicher Mann
werden können — vor dem Flecken draußen ſteht ja das Hochgericht,
alſo machen Sie vorwärts, Herr Amtmann! Je kürzer der Prozeß,
deſto beſſer iſt's für mich.

Der Amtmann lachte. So kurzen Prozeß kann ich nicht machen,
ſagte er. Stock und Galgen haben wir wohl noch, aber der Stab iſt

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[271/0287] oder minder einträgliche Aemtchen bei der Gemeinde und darunter auch das eines Gerichtsbeiſitzers verſah. Friedrich blickte ihn verächtlich an. Laſſ' Er mich nur machen, ſagte der Amtmann verweiſend zu der eifrigen Urkundsperſon. Dann hielt er eine eindringliche Rede an den Gefangenen. Er fragte ihn, wie er es vor ſeinem Vater, vor ſeiner Mutter, die ſich im Grab umkehren müſſe, vor ſeiner ehrbaren Verwandtſchaft, ja vor ihm ſelbſt, dem Nachfolger ſeines Pathen, ver¬ antworten könne, ſo viel Unruhe über die Gemeinde zu bringen und noch obendrein dem Gerichte durch ſeine Halsſtarrigkeit zu ſchaffen zu machen. Und was ſoll ich Seiner hochfürſtlichen Durchlaucht antworten, fuhr er fort, wenn Hochſelbige ſich herabläßt, ſich nach dem jungen Menſchen zu erkundigen, der vor den höchſten Augen eine unleugbare Bravour bewieſen hat? Wenn die Antwort lautet, er habe Verbrechen auf Verbrechen gehäuft, endlich ſogar ſeinem Richter die ſchuldige Ehr¬ erbietung verweigert, und durch bösartigen Trotz ſich ſelbſt noch tiefer in Schaden geſtürzt, muß dann nicht der Herr, der ſonſten das Ver¬ dienſt zu belohnen geneigt iſt, ſich beeilen, einen ſolchen Namen wieder aus dem fürſtlichen Gedächtniß auszulöſchen? Ich hab' kein' Lohn begehrt, erwiderte der Gefangene trotzig. Es waren die erſten Worte, die er ſprach. Nun, ſo vergrößere Er wenigſtens Seine Strafe nicht, ſagte der Amtmann, der das Eis gebrochen ſah und raſch auf der gewonnenen Bahn fortfuhr. Er hat es in der Hand, vielleicht ſchwerere Bezichte von ſich abzuwälzen. Mir geſchieht es ſauer genug, ein hieſiges Bur¬ gerskind criminaliter prozeſſiren zu müſſen. Aber ſo viel wird Er ſelbſt einſehen: wenn die ganze Burgerſchaft klagt, ſo kann ich doch die Sache nicht vor Ohren gehen laſſen. Friedrich lächelte bitter. Es mögen wohl Viele hier ſein, ſagte er, die mich gern am Galgen ſehen möchten, aber Alle nicht. Wenn's aber doch mit mir aus ſoll ſein, und ich ſoll kein ehrlicher Mann werden können — vor dem Flecken draußen ſteht ja das Hochgericht, alſo machen Sie vorwärts, Herr Amtmann! Je kürzer der Prozeß, deſto beſſer iſt's für mich. Der Amtmann lachte. So kurzen Prozeß kann ich nicht machen, ſagte er. Stock und Galgen haben wir wohl noch, aber der Stab iſt

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/287>, abgerufen am 22.11.2024.