tigend. Mir ist ja die Sonne auch nicht verschlossen und ein' Ehr' ist der andern werth.
Und was hat Er in dem Haus gethan? wiederholte der Amtmann.
Die Straf' für meine Christine geholt, wie ich ja schon von An¬ fang hab' sagen wollen! antwortete der Gefangene etwas gereizt.
Also hat er Ihm Geld genommen? fragte der Amtmann den Mann vom Lande.
Beileib net, Herr Amtmann, b'hüt uns Gott! sagte dieser: bloß e' bissele Zwetschgen und e' bissele Trilch und e' bissele Garn und e' bissele Flachs, und aber über alles das hat er mir eine Quittung geben.
Hat Er die Quittung da?
Ha freile, Herr Amtmann, rief der Nichtkläger, dem die Freude, sein Anliegen so geschickt anbringen zu können, aus den Augen blin¬ zelte, und reichte die Quittung mit weit vorgebeugtem Leib und aus¬ gestrecktem Arm dem Amtmann hin.
Hat Er die Quittung in jener Nacht zurückgelassen? fragte der Amtmann den Gefangenen.
Nein, Herr Amtmann, damals hat mir's zu arg pressirt. Ich hab' dann gleich den Tag darauf das Sach' verhandelt und das Geld meiner Christine gebracht, damit's mit der Straf' in Richtigkeit kom¬ men soll. In etlichen Tagen hernach bin ich aber wieder hinaus und bin meinem Vetter abermals ins Haus kommen und hab' ihm die Quittung ehrlich und redlich auf den Tisch gelegt, er kann's selber nicht anders sagen. Und wiewohl ich rechtschaffen Hunger gehabt hab', so hab' ich doch für mich nichts angerührt.
Ja, der Frieder ist recht, das muß man ihm lassen, sagte der Vetter unter fortwährendem leisen Gelächter der beiden Gerichtsbeisitzer. Ich wär' auch zufrieden gewesen mit der Quittung, denn sein Wort ist mir so lieb wie baar Geld, trag' ihm auch gar nichts nach, und aber nur weil ich gestern Nacht gehört hab', daß er in Ungelegenheit kommen sei, so hab' ich gemeint, ich müss' doch sehen, daß ich wieder zu mei'm Sächle komm', eh' jemand anders die Hand drauf deckt.
Der Amtmann selbst konnte das Lachen kaum verbeißen. Hat Er denn nach dem ersten Besuch Sein Haus nicht besser verwahrt, daß Ihm der ungeladene Gast noch einmal hat hineinkommen können? fragte er.
tigend. Mir iſt ja die Sonne auch nicht verſchloſſen und ein' Ehr' iſt der andern werth.
Und was hat Er in dem Haus gethan? wiederholte der Amtmann.
Die Straf' für meine Chriſtine geholt, wie ich ja ſchon von An¬ fang hab' ſagen wollen! antwortete der Gefangene etwas gereizt.
Alſo hat er Ihm Geld genommen? fragte der Amtmann den Mann vom Lande.
Beileib net, Herr Amtmann, b'hüt uns Gott! ſagte dieſer: bloß e' biſſele Zwetſchgen und e' biſſele Trilch und e' biſſele Garn und e' biſſele Flachs, und aber über alles das hat er mir eine Quittung geben.
Hat Er die Quittung da?
Ha freile, Herr Amtmann, rief der Nichtkläger, dem die Freude, ſein Anliegen ſo geſchickt anbringen zu können, aus den Augen blin¬ zelte, und reichte die Quittung mit weit vorgebeugtem Leib und aus¬ geſtrecktem Arm dem Amtmann hin.
Hat Er die Quittung in jener Nacht zurückgelaſſen? fragte der Amtmann den Gefangenen.
Nein, Herr Amtmann, damals hat mir's zu arg preſſirt. Ich hab' dann gleich den Tag darauf das Sach' verhandelt und das Geld meiner Chriſtine gebracht, damit's mit der Straf' in Richtigkeit kom¬ men ſoll. In etlichen Tagen hernach bin ich aber wieder hinaus und bin meinem Vetter abermals ins Haus kommen und hab' ihm die Quittung ehrlich und redlich auf den Tiſch gelegt, er kann's ſelber nicht anders ſagen. Und wiewohl ich rechtſchaffen Hunger gehabt hab', ſo hab' ich doch für mich nichts angerührt.
Ja, der Frieder iſt recht, das muß man ihm laſſen, ſagte der Vetter unter fortwährendem leiſen Gelächter der beiden Gerichtsbeiſitzer. Ich wär' auch zufrieden geweſen mit der Quittung, denn ſein Wort iſt mir ſo lieb wie baar Geld, trag' ihm auch gar nichts nach, und aber nur weil ich geſtern Nacht gehört hab', daß er in Ungelegenheit kommen ſei, ſo hab' ich gemeint, ich müſſ' doch ſehen, daß ich wieder zu mei'm Sächle komm', eh' jemand anders die Hand drauf deckt.
Der Amtmann ſelbſt konnte das Lachen kaum verbeißen. Hat Er denn nach dem erſten Beſuch Sein Haus nicht beſſer verwahrt, daß Ihm der ungeladene Gaſt noch einmal hat hineinkommen können? fragte er.
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iſt der andern werth.
Und was hat Er in dem Haus gethan? wiederholte der Amtmann.
Die Straf' für meine Chriſtine geholt, wie ich ja ſchon von An¬
fang hab' ſagen wollen! antwortete der Gefangene etwas gereizt.
Alſo hat er Ihm Geld genommen? fragte der Amtmann den
Mann vom Lande.
Beileib net, Herr Amtmann, b'hüt uns Gott! ſagte dieſer: bloß
e' biſſele Zwetſchgen und e' biſſele Trilch und e' biſſele Garn und e'
biſſele Flachs, und aber über alles das hat er mir eine Quittung
geben.
Hat Er die Quittung da?
Ha freile, Herr Amtmann, rief der Nichtkläger, dem die Freude,
ſein Anliegen ſo geſchickt anbringen zu können, aus den Augen blin¬
zelte, und reichte die Quittung mit weit vorgebeugtem Leib und aus¬
geſtrecktem Arm dem Amtmann hin.
Hat Er die Quittung in jener Nacht zurückgelaſſen? fragte der
Amtmann den Gefangenen.
Nein, Herr Amtmann, damals hat mir's zu arg preſſirt. Ich
hab' dann gleich den Tag darauf das Sach' verhandelt und das Geld
meiner Chriſtine gebracht, damit's mit der Straf' in Richtigkeit kom¬
men ſoll. In etlichen Tagen hernach bin ich aber wieder hinaus und
bin meinem Vetter abermals ins Haus kommen und hab' ihm die
Quittung ehrlich und redlich auf den Tiſch gelegt, er kann's ſelber
nicht anders ſagen. Und wiewohl ich rechtſchaffen Hunger gehabt hab',
ſo hab' ich doch für mich nichts angerührt.
Ja, der Frieder iſt recht, das muß man ihm laſſen, ſagte der Vetter
unter fortwährendem leiſen Gelächter der beiden Gerichtsbeiſitzer. Ich
wär' auch zufrieden geweſen mit der Quittung, denn ſein Wort iſt
mir ſo lieb wie baar Geld, trag' ihm auch gar nichts nach, und aber
nur weil ich geſtern Nacht gehört hab', daß er in Ungelegenheit
kommen ſei, ſo hab' ich gemeint, ich müſſ' doch ſehen, daß ich wieder
zu mei'm Sächle komm', eh' jemand anders die Hand drauf deckt.
Der Amtmann ſelbſt konnte das Lachen kaum verbeißen. Hat Er
denn nach dem erſten Beſuch Sein Haus nicht beſſer verwahrt, daß
Ihm der ungeladene Gaſt noch einmal hat hineinkommen können? fragte er.
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/294>, abgerufen am 21.11.2024.
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