Feuer im Dach ist, daß das Ding Lärm macht, hab' mir also den Kopf nicht lang zerbrochen, sondern hab' ihn zwischen die Füß' ge¬ nommen und mich in der Sonne verborgen, bis ich etwas Luft hätt', um durchzukommen. Das war ein Rennen und Laufen den ganzen Tag, ich hab' Alles von meinem Versteck aus angehört und mich nicht gerührt. Möglich ist's, daß die Frau Sonnenwirthin in ihrem witzi¬ gen Hirn draufkommen ist, hinter den alten Fässern und dem Rumpel¬ zeug im hundertjährigen Staub könnt' was Lebendiges stecken aber gradaus ist sie mir nicht zu Leib gegangen, das ist überhaupt ihr Genie nicht. Gegen die Nacht, während ich eben denk', jetzt könnt' ich bald entschlüpfen, hör' ich an meinem Versteck herumtappen, klopfen und Frieder! rufen. An der Stimm' erkenn' ich deinen Hannes, geb' aber nicht gleich Antwort. Drauf fährt er fort, ich solle mich doch nicht so verstellen, er sei mit etlichen Kameraden im Urlaub da, sie haben von meinem Malheur gehört und meinen's gut mit mir, ich solle nur herfürkommen, sie wollen mich in die Mitte nehmen und mir durchhelfen; auch hab' er mir von dir etwas Nöthiges auszurichten. Was hätt' ich ihm nicht trauen sollen ? Mir ist's im Schlaf nicht ein¬ gefallen, daß er mir von früher her etwas nachträgt, was mich gar nicht einmal betrifft. Wie ich aber gutsmuths heraussteige, so fassen mich die Soldaten und schreien: Arretirt! Ich hätt' mich vor denen pappeten Herrgöttern mit ihren Krautmessern und ihren gemalten Schnurrbärten nicht geforchten, ich hätt's mit allen aufgenommen, aber ich stand dir da, ganz steif und starr über die Verrätherei, wenn man mich gestochen hätt', ich hätt' kein Blut geben, und so bin ich regungs¬ los von ihnen gefangen und gebunden worden. Wenn sie also nach¬ her behauptet haben, es hab' einen Kampf und ein Getümmel gekostet so haben sie schmählich gelogen, um ihre Heldenthat desto größer zu machen.
Großer Gott! rief sie jammervoll: also mein eigener leiblicher Bruder hat dich an's Messer geliefert, und ich hab' kein Wort davon gewußt! Es ist mir nur lieb, daß er jetzt weit weg in Garnison liegt. Und an mir willst du's nicht auslassen, daß mein Bruder so eine Schlechtigkeit an dir begangen hat?
Wär' ich sonst so weit her zu dir kommen? antwortete er.
Sie gab ihm ihre Dankbarkeit durch warme Liebkosungen zu er¬
Feuer im Dach iſt, daß das Ding Lärm macht, hab' mir alſo den Kopf nicht lang zerbrochen, ſondern hab' ihn zwiſchen die Füß' ge¬ nommen und mich in der Sonne verborgen, bis ich etwas Luft hätt', um durchzukommen. Das war ein Rennen und Laufen den ganzen Tag, ich hab' Alles von meinem Verſteck aus angehört und mich nicht gerührt. Möglich iſt's, daß die Frau Sonnenwirthin in ihrem witzi¬ gen Hirn draufkommen iſt, hinter den alten Fäſſern und dem Rumpel¬ zeug im hundertjährigen Staub könnt' was Lebendiges ſtecken aber gradaus iſt ſie mir nicht zu Leib gegangen, das iſt überhaupt ihr Genie nicht. Gegen die Nacht, während ich eben denk', jetzt könnt' ich bald entſchlüpfen, hör' ich an meinem Verſteck herumtappen, klopfen und Frieder! rufen. An der Stimm' erkenn' ich deinen Hannes, geb' aber nicht gleich Antwort. Drauf fährt er fort, ich ſolle mich doch nicht ſo verſtellen, er ſei mit etlichen Kameraden im Urlaub da, ſie haben von meinem Malheur gehört und meinen's gut mit mir, ich ſolle nur herfürkommen, ſie wollen mich in die Mitte nehmen und mir durchhelfen; auch hab' er mir von dir etwas Nöthiges auszurichten. Was hätt' ich ihm nicht trauen ſollen ? Mir iſt's im Schlaf nicht ein¬ gefallen, daß er mir von früher her etwas nachträgt, was mich gar nicht einmal betrifft. Wie ich aber gutsmuths herausſteige, ſo faſſen mich die Soldaten und ſchreien: Arretirt! Ich hätt' mich vor denen pappeten Herrgöttern mit ihren Krautmeſſern und ihren gemalten Schnurrbärten nicht geforchten, ich hätt's mit allen aufgenommen, aber ich ſtand dir da, ganz ſteif und ſtarr über die Verrätherei, wenn man mich geſtochen hätt', ich hätt' kein Blut geben, und ſo bin ich regungs¬ los von ihnen gefangen und gebunden worden. Wenn ſie alſo nach¬ her behauptet haben, es hab' einen Kampf und ein Getümmel gekoſtet ſo haben ſie ſchmählich gelogen, um ihre Heldenthat deſto größer zu machen.
Großer Gott! rief ſie jammervoll: alſo mein eigener leiblicher Bruder hat dich an's Meſſer geliefert, und ich hab' kein Wort davon gewußt! Es iſt mir nur lieb, daß er jetzt weit weg in Garniſon liegt. Und an mir willſt du's nicht auslaſſen, daß mein Bruder ſo eine Schlechtigkeit an dir begangen hat?
Wär' ich ſonſt ſo weit her zu dir kommen? antwortete er.
Sie gab ihm ihre Dankbarkeit durch warme Liebkoſungen zu er¬
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Feuer im Dach iſt, daß das Ding Lärm macht, hab' mir alſo den
Kopf nicht lang zerbrochen, ſondern hab' ihn zwiſchen die Füß' ge¬
nommen und mich in der Sonne verborgen, bis ich etwas Luft hätt',
um durchzukommen. Das war ein Rennen und Laufen den ganzen
Tag, ich hab' Alles von meinem Verſteck aus angehört und mich nicht
gerührt. Möglich iſt's, daß die Frau Sonnenwirthin in ihrem witzi¬
gen Hirn draufkommen iſt, hinter den alten Fäſſern und dem Rumpel¬
zeug im hundertjährigen Staub könnt' was Lebendiges ſtecken aber
gradaus iſt ſie mir nicht zu Leib gegangen, das iſt überhaupt ihr
Genie nicht. Gegen die Nacht, während ich eben denk', jetzt könnt' ich
bald entſchlüpfen, hör' ich an meinem Verſteck herumtappen, klopfen
und Frieder! rufen. An der Stimm' erkenn' ich deinen Hannes, geb'
aber nicht gleich Antwort. Drauf fährt er fort, ich ſolle mich doch
nicht ſo verſtellen, er ſei mit etlichen Kameraden im Urlaub da, ſie
haben von meinem Malheur gehört und meinen's gut mit mir, ich
ſolle nur herfürkommen, ſie wollen mich in die Mitte nehmen und mir
durchhelfen; auch hab' er mir von dir etwas Nöthiges auszurichten.
Was hätt' ich ihm nicht trauen ſollen ? Mir iſt's im Schlaf nicht ein¬
gefallen, daß er mir von früher her etwas nachträgt, was mich gar
nicht einmal betrifft. Wie ich aber gutsmuths herausſteige, ſo faſſen
mich die Soldaten und ſchreien: Arretirt! Ich hätt' mich vor denen
pappeten Herrgöttern mit ihren Krautmeſſern und ihren gemalten
Schnurrbärten nicht geforchten, ich hätt's mit allen aufgenommen, aber
ich ſtand dir da, ganz ſteif und ſtarr über die Verrätherei, wenn man
mich geſtochen hätt', ich hätt' kein Blut geben, und ſo bin ich regungs¬
los von ihnen gefangen und gebunden worden. Wenn ſie alſo nach¬
her behauptet haben, es hab' einen Kampf und ein Getümmel gekoſtet
ſo haben ſie ſchmählich gelogen, um ihre Heldenthat deſto größer zu
machen.
Großer Gott! rief ſie jammervoll: alſo mein eigener leiblicher
Bruder hat dich an's Meſſer geliefert, und ich hab' kein Wort davon
gewußt! Es iſt mir nur lieb, daß er jetzt weit weg in Garniſon liegt.
Und an mir willſt du's nicht auslaſſen, daß mein Bruder ſo eine
Schlechtigkeit an dir begangen hat?
Wär' ich ſonſt ſo weit her zu dir kommen? antwortete er.
Sie gab ihm ihre Dankbarkeit durch warme Liebkoſungen zu er¬
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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/311>, abgerufen am 22.11.2024.
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