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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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Was heißt denn das, was du da hergesagt hast? fragte sie.

Es ist nur eine Probe, sagte er, und bedeutet so viel als: die
Kochem sind groß an Mannschaft im Schwabenland, brechen bei Nacht
in die Häuser, leeren Stuben, Kammern und Kästen, gehen auf Märkte,
rapsen Waare, ziehen Geld aus Taschen, schnellen die Leute, essen
und trinken gut mit ihren hübschen tanzlustigen Weibsbildern (denn
daran rühmen sie sich reich zu sein), liegen auf dem Feld um's Feuer,
schwatzen und lachen, aber oft kommen Streifer, nehmen sie gefangen,
oft machen sie sich davon, wenn sie aber in's Gefängniß gerathen und
ihre Sachen an Tag kommen, kriegen sie Schläge und Prügel, müssen
auch oft sterben, werden gemalefitzt, an den Galgen gehenkt, geköpft
oder gerädert.

B'hüt' uns Gott! rief sie, und solche Reden gehen aus ihrem ei¬
genen Mund?

Das sind Dinge, von denen sie täglich reden, um sich recht an den
Gedanken zu gewöhnen, gleichwie der Amalekiter König Agag zu
Samuel sprach: Also muß man des Todes Bitterkeit vertreiben.

Für 'n Amalekiter mag das schon recht sein, aber es sind doch
schreckliche, gräuliche Ding', und man kann's nicht verantworten, daß
man dich so jung mit so Leut' zusammengepfercht hat. Ach Frieder,
ich bitt' dich, laß du sie links ziehen und halt' dich nicht zu ihnen.

Nein, sagte er, ich hab' allen Respect vor ihnen und will mich
auch nicht mit ihnen einlassen. Deswegen gehen wir ja außer Lands,
wo auch gut Brod essen ist und wo mich keiner von ihnen kennt.

Bei der Flucht von Hohentwiel also sind sie deine Kameraden ge¬
wesen? Ich kann mir's jetzt schon denken.

Mit Hilfe des Jenischen, fuhr er in seiner Erzählung fort, brachte
ich bald heraus, welche von den Gefangenen die tauglichsten waren
und meinem Gefängniß am nächsten lagen. Zum größten Glücke hatte
ich zwei Nachbarn, ganze Kerls, mit denen ich den Teufel aus der
Hölle schlagen wollte. Uns zu verständigen, das war uns eine Klei¬
nigkeit. Im Vorbeigehen etwas hingemurmelt oder im Sprechen mit
der Schildwacht oder dem Aufseher ein paar jenische Brocken einge¬
streut und dabei dem eigentlichen Adressaten den Rücken zugekehrt --
das ist für einen Kochum so viel wie ein ganzes Buch; aus zwei, drei
Worten, die von einem Andern fast ohne Mundbewegung an ihn herge¬

Was heißt denn das, was du da hergeſagt haſt? fragte ſie.

Es iſt nur eine Probe, ſagte er, und bedeutet ſo viel als: die
Kochem ſind groß an Mannſchaft im Schwabenland, brechen bei Nacht
in die Häuſer, leeren Stuben, Kammern und Käſten, gehen auf Märkte,
rapſen Waare, ziehen Geld aus Taſchen, ſchnellen die Leute, eſſen
und trinken gut mit ihren hübſchen tanzluſtigen Weibsbildern (denn
daran rühmen ſie ſich reich zu ſein), liegen auf dem Feld um's Feuer,
ſchwatzen und lachen, aber oft kommen Streifer, nehmen ſie gefangen,
oft machen ſie ſich davon, wenn ſie aber in's Gefängniß gerathen und
ihre Sachen an Tag kommen, kriegen ſie Schläge und Prügel, müſſen
auch oft ſterben, werden gemalefitzt, an den Galgen gehenkt, geköpft
oder gerädert.

B'hüt' uns Gott! rief ſie, und ſolche Reden gehen aus ihrem ei¬
genen Mund?

Das ſind Dinge, von denen ſie täglich reden, um ſich recht an den
Gedanken zu gewöhnen, gleichwie der Amalekiter König Agag zu
Samuel ſprach: Alſo muß man des Todes Bitterkeit vertreiben.

Für 'n Amalekiter mag das ſchon recht ſein, aber es ſind doch
ſchreckliche, gräuliche Ding', und man kann's nicht verantworten, daß
man dich ſo jung mit ſo Leut' zuſammengepfercht hat. Ach Frieder,
ich bitt' dich, laß du ſie links ziehen und halt' dich nicht zu ihnen.

Nein, ſagte er, ich hab' allen Reſpect vor ihnen und will mich
auch nicht mit ihnen einlaſſen. Deswegen gehen wir ja außer Lands,
wo auch gut Brod eſſen iſt und wo mich keiner von ihnen kennt.

Bei der Flucht von Hohentwiel alſo ſind ſie deine Kameraden ge¬
weſen? Ich kann mir's jetzt ſchon denken.

Mit Hilfe des Jeniſchen, fuhr er in ſeiner Erzählung fort, brachte
ich bald heraus, welche von den Gefangenen die tauglichſten waren
und meinem Gefängniß am nächſten lagen. Zum größten Glücke hatte
ich zwei Nachbarn, ganze Kerls, mit denen ich den Teufel aus der
Hölle ſchlagen wollte. Uns zu verſtändigen, das war uns eine Klei¬
nigkeit. Im Vorbeigehen etwas hingemurmelt oder im Sprechen mit
der Schildwacht oder dem Aufſeher ein paar jeniſche Brocken einge¬
ſtreut und dabei dem eigentlichen Adreſſaten den Rücken zugekehrt —
das iſt für einen Kochum ſo viel wie ein ganzes Buch; aus zwei, drei
Worten, die von einem Andern faſt ohne Mundbewegung an ihn herge¬

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[298/0314] Was heißt denn das, was du da hergeſagt haſt? fragte ſie. Es iſt nur eine Probe, ſagte er, und bedeutet ſo viel als: die Kochem ſind groß an Mannſchaft im Schwabenland, brechen bei Nacht in die Häuſer, leeren Stuben, Kammern und Käſten, gehen auf Märkte, rapſen Waare, ziehen Geld aus Taſchen, ſchnellen die Leute, eſſen und trinken gut mit ihren hübſchen tanzluſtigen Weibsbildern (denn daran rühmen ſie ſich reich zu ſein), liegen auf dem Feld um's Feuer, ſchwatzen und lachen, aber oft kommen Streifer, nehmen ſie gefangen, oft machen ſie ſich davon, wenn ſie aber in's Gefängniß gerathen und ihre Sachen an Tag kommen, kriegen ſie Schläge und Prügel, müſſen auch oft ſterben, werden gemalefitzt, an den Galgen gehenkt, geköpft oder gerädert. B'hüt' uns Gott! rief ſie, und ſolche Reden gehen aus ihrem ei¬ genen Mund? Das ſind Dinge, von denen ſie täglich reden, um ſich recht an den Gedanken zu gewöhnen, gleichwie der Amalekiter König Agag zu Samuel ſprach: Alſo muß man des Todes Bitterkeit vertreiben. Für 'n Amalekiter mag das ſchon recht ſein, aber es ſind doch ſchreckliche, gräuliche Ding', und man kann's nicht verantworten, daß man dich ſo jung mit ſo Leut' zuſammengepfercht hat. Ach Frieder, ich bitt' dich, laß du ſie links ziehen und halt' dich nicht zu ihnen. Nein, ſagte er, ich hab' allen Reſpect vor ihnen und will mich auch nicht mit ihnen einlaſſen. Deswegen gehen wir ja außer Lands, wo auch gut Brod eſſen iſt und wo mich keiner von ihnen kennt. Bei der Flucht von Hohentwiel alſo ſind ſie deine Kameraden ge¬ weſen? Ich kann mir's jetzt ſchon denken. Mit Hilfe des Jeniſchen, fuhr er in ſeiner Erzählung fort, brachte ich bald heraus, welche von den Gefangenen die tauglichſten waren und meinem Gefängniß am nächſten lagen. Zum größten Glücke hatte ich zwei Nachbarn, ganze Kerls, mit denen ich den Teufel aus der Hölle ſchlagen wollte. Uns zu verſtändigen, das war uns eine Klei¬ nigkeit. Im Vorbeigehen etwas hingemurmelt oder im Sprechen mit der Schildwacht oder dem Aufſeher ein paar jeniſche Brocken einge¬ ſtreut und dabei dem eigentlichen Adreſſaten den Rücken zugekehrt — das iſt für einen Kochum ſo viel wie ein ganzes Buch; aus zwei, drei Worten, die von einem Andern faſt ohne Mundbewegung an ihn herge¬

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/314>, abgerufen am 22.11.2024.