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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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preisgegebene Gemüth des Mannes, der sich nicht gescheut hatte, heilig
gehaltene Geräthe des Gottes, zu dem er betete, anzutasten. Er ließ
sein Weib zur Erde gleiten, erhob sich in die Kniee und rief, die
Arme gegen den blauer werdenden Morgenhimmel ausgebreitet, unter
strömenden Thränen: Himmlischer Vater, gib uns deinen Segen um
jenes Gerechten willen! Du bist ja mit den unvernünftigen Geschöpfen,
die unter deiner Sonne wimmeln, und gibst ihnen Nahrung und Klei¬
dung auf ihre Zeit. Trag' und erhalt' auch uns, die wir deine Kinder
sind, und gib uns unser Brod, uns und unsern armen Kleinen. Führ'
uns aus diesem Land, wo Vater und Mutter hart sind, in ein mil¬
deres, das du uns verheißen mögest, laß uns vor dir wandeln und
behüte uns, daß wir nicht mehr in Anfechtung fallen.

Christine kniete neben ihm und schluchzte laut. Nachdem er ge¬
endet hatte, blieben beide noch lange auf den Knieen liegen. Das
Feuer sank allmählich in Kohlen und Asche zusammen und durch die
Gipfel der Bäume lächelte das Gestirn des Tages, das Wärme und
Leben bringend über den Bergen aufgegangen war.

Jetzt komm, Christine, wollen aufbrechen, die Sonne ist herauf und
die Kälte läßt nach, sagte Friedrich, ihr Bündel ergreifend. Sie zogen
schweigend und voll Gedanken durch die Wälder hin, die vom Fuße
der Alb zwischen dem Neckar- und Filsthal in das Land hineinlaufen.
Hie und da führte ihr Pfad an einem einsamen Hofe vorüber, schlängelte
sich aber gleich wieder dem Walde zu. In einem dieser abgelege¬
nen Gehöfte wagten sie sich mit gestandener (saurer) Milch und
etwas Schwarzbrod zu erquicken, hielten sich aber, da sie von den
Leuten mißtrauisch angesehen wurden, nicht lange auf. Als sie wieder
auf der Wanderschaft waren, sagte er endlich: Jetzt ist das Erzählen
an dir, Christine.

Das ist kurz bei einander, versetzte sie, mir ist nicht so viel vor¬
kommen, wie dir. Nach deiner Gefangennehmung, wo du nach Hohent¬
wiel kommen bist, hat man mich auch ein wenig einthürmt.

Aber nichts auf dich bringen können, das weiß ich schon von dei¬
ner Mutter.

Nachher ist's eben wieder das alt' Lied gewesen. Sie haben mich
vor Kirchenconvent citirt und haben mich gefragt, wer der Vater zu
dem Kind sei, mit dem ich geh'.

preisgegebene Gemüth des Mannes, der ſich nicht geſcheut hatte, heilig
gehaltene Geräthe des Gottes, zu dem er betete, anzutaſten. Er ließ
ſein Weib zur Erde gleiten, erhob ſich in die Kniee und rief, die
Arme gegen den blauer werdenden Morgenhimmel ausgebreitet, unter
ſtrömenden Thränen: Himmliſcher Vater, gib uns deinen Segen um
jenes Gerechten willen! Du biſt ja mit den unvernünftigen Geſchöpfen,
die unter deiner Sonne wimmeln, und gibſt ihnen Nahrung und Klei¬
dung auf ihre Zeit. Trag' und erhalt' auch uns, die wir deine Kinder
ſind, und gib uns unſer Brod, uns und unſern armen Kleinen. Führ'
uns aus dieſem Land, wo Vater und Mutter hart ſind, in ein mil¬
deres, das du uns verheißen mögeſt, laß uns vor dir wandeln und
behüte uns, daß wir nicht mehr in Anfechtung fallen.

Chriſtine kniete neben ihm und ſchluchzte laut. Nachdem er ge¬
endet hatte, blieben beide noch lange auf den Knieen liegen. Das
Feuer ſank allmählich in Kohlen und Aſche zuſammen und durch die
Gipfel der Bäume lächelte das Geſtirn des Tages, das Wärme und
Leben bringend über den Bergen aufgegangen war.

Jetzt komm, Chriſtine, wollen aufbrechen, die Sonne iſt herauf und
die Kälte läßt nach, ſagte Friedrich, ihr Bündel ergreifend. Sie zogen
ſchweigend und voll Gedanken durch die Wälder hin, die vom Fuße
der Alb zwiſchen dem Neckar- und Filsthal in das Land hineinlaufen.
Hie und da führte ihr Pfad an einem einſamen Hofe vorüber, ſchlängelte
ſich aber gleich wieder dem Walde zu. In einem dieſer abgelege¬
nen Gehöfte wagten ſie ſich mit geſtandener (ſaurer) Milch und
etwas Schwarzbrod zu erquicken, hielten ſich aber, da ſie von den
Leuten mißtrauiſch angeſehen wurden, nicht lange auf. Als ſie wieder
auf der Wanderſchaft waren, ſagte er endlich: Jetzt iſt das Erzählen
an dir, Chriſtine.

Das iſt kurz bei einander, verſetzte ſie, mir iſt nicht ſo viel vor¬
kommen, wie dir. Nach deiner Gefangennehmung, wo du nach Hohent¬
wiel kommen biſt, hat man mich auch ein wenig einthürmt.

Aber nichts auf dich bringen können, das weiß ich ſchon von dei¬
ner Mutter.

Nachher iſt's eben wieder das alt' Lied geweſen. Sie haben mich
vor Kirchenconvent citirt und haben mich gefragt, wer der Vater zu
dem Kind ſei, mit dem ich geh'.

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[313/0329] preisgegebene Gemüth des Mannes, der ſich nicht geſcheut hatte, heilig gehaltene Geräthe des Gottes, zu dem er betete, anzutaſten. Er ließ ſein Weib zur Erde gleiten, erhob ſich in die Kniee und rief, die Arme gegen den blauer werdenden Morgenhimmel ausgebreitet, unter ſtrömenden Thränen: Himmliſcher Vater, gib uns deinen Segen um jenes Gerechten willen! Du biſt ja mit den unvernünftigen Geſchöpfen, die unter deiner Sonne wimmeln, und gibſt ihnen Nahrung und Klei¬ dung auf ihre Zeit. Trag' und erhalt' auch uns, die wir deine Kinder ſind, und gib uns unſer Brod, uns und unſern armen Kleinen. Führ' uns aus dieſem Land, wo Vater und Mutter hart ſind, in ein mil¬ deres, das du uns verheißen mögeſt, laß uns vor dir wandeln und behüte uns, daß wir nicht mehr in Anfechtung fallen. Chriſtine kniete neben ihm und ſchluchzte laut. Nachdem er ge¬ endet hatte, blieben beide noch lange auf den Knieen liegen. Das Feuer ſank allmählich in Kohlen und Aſche zuſammen und durch die Gipfel der Bäume lächelte das Geſtirn des Tages, das Wärme und Leben bringend über den Bergen aufgegangen war. Jetzt komm, Chriſtine, wollen aufbrechen, die Sonne iſt herauf und die Kälte läßt nach, ſagte Friedrich, ihr Bündel ergreifend. Sie zogen ſchweigend und voll Gedanken durch die Wälder hin, die vom Fuße der Alb zwiſchen dem Neckar- und Filsthal in das Land hineinlaufen. Hie und da führte ihr Pfad an einem einſamen Hofe vorüber, ſchlängelte ſich aber gleich wieder dem Walde zu. In einem dieſer abgelege¬ nen Gehöfte wagten ſie ſich mit geſtandener (ſaurer) Milch und etwas Schwarzbrod zu erquicken, hielten ſich aber, da ſie von den Leuten mißtrauiſch angeſehen wurden, nicht lange auf. Als ſie wieder auf der Wanderſchaft waren, ſagte er endlich: Jetzt iſt das Erzählen an dir, Chriſtine. Das iſt kurz bei einander, verſetzte ſie, mir iſt nicht ſo viel vor¬ kommen, wie dir. Nach deiner Gefangennehmung, wo du nach Hohent¬ wiel kommen biſt, hat man mich auch ein wenig einthürmt. Aber nichts auf dich bringen können, das weiß ich ſchon von dei¬ ner Mutter. Nachher iſt's eben wieder das alt' Lied geweſen. Sie haben mich vor Kirchenconvent citirt und haben mich gefragt, wer der Vater zu dem Kind ſei, mit dem ich geh'.

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/329>, abgerufen am 21.11.2024.